Aufruf
Um unser Archiv und unsere Projekte inhaltlich zu
erweitern und mit Leben zu erfüllen und somit der
Öffentlichkeit nutzbar zu machen, brauchen wir auch Ihre Hilfe.
Wir sammeln alle Hinweise über Lieder sowie Musizier- und
Gesangssituationen in Geschichte und Gegenwart. Jede Musikalische
Ausdrucksform, mag sie Ihnen noch so klein oder unbedeutend
vorkommen, ist für uns von Interesse. Nichts ist unwichtig.
Außer dem oben verwandten Beispiel aus der
Arbeiterbewegung wären exemplarisch auch Lieder religiös
motivierter Gruppen oder welche des Protests gegen Krieg und Faschismus
ebenso wie die musikalischen Ausdrucksformen heutigersozialer
Bewegungen, z.B. Lieder von Platzbesetzungen oder Streikposten zu
nennen. Das gilt natürlich auch für unsere ausländischen
Mitbürger/innen! Die Lieder können
politisch-kämpferisch, moralisch anstößig, albern oder
ernst sein; Parodien gab es zu jeder Zeit zu wohl allen Themen. Hier
einige Beispiele:
In der Zeit der Revolutions- und
Nachkriegswirren 1918 entstanden Parodien auf bekannte Volkslieder
O Tannebaum, o Tannebaum
der Kaiser hat in’n Sack gehaun.
Aujuste muß Kartoffeln schäl’n,
die Kinda, die jehn Fußball spiel’n.
oder
Es braust ein Ruf wie Donnerhall
Kaiser Wilhelm sitzt in’n Schweinestall.
Auch im Zweiten Weltkrieg gaben die
unterschiedlichsten Anlässe Stoff für Parodien. Ende Juni
1942 endet derVormarsch deutscher und italienischer Truppen in
Nordafrika bei El Alamein. Die Briten gehen im Oktober zur
Gegenoffensive über. Zeit zum Denken, Schreiben und Singen:
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
daß ich in Lybien bin.
Die alten, gemütlichen Zeiten,
die gehen mir nicht aus dem Sinn.
Die Nacht ist kalt und wir frieren.
Und sitzen so trüb und so stumm.
Es ist so hart zu krepieren
Wenn man nicht weiß, warum.
Doch immer mehr mischt sich der
Rundfunk in den Alltag ein. Die „gute Laune“ als
„Kriegsartikel“ bringt nicht nur den Film, sondern
verstärkt auch den Schlager in die Heimat und an die Front. So
wird zum Beispiel aus dem locker, flockigen Schlager „In einer
Nacht im Mai“:
Ist einer nackt im Mai,
da kann so viel passieren
er kann sich was erfrieren,
ist einer nackt im Mai.
Selbst in den nationalsozialistischen
Konzentrationslagern wurde musiziert. Offizielle Lagermusiken
demonstriertenmakaber die Unmenschlichkeit des Systems, während
der Individualgesang lebenserhaltende Funktion haben konnte. Das Lied
des Zweiten Weltkrieges Lili Marleen brachte nicht nur eine Vielzahl von Parodien
hervor, seine große Beliebtheit machte es auch in der Folgezeit
immer wieder zu einem musikalischen Objekt, dem die unterschiedlichsten
Texte übergestülpt wurden:
Schweinefleisch ist teuer
Ochsenfleisch ist knapp
Gehn wir mal zu Meier
Ob er Knochen hat
Wenn wir bei Meier Schlange stehn
Wie einst - Lili Marleen.
Wie einst - Lili Marleen.
Sozialen Bewegungen können
emanzipatorisch, friedenspolitisch, religiös, pazifistisch oder
ökologisch motiviert sein. Musik spielte immer eine Rolle, wie
beispielsweise bei den umwälzenden Veränderung in Osteuropa.
Sei es der Massengesang O-lee, o-lee-olee-olee... auf dem Platz vor dem
ZK-Palast in Rumäniens Hauptstadt Bukarest vom 21.Dezember 1989,
dem ein Abgesang auf Ceaucescu folgte, oder der immerwiederkehrende
Gesang der Nationalhymne (DDRoder CSFR), oder die auf dem Platz des
Himmlischen Friedens in Peking. Die Lieder können politisch
kämpferisch, moralisch anstößig, albern oder ernst
sein; Parodien gab es zu jeder Zeit zu wohl allen Themen.
Haben Sie ähnliche Erinnerungen oder
Erfahrungen? Wie gesagt, nichts ist unwichtig oder zu gering. Mit allen
Hinweisen und Fragen wenden Sie sich bitte an den Verein.
Selbstverständlich ist auch jede
Geld- oder Sachspende (z.B. Liederbücher) willkommen (Adresse und
Vereinskonto s. Impressum). Der Verein ist vom Finanzamt für
Körperschaften Hamburg-Ost als gemeinnützig anerkannt.
Benutzte Literatur:
Friedrich Arnold: Das deutsche Volkslied (2 Teile)
Prenzlau 1927;
Hermann Bausinger: Formen der
„Volkspoesie“, Berlin 1968 (2. Aufl. 1980);
Vladimir Karbusicky: Musikalische Arbeiterkultur
soll ergründet werden; in: Uni HH, Nr. 4 1986;
Rudolf Walter Leonhardt: Lieder des
ZweitenWeltkrieges. In: Die Zeit. Nr. 34/35 und 40/41 1977;
Peter Rühmkorf: Über das
Volksvermögen, Reinbek 1977;
Walter Andreas Schwarz: „Lieder für
Adolf und Konsorten“, Manuskript einer Rundfunksendung, Bad
Homburg 1980 (Nachdruck in INFO 12-15);
Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder
demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Bd. I 1959, Bd. II
1962 Berlin- DDR (Reprint bei 2001, 1979 Westberlin)