Die Hussiten vor Naumburg
Die Hussiten zogen vor Naumburg
über Jena her und Kamburg;
auf der ganzen Vogelwies
sah man nichts als Schwert und Spie´ß,
an die hunderttausend.
2. Als sie nun vor Naumburg lagen,
kam darein ein großes Klagen;
/: Hunger quälte, Durst tat weh,
und ein einzig Lot Kaffee
jkam auf sechzehn Pfennig. :/
3. Als die Not nun stieg zum Gipfel,
faßt die Hoffnung man beim Zipfel,
und ein Lehrer von der Schul
sann auf Rettung und verful
endlich auf die Kinder.
4. „Kinder“, sprach er, „ihr
seid Kinder,
unschuldvoll und keine Sünder!
Ich führ zum Prokop euch hin,
der wird nicht so grausam sin,
euch zu massakrieren.“
5. Dem Prokopen tät es scheinen,
Kirschen kauft er für die Kleinen,
zog darauf sein langes Schwert,
kommendierte: Rechtsum kehrst!
hinterwärts von Naumburg.
6. Und zu Ehren des Mirakel
ist alljährlich ein Spektakel;
kennt ihr nicht das Kirschenfest,
wo man ’s Geld in Zelten läßt?
Freiheit, Viktoria!
Geschichte / Kommentar:
Der Text des Liedes stammt von Karl Seyferth.
Böhme zufolge war er „1832 Referendar zu Naumburg an der
Saale, später Regierungs- und Consistoralrath in Posen“.
Franz Magnus Böhme schreibt dazu weiter:
Das Lied sollte beim Naumburger Kirchsfeste zu
einem großen Gemälde nach Art der Mordgeschichten gesungen
werden. Zu jeder Strophe ein Bild. Aber die Philister nahmen das sehr
übel, als sie vor dem Zelte der Referendarinas Gemälde
entfaltet sahen. am Abend bemächtigten sich einige desselben und
verbrannten es. Trotzdem ging das Lied mit seiner bildlichen
Darstellung nicht verloren. Es erschien ein Foliablatt:
„Bänkelgesang zur 4. Sekularfeier des Naumburger Kirch-
inder- und Hussitenfestes. Melodie: Halle an der Saale Strande. Mit 6
Tableaux“. Am Ende: „Zum andenken für die Theilnehmer
des Referendarien-Zeltes 1832, gelithographirt und gesteindruckt
à Pais.“ Der ursprüngliche Anfang lautet:
„Hussens Leute kam’n von Camburg
Durch Klein-Jena bis vor Naumburg“.
So der Bericht von Dr. Leonhard Reil in Kösen
1859 an Hoffmann v. Fallersleben (s. dessen volksthüml. Lieder S.
178). In der jetzigen gestalt erschien das Lied mit Mel. zuerst in
„Deutsche Lieder“. Leipzig, Rob. Friese 1843, S 329.
– Es ist vielfach gedruckt und von Kindern, Studenten und
Soldaten gern gesungen, erfuhr auch seiner frischen Melodie halber
manche Nachdichtungen, darunter die von Viktor Scheffel: „Als die
Römer frech geworden“ (s. Nr. 79 oben).
Die Melodie, welche längere Zeit für
ungarischen Ursprungs galt, erklärt L. Erk (Germania 371) für
die deutsche Studentenweise: ’s ist mir auf der Welt nichts
lieber“ (1841). – Vorletzte Note steht gewöhnlich als
Viertel gedruckt; weit frischer und originell wild klingt der der
Schluß mit 2 Achtelnoten, wie ich ihn in Thüringen und am
Rhein hörte.
Die Melodie diente folgenden Liedern als
musikalisches Fundament:
Quelle:
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch,
1873 Nr. 6.
Max Kegel's Sozialdemokratisches Liederbuch,
Stuttgart , 1891, S. 89.
Max Kegel's Sozialdemokratisches Liederbuch,
Stuttgart , 1897 Nr. 8, S. 89.
Ging
ein Mann im hohen Norden (Die Entdeckung des Bernsteins oder: Wie ein gut
Kursbuch nützet), Text: C. A. S. (Berlin), Schmitt, Postliederbuch
1886, Nr. 87, S. 98
Prosit ihr fidelen Brüder (Prosit!), Text: Polyt. Verein. Karlsruhe, Schmitt,
Postliederbuch 1886, Nr. 280, S. 291.
Quellen:
Franz Magnus Böhme, Nr. 707, S. 530f.
Friedrich Silcher, Friedrich Erk, Allgemeines
Deutsches Kommersbuch, Lahr 1919 (111. Aufl.), S. 596., Nr. 654 (I.
89.) / Mel: Ungarische Melodie / Rasch / Nach Karl Seyferth, 1832
Walther Werckmeister, Deutsches Lautenlied, Berlin
1928, Nr. 707 (nur Text)