Musik von unten e.V.
(von Werner Hinze)
Unter der Nr. 11316 wurde am 8. Mai 1987 der am 1.
April d.J. gegründete Verein
Musik von unten
Verein für demokratische Musikkulturen
in Geschichte und Gegenwart.
vom Amtsgericht Hamburg in das Vereinsregister
eingetragen.
Musikwissenschaftler, Volkskundler, Soziologen und
andere Interessierte taten sich vor zehn Jahren zur Verwirklichung
eines gemeinsamen Zieles zusammen. Sie wollten die Musik sozialer
Bewegungen sammeln und erforschen bzw. deren Auswertung fördern.
Als soziale Bewegungen seien beispielhaft
erwähnt die Arbeiterbewegung, Widerstand gegen Totalität oder
Militarismus(z.B. die Friedensbewegung) ebenso wie gegen
umweltfeindliche Technologie und Entwicklungen, kurz: wo immer soziale
Gruppen aufgrund eines gemeinsamen Zieles bzw. gemeinsamer Erfahrungen,
im Sinne einer kulturellen Bewegung „von unten“, entstehen
und sich musikalisch artikulieren. Die Dokumentierung soll sich nicht
auf die Entwicklung der demokratischen Volksmusik im deutschen
Sprachraum beschränken, sondern sich, neben der Beachtung
verschiedener Dialekte, auch auf Vergleiche verwandter
Musikaktivitäten unterschiedlicher Ethnien ausdehnen. Hier sind
u.a. die Entwicklungen der vom Regionalismus getragenen Bewegungen von
großer Bedeutung (z.B. in der Bretagne, im Elsass, in Kurdistan
usw.), die aus der Suche nach Identität und Heimat ebenso
hervorgingen wie aus der kulturellen, ökonomischen oder
politischen Abwehr gegen die Unterdrückung zentralistischer
Staatsgefüge (z.B. Basken, Katalanen usw.). Ebenso gilt unser
Interesse den Musikaktivitäten der Ausländer in der
Bundesrepublik.
Wie die Beispiele verdeutlichen, geht es nicht nur
um eine historische Aufarbeitung, sondern die Mitglieder und
Sympathisanten des Vereins wollen durch aktiv teilnehmende Beobachtung
die aktuellen Entwicklungen begleiten und deren wissenschaftliche
Aufarbeitung fördern. Um anschauliche (bzw. anhörliche)
Vergleiche zu ermöglichen, wurden Musikdarbietungen in
Zusammenarbeit mit anderen Initiativen organisiert, durch deren
Darstellung die Unterschiede oder Gemeinsamkeiten aufgezeigt und so
kommunikative Wirkungen erzielt werden konnten (z.B. „Ir me
quiero“ - Konzert mit Jalda Rebling in St. Jacobi am 2.8.1992).
Bislang hat der Verein drei wissenschaftliche
Tagungen veranstaltet. Im November 1988 sollte die Frage
„Was ist ‘Musik von unten’?“ beantwortet werden
(eine Diskussion, die allerdings vermutlich nie enden wird). Ein Jahr
später stand die Tagung unter den drei Oberbegriffen
„Ethnische Minderheiten - Regionalismus - Rassismus“ (Beide
Tagungen sind als Dokumente Bd. 1 und 2 beim Verein erhältlich).
Im Dezember 1990 standen die Medien im Mittelpunkt des Interesses:
„Welche Bedeutung kommt den Medien für eine ‘Musik von
unten’ zu?“ (in dem vorliegenden Buch dokumentiert durch
folgende Aufsätze: Sibylle Zöllner, „Das Phantom der
Oper als Produkt der Kulturindustrie“, INFO 9; Chai Ming,
„Der blinde Musiker Ah-Bing 1893-1950“, INFO 10; Werner
Hinze, „Musik zu Agitation und Propaganda 1920 bis 1945“,
INFO11).
