Deutscher
Arbeiter-Sängerbund (DAS)
Die Anfänge der deutschen
Arbeitersängerbewegung reichen in die Mitte
des 19. Jhs. zurück, als in den
Arbeiterbildungsvereinen und den Handwerkervereinigungen Chöre
entstanden, die sich der Arbeiterbewegung
zugehörig fühlten. Doch auch aus den
Reihen oder auf Anregung des ADAV bildeten sich
Chöre. Als erster dieser Art, gilt der
„Sängerbund“ in Frankfurt, der
1863 auf Anregung von Ferdinand Lassalle
gegründet worden war. Es folgten 1873 der
Arbeiter-Sängerbund Hamburg, 1874 die
„Lassallia“ in Frankfurt und 1876 der
Berliner Arbeiter-Sängerbund.
Nachdem sich am 21. September
1862 der bürgerliche „Deutsche
Sängerbund“ gegründet hatte, waren
die zentralistischen Strukturen auch für die
Arbeitersänger angestrebt worden. Den ersten
Versuch zu einem übergeordneten
Zusammenschlusses unternahm ab Oktober 1876 der
sozialdemokratische Verleger Emil Sauertei mit
einem Aufruf im sozialdemokratischen Vorwärts.
Es folgte denn auch am 1. April 1877 in Gotha die
Gründung des „Allgemeinen Deutschen
Arbeiter-Sängerbundes“. Im gleichen Jahr erschienen denn
auch die ersten Chorlied-Drucke in seinem Verlag.
Doch bereits am Oktober 1878 erhielt der Bund wie
alle sozialdemokratischen Einrichtungen die rote
Karte. Die sogenannten
„Sozialistengesetzte“ (Gesetz gegen die
gemeingefährlichen Bestrebungen der
Sozialdemokratie; vom
19.10.1878-30.09.1890 in Kraft) verboten alle
sozialdemokratischen Organisationen. Die einzelnen
über das ganze Reich verteilten Vereine
arbeiteten mit getarnten Programmen und
teilweise Tarnnamen überwiegend weiter. Sie
dienten nicht selten als eigentliche Stützen
der Sozialdemokratischen Organisation.
Verweise:
Die
Arbeitersängerbünde begingen Weihnachten
1892 in Berlin ihren „Ersten
Delegiertentag“, an dem 320 Chöre mit
ca. 9000 Mitgliedern teilnahmen. Ein Ziel des
Treffens war die anvisierte Gründung der
„Liedergemeinschaft der
Arbeiter-Sänger-Vereinigungen
Deutschlands“. Sie sollte in erster Linie
geeignete Chorliteratur mit freiheitlicher Tendenz
produzieren bzw. deren Entstehung fördern. Es
folgten eine Reihe von neuen Liedern, deren
eifrigster Komponist G. A. Uthmann (1867-1920)
mit mehr als 400 Chorkompositionen war. Es folgte
eine Entwicklung wie auch die SPD stetig zu einer
Massenbewegung: 1896 waren es Schebera zufolge
24.000 Mitglieder und 1908 bereits 120.000. Der
Erste Weltkrieg brachte nachvollziehbarer Weise
eine Reduzierung der Mitglieder, doch bereits 1920
verteilten sich 230.000 Mitglieder auf 3.000
Chöre.
1908 wurde denn folgerichtig
in Köln der Deutsche
Arbeiter-Sängerbund mit ungefähr 55.000 Mitgliedern
gegründet. Der Bund wurde organisatorisch in
27 Gaue unterteilt. Die Geschäfte leitete ein
fünfköpfiger Vorstand (1. Vorsitzender
wurde J. Meyer). Der bundeseigene Verlag
produzierte bis 1933 insgesamt 2000 Notendrucke.
Mitte der 1920er Jahre war der DAS nach dem Arbeiter-Turn- und Sportbund und dem Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität die drittgrößte
Arbeiter-Kultur-Organisation Deutschlands.
Nach dem Ersten Weltkrieg
erarbeitete eine Kommission des DASB unter Leitung
von Alfred Guttmann mehrere
„Notensammlungen“. Es erschienen
beispielsweise welche „für gemischten
Chor“ (305 Musikstücke auf 839 Seiten)
oder 1929 für Männerchöre
ohne Begleitung“, Partitur
(290 Lieder auf 880 Seiten), an der auch Arnold
Schönberg mitwirkte.
Das eigentliche Ziel der
Arbeitergesangvereine als musikalischer Teil der
organisierten Arbeiter- bzw.
Arbeiterbildungsbewegung war es, den Arbeitern die
Bildung zukommen zu lassen, die ihn bis lang in der
Gesellschaft aufgrund ihrer Möglichkeiten
verwehrt worden war. Das galt natürlich auch
für die Musik und den Gesang. Und hier waren
es musikalische Werke, die Im Adel oder im
Bürgertum entstanden waren. Doch auch
Volkslieder aus den unterschiedlichen Schichten der
Gesellschaft und Lieder der jeweiligen Zeit, wie
jene, die im Umfeld der 1848 Bewegung entstanden.
Später kamen auch die Lieder aus dem Umfeld
der organisierten Arbeiterbewegung dazu, die
häufig von Mitarbeitern der Medien aus dieser
Szene geschrieben worden waren. Herausragende
Agitatoren waren Johann Most, Jakob Audorf, August Geib, Hermann Greulich, Andreas Scheu oder Max Kegel.
Große Beliebtheit
erfreuten sich die Werke von Bach, Beethoven, Mozart, Schumann, Brahms, Haydn oder Händel. Bezeichnend dafür ist
beispielsweise Großereignisse wie das
„Arbeiter-Händel-Fest“ 1926 in
Leipzig, oder die
„Arbeiter-Musik-Woche“ in Frankfurt
a.M. 1927 mit besonderer Ehrungen Beethovens 1927
aus Anlaß seines 100. Todestages. Neben den
Volkslieder standen Werke der Klassik im
Mittelpunkt der Gau-Sängertage oder des im
Juni 1928 durchgeführte „Erste Deutsche
Arbeiter-Sängerbundesfest“. Letzteres
bildete mit über 50.000 Teilnehmern den
Höhepunkt der Arbeit des DAS. Die damit
verbundene musikalische Bildung bildete eine
Kontinuität, die sich seit den Anfängen
für die miesten Teilnehmer und vor allen
Dingen für den Vorstand und dem seit 1923
tätigen künstlerischen Beirat, in dem
beispielsweise der Berliner Arzt und engagierte
Musikliebhaber Alfred Guttmann, E. Zander oder der
Berliner Dirigent und Komponist S. Ochs beteiligt
waren.
Das immer wieder gern
erwähnte „Tendenzlied“ lässt
unseres Wissens eine genaue Definition vermissen.
Von einigen wird es als ein anderer Ausdruck des
ebenfalls häufig seltsam schwammig benutzten
Begriffs „Arbeiterlied“ genommen. Doch
„Tendenzlied“ bedeutet lediglich ein
Lied das eine inhaltliche „Tendenz“ zum
Ausdruck bringt. Diese Tenden aber, kann alles
bedeuten und in jede beliebige Richtung gehen. In
der Neuen Zeitschrift für Musik Nr. 27 vom 2.
April 1849 (S. 151) wird beispielsweise eine
Komposition zu dem Lied „Was ist des
deutschen Vaterland“ als
„Tendenzcomposition“ bezeichnet und am
18. November 1849 (S. 222) wird Fr. Kückens
„Deutsches Bundeslied“ (Op. 49) als
Tendenzlied bezeichnet. Der Begriff ist für
unsere Zwecke also unbrauchbar.
Mit Beginn der Weimarer
Republik nahm der Anteil an politisch orientiersen
Liederbüchern ein enormes Ausmaß an.
Während die SPD-orientierten Liederbücher
in der Regel eine bunte Mischung an
unterschiedlichen Musikrichtungen waren die meisten
Liederbücher der KPD überwiegend oder gar
ausschließlich auf das Kampflied bzw. das
Frontkämpferlied ausgerichtet. Besonders Hanns
Eisler, der über die Agitproptruppen des Roten
Frontkämpferbundes seinen musikalischen
Einfluss geltend machte. Dazu kamen auch die
Agitproplieder, die allerdings auf den DAS wenig
Einfluss hatten. Vom DAS gefördert entstanden
stattdessen „proletarische Oratorien“
von B. Schönlank/ H. Tiessen:
Frühlings-Mysterium, A. Auerbach / O. Gerster:
Lied vom Arbeitsmann, oder I. Frank / A. Wolff:
Kreuzzug der Maschine.
In vielen Kommentaren und
selbst im DAS wurden SPD und KPD orientierte
Produkte als die Ergebnisse einer politischen
Richtung angesehen, was natürlich nur bedingt
richtig ist. Zwar haben SPD und KPD gleiche Wurzeln
und ein sozialistisches Grundverständnis, doch
mit Beginn der parlamentarischen Demokratie
unterscheiden sie sich als Befürworter und
Gegner der Republik. Was sich nicht zuletzt an
einer intensiven und dauernden gegenseitigen
Bekämpfung zeigt. Begriffe wie
„Reformisten“ oder ähnliches, sind
da wenig hilfreich, da sie den wesentlichen
Konflikt beider Parteien in jener Phase nicht
beinhalten. (Noch 1928 macht W. Bock aus Hannover
folgende Gedankenspiele: Er betrachtet Hannover als
„eine sogenannte ‚sozialistische Hochburg’“ und begründet
folgendermaßen: „Bei den letzten Reichstagswahlen 1924 erhielten SPD, und KPD, 44, 8
Prozent der abgegebenen Stimmen. Von 241.677
abgegebenen Stimmen erhielt die SPD. 88.933, die
KPD 19.972, die USP. 424, das sind insgesamt
108.329 sozialistische Stimmen. Hannover ist auch
eine republikanische Stadt, das beweist die
Reichspräsidentenwahl, bei der von 252.293
gültigen Stimmen 131.543, also 52,1 Prozent,
auf den republikanischen Kandidaten entfielen. Im Stadtparlament wirken 74 Bürgervorsteher.
Davon haben SPD. 22 und KPD. 9. Es stehen also 31
Arbeitervertreter gegen 43 Bürgerliche, die
sich auf die verschiedensten Gruppen
verteilen.“ (Programmheft „Hannover
1928“ zum 1. Deutschen
Arbeiter-Sängerfest, S. 117f.) Die fatale
Fehleinschätzung, in der SPD wie KPD als
gemeinsame „Republikaner“, also, die
die gleiche Republik wollten, angesehen wurden,
sollte sich bekantnermaßen bitter
rächen.