Die letzten Zehn vom 4. Regiment
1. Zu Warschau schwuren Tausend auf den Knien:
Kein Schuß im heil’gen Kampfe sei
getan!
Tambour, schlag an! Zum Blachfeld laß uns
ziehen!
Wir greifen nur mit Bajonetten an!
Und ewig kennt das Vaterland und nennt
Mit stillem Schmerz sein 4tes Regiment!
2. Und als wir dort bei Praga blutig rangen,
Kein Kamerad hat einen Schuß getan,
Und als wir dort den argen Todfeind zwangen,
Mit Bajonetten ging es d’rauf und
d’ran!
Fragt Praga, das die treuen Polen kennt!
Wir waren dort das 4te Regiment!
3. Drang auch der Feind mit tausend
Feuerschlünden
Bei Ostralenka grimmig auf uns an;
Doch wußten wir sein tückisch Herz zu
finden,
Mit Bajonetten brachen wir die Bahn!
Fragt Ostralenka, das uns blutend nennt!
Wir waren dort das 4te Regiment.
4. Und ob viel wackre Männerherzen brachen;
Doch griffen wir mit Bajonetten an,
Und ob wir auch dem Schicksal unterlagen;
Doch hatte Keiner einen Schuß getan!
Wo blutigrot zum Meer die Weichsel rennt,
Dort blutete das 4te Regiment!
5. O weh! das heil’ge Vaterland verloren!
Ach fraget nicht: wer uns dies Leid getan!
Weh Allen, die in Polenland geboren!
Die Wunden fangen frisch zu bluten an.
Doch fragt ihr: wo die tiefste Wunde brennt!
Ach, Polen kennt sein 4tes Regiment!
6. Ade, ihr