Darüber hinaus nahmen Mitglieder des Vereins,
in teilweise eben dieser Eigenschaft, an wissenschaftlichen Tagungen
anderer Träger teil. Auf dem 1989 in Hannover tagenden Kongress
„Kultur gegen den Krieg - Wissenschaft für den
Frieden“ referierte Peter Petersen über „Musiktheater
gegen den Krieg“. Im November 1991 sorgte er dafür,
dass eine eigene Sektion (neben P.P. waren das Jakob Ullmann Rainer
Licht, Sibylle Zöllner und Werner Hinze) am Kongress
„Frieden, Tradition und Zukunft als Kulturaufgabe. Wie gestalten
wir die Zukunft des Planet Erde?“, ebenfalls in Hannover,
teilnahm. Ein weiteres Jahre später nahmen Hans-Ludger Kreuzheck
(„Von den ‘Moorsoldaten’ zu den ‘Lebenden
Steinen’ - Zur Erforschung der Musik in den
NS-Konzentrationslagern“, nur im Tagungsband) und WernerHinze
(„Instrumentalmusik im politischen Kampf der zwanziger Jahre am
Beispiel der Schalmei“, INFO 13) an der Tagung der
„Kommission für Lied-, Musik- und Tanzforschung in der
Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V.“ in Weimar unter
dem Obertitel „Musikalische Volkskultur und die politische
Macht“ teil. Desweiteren fanden Referate von kleinen
Veranstaltungen des Vereins ihren Niederschlag in der Dokumentation,
wie: Renate Bauche, „Folklore- und Protestsongbewegung in Hamburg
in den 60er und 70er Jahren“ (INFO 19)
Als zentrales Kommunikationsforum wurde ein
periodisches „Informationsblatt“ (INFO) aufgebaut um die
Ergebnisse, Noten, Gedanken und Visionen zu publizieren und
Diskussionen anzuregen. Die Dokumentation der ersten 10 Jahre unserer
Arbeit ist das Anliegen dieser Jubiläumsausgabe. Am Beginn stand
ein INFO 0, indem die Ziele des Vereins dargestellt wurden. Mit einem
kurzen Abriss der „Entwicklung der demokratischen
Volksliedforschung“ und einem abschließenden
„Aufruf“ (beides im Anschluss an die Vorstellung der
Arbeitsgruppen in dieser Einleitung dokumentier) bildete es unser
erstes Werbe-INFO. Die Entwicklung des INFO, die ein Jahr nach der
Gründung begann, wird nach Jahrgängen dokumentiert.
Vorangestellt wird eine aktualitätsbezogene Kurzdarstellung.
Längere Aufsätze, die in Fortsetzung publiziert wurden, haben
wir zusammengefasst und unter dem Datum des jeweils ersten Teils
abgedruckt, um so ein übergangsloses Lesen zu ermöglichen.
Die Dokumentation verdeutlicht auch die formale Entwicklung des INFO.
Nach den ersten beiden Ausgaben, die von engagierter Feldarbeit
geprägt waren, gerieten die umfangreicheren, wissenschaftlichen
Ausarbeitungen zunehmend in den Vordergrund. Darüber hinaus
entstanden feststehende Rubriken, wie: „Aufsätze“,
„Berichte und Veranstaltungen“, „Wir stellen
vor“ oder „Standpunkte und Diskussionen“. Die Rubrik
„Wir stellen vor“ oder auch „Es stellt sich
vor“ ist Initiativen, Archiven oder Instituten vorbehalten, die
aufgrund bestimmter Materialien, die dort archiviert, bearbeitet oder
herausgegeben werden, von besonderem Interesse für den Verein und
die INFO-Leser sein dürfte. Meist handelt es sich um die rund 50
Institutionen im In- und Ausland (u.a. Österreich, Slowenien,
Tschechien, Finnland, Schweden, Norwegen, Schottland), die mit den MVU
im Informationsaustausch stehen. Aus aktuellem Anlass wurde wiederholt
„Die Welt um uns“ betrachtet und ein immer umfangreicher
werdender „Pressespiegel“ ermöglichte
Kurzinformationen und manch Kurioses mit einzubeziehen. Um den Rahmen
des vorliegenden Bandes nicht zu sprengen, mussten wir lernen uns zu
beschränken. Die größte Bedeutung kommt natürlich
der Dokumentation der Aufsätze zu, die alle vollständig
enthalten sind. Nicht berücksichtigt werden konnte in der Regel
neben dem Pressespiegel Konzertbeobachtungen oder Rezensionen.
Diskussionen und Beobachtungen, die auch nachträglich in einem
größeren Zusammenhang eine Bedeutung behalten oder Aspekte
des historischen Prozesses desvergangenen Jahrzehnts verdeutlichen,
wurden dagegen mit aufgenommen.
Die chronologische Dokumentation des INFO macht
auch deutlich, dass die Mitglieder des Vereins nicht nur „am Puls
der Zeit“ waren, sondern nicht selten gedanklich führend.
Die Bearbeitung der Musik in den nationalsozialistischen
Konzentrationslagern beispielsweise wurde von Hans-Ludger Kreuzheck
nicht nur als Thema seiner Magisterarbeitbearbeitet, sondern war ein
wesentlicher Bestandteil der „Projektgruppe Musik und
Nationalsozialismus“ (s. AGExilmusik). Ein erster kleiner Bericht
des Autors im INFO 3 machte auf das Thema „Weihnachten im
Konzentrationslager“ aufmerksam. Ihm folgte eine Reihe von
Besprechungen, Diskussionen und eigenen Aufsätzen (insbesondere
die umfangreiche Darstellung in den INFOs 17-19 („Kapellen der
Hölle“). Früh fand ebenfalls die Diskussion um die
deutsche Einheit statt. In INFO 7 wurde mit dem Abdruck „Es
dämmert der Tag“ aus „Der Ziegelbrenner“ (das
war Ret Marut der sich später B. Traven nannte - alles drei
lediglich Pseudonyme) vom 9. November 1918 ein Vergleich mit den
revolutionären Wirren der Nachkriegszeit angeboten. Darüber
hinaus fand eine rege Diskussion und eine Aufarbeitung zur Hymnenfrage
statt, sowie Vergangenheitsbewältigung zu diversen Themen (INFO
7-19) - immer auch mit einem Fingerzeig gen Westen(aber alles zu seiner
Zeit). Der Redaktion ging es immer darum Zusammenhänge aufzuzeigen
und keine kleinkarierten Diskussionen zu führen, die sich an
Einzelpersonen festhalten, diese können höchstens
exemplarisch Erwähnung finden.
Erwähnt werden soll auch noch die erste
Zusammenfassung über die politischen Straßenmusiker, die
sich unter dem Namen Rotzfreche Asphaltkultur (RAK) verbunden
fühlen, und die das INFO (17-18) dank der Examensarbeit von
RegineMeyer (Oldenburg) dokumentieren konnte.
Der Erfolg unserer Arbeit war möglich
geworden durch eine Vielzahl von Sympathisanten und die gute
Zusammenarbeit mit den oben bereits erwähnten rund 50 Instituten
im In- und Ausland. Hervorheben möchte ich das
Musikwissenschaftliche Institut der Universität Hamburg und die
Professoren Vladimir Karbusicky und Peter Petersen und die Redaktion,
bestehend aus Dorothea Stalmann, Renate Tonzel, Hans-Ludger Kreuzheck
und Rudolf Alwin Novak. Nicht zu vergessen den Vorstand des Vereins.
Monika Dicke (sprang für Doris Foitzik ein), die zusätzlich
in der AG„Musik und Gewalt“ zusammen mit Martin Elbl
Material sammelte und analysierte und Rainer Licht (Schatzmeister), der
neben der Aufarbeitung des „Jüdischen Lebens“ in der
Exilforschung aktiv ist. Beispielhaft und prägend war darüber
hinaus die Arbeit von Arbeitsgruppen, die eng mit dem Verein
zusammenarbeiten oder direkt dazu gehören - besonders
hervorgehoben sei die AG „Exilmusik“.
Der Vorstand setzt sich aktuell zusammen aus:
Dr. Werner Hinze (Vorsitzender)
Dagmar Wienrich
Zu erreichen über die Vereinsadresse.