Arbeitsgruppen
Außer der oben geschilderten Ziele ist es
das Bestreben des Vereins Arbeitsgruppen aus den Reihen der Mitglieder
zu initiieren oder zu fördern, so wie Gruppen von außerhalb
eine gemeinsame Plattform zur Verfügung zu stellen. In den
Anfangsjahren hatte sich eine AG „Musik urbaner
Subkulturen“ gebildet, die sich den „eigenständigen
Kulturenethnischer Minderheiten“ ebenso widmen wollte wie den
sogenannten „Gegenkulturen“ wie Hippies oder
Alternativszenen. Niedergeschlagen hat sich das Wirken dieser AG im
Wesentlichen in den Info-Beiträgen von Sibylle Zöllner.
Vom Soziologischen Institut der Uni Hamburg kam
die AG „Lied und Geschichte“ unter der Leitung von
Alexander Deichsel. Sie wollte durch das Lied als besonderem
„Gestaltausdruck von Verbundenheit“ eine geschehensnahe
Geschichtskommentierung erreichen. In der Praxis sollte dieses Vorhaben
zu einer „Geschichte der Deutschen in ihren Liedern“
führen. Herausragend in der Aktivität dieser AG war das
Symposion „Menschenrechte im europäischen Lied“, das
Ende Januar 1988 im Musikwissenschaftlichen Institut der
Universität Hamburg stattfand. Liedermacher, -sammler, -forscher
und Publizisten aus Irland, Polen, England, Frankreich, den USA und
Deutschland referierten (teils mit eigenen Musikdarbietungen) über
unterschiedliche Aspekte des Themas. (Eine Dokumentation erschien 1995
im Rolf FechnerVerlag: „Gott schuf den Menschen völlig
frey“, hrsg. v. Martin Brinkmann).
Das Thema „Musik und Gewalt“ ist in
unterschiedlichen Aspekten diverser Aufsätze und Berichte
enthalten (im INFO12 vom Oktober 1992 wurde ein bereits eindeutiger
Bezug aufgrund eines Interviews des Spiegel mit KRS One über Rag
und Rassenhass unter der Überschrift „Bereit, zu
töten“ auszugsweise dokumentiert). Zu einem eigenen Thema
wurde es spätestens nach einem Leserbrief von Martin Elbl (damals
Dortmund) vom Januar 1993, anlässlich eines TAZ-Artikels
(„Der Bürger als Headbanger - Pop nach Hoyerswerda und
Rostock“):
„Was mich mehr ansprach, war die anfangs
aufgeworfene Frage: Hat die ‘30 Jahre alte Gleichung Rock’n
Roll = Körper = Befreiung = irgendwie links ihre Unschuld
verloren’? Wie sind Skinhead-Gruppen einzuordnen, die mit Punk
HeavyMetal- und Ska-Rhythmen offen Ausländerhass propagieren? Wie
ist die Anziehungskraft dieser musikalischen Propaganda auf viele Kids
zu Verstehen? Entsteht hier womöglich eine neue ‘Musik von
unten?’“
Neben der Dokumentation von Presse- und
Verfassungsschutzmaterial, das die Redaktion sammelte, kritisierte
MartinKersten aus Freiburg in einem weiteren Leserbrief u.a. (INFO 15,
4/94), daß einerseits der Staat lediglich mit Beobachtung,
Indizierung und Beschlagnahmung reagiere, andererseit die Presse
„meistens den Sensationswert des Themas (Horroreffekt der
Darstellung, Aktualität durch Brandanschläge etc.) zur
Auflagen- bzw. Einschaltquotensteigerung“ nutze. Insgesamt
stellte er „eher Hilflosigkeit“ fest. Bewirkt worden sei
lediglich:
„Zum einen ein aufgeputschtes
Öffentlichkeitsinteresse ohne ausreichend fundierte Informationen
(Missverständnis Nr. 1: Skinheadmusik = Nazirock), zum anderen ein
gefährlicher Lerneffekt innerhalb der Nazi-Musikszene, die sich
mit Hilfe von Managern, durch „Entschärfung“ der Texte
oder auch durch Abtauchen der Strafverfolgung zu entziehen sucht.
Außerdem avancieren die BPS-Indexlisten zu Hitparaden für
die Kids; ein uraltes Gesetz der Zensur greift wieder einmal: was
verboten ist, fasziniert und wird zum Mythos.“
Kersten regte folgerichtig eine
„sorgfältige, vorurteilsfreie Analyse und Differenzierung
der „Rechtsrock“-Szene“ an und stellte die Frage nach
den Ursachen, „dem gesellschaftlichen Klima“. Als
mögliche Arbeitsansätze schlug er vor:
„* Darstellen des politisch wie musikalisch
breiten Spektrums der Skinheadmusik
* Verfolgen der Musikalischen Traditionslinien
(Ska, Punk, Oi!, Heavy Metal etc.)
* Detailanalyse von Texten, Musik und
Konzertsituation
* Durchleuchten der wirtschaftlichen Aspekte:
Produktion, Vertrieb, Umsatz, Organisationsgrad u.a.
* Differenziertes Beschreiben der
Skinhead-Subkultur, der Sozialisation von Musikern und
Zuhörern.“
In der Zwischenzeit hatte sich in Hamburg eine AG
gebildet, die Material sammelte und auswertete, das von Interessierten
jederzeit gesichtet werden kann. Eine geplante Tagung zu dem Thema
„Musik und Gewalt“ konnte mangels Aktiver bislang nicht
organisiert werden, wird aber in naher Zukunft folgen.