Polenlieder
Polen war in drei Teilungen
1772, 1792 und 1795 zwischen den europäischen
Großmächten Russland, Preußen und
Österreich sukzessive aufgeteilt worden. Um
diese Situation zu verändern begann am 29.
November 1830 in Warschau ein Aufstand, der
„Novemberaufstand“ gegen zaristische
Russland. Ziel war die Wiederherstellung eines
unabhängigen polnischen Staates. Die Erhebung
dauerte fast zehn Monate. Am 8. September 1831
wurde Warschau wieder von russischen Truppen
erobert.
Der Kampf der Polen brachte im
Umfeld der demokratischen Kräfte Europas viel
Solidarität. Dieses kam den Resten der
polnischen Truppen und die zivilen Oppositioneller
bei ihrer Flucht durch halb Europa nach Frankreich
zugute („Grosse Emigration“). Sie
wurden vielerorts in Sachsen, Hessen oder Baden
positiv empfangen. „Fast jede deutsche Stadt
hatte ihren Ausschuß, der Geld für die
Polen sammelte und für ihr Weiterkommen
sorgte.“ (Brandes, S. 356f.)
So stand fast die ganzen
1830er und 1840er Jahre im Zeichen des polnischen
Freiheitskampfes, was sich auch in den so genannten
„Polenliedern“ widerspiegelte.
Jeanette Wohls Briefe an
Börne enthalten viele feine und bezeichnende
Einzelheiten zur Geschichte dieses Durchzuges. Sie
erzählt, wie polnische Offiziere, die auf dem
Fluß von Hanau nach Frankfurt/Main kamen, von
Hanauer Enthusiasten begleitet waren, so daß
sie ihren Einzug unter Musik und
Böllerschüssen von den Schiffen hielten.
Sie wurden von starken Armen durch die Volksmenge
getragen. Man ersieht aus ihren Briefen, daß
sich jedesmal, wenn Polen durch die Stadt ziehen,
alle Häupter auf ihrem Wege
entblößen ... Als in einem [Hotel] ein
verwundeter polnischer Offizier stirbt, folgen ihm
Tausende, darunter sogar Frankfurts
Bürgerwehr, zum Grabe. Ein Goldarbeiter hat
einen Eisensplitter, der einen polnischen Offizier
verwundet hatte, wie ein kleines Schwert
eingefaßt, mit Diamanten besetzt und ihn dem
Polen so zum Geschenk gemacht. Polens Niederlage
war eine Niederlage der Kämpfer für die
Volksfreiheit in allen Staaten. Der Eindruck war
erschütternd.“
Zu den Polenliedern siehe auch:
Wolfgang Steinitz, Deutsche
Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs
Jahrhunderten, Bd. 2, Berlin 1962, S. XXXII, 28ff.,
184, 245, 298, 337.
Georg Brandes,
Hauptströmungen der Literatur des 19.
Jahrhunderts. III, S. 356f.
Zu den
„Polenliedern“ gehören u. a.
folgende:
Brüder, laßt uns
gehn mitsammen (Der Polen Mai)
Noch ist Polen nicht verloren
Weit entfernt vom teuren
Vaterlande (Wir irren hier umher auf deutscher
Flur)
O Freunde klaget doch mit mir
(Nein, Polen darf nicht untergehn)
Fliege, weißer Adler,
fliege
Leb wohl, du teures Land, das
mich geboren
Heute scheid ich, morgen wandr
ich
Und im Kerker saßen (Wir
sind keine Knechte, hoch leb’ die Republik
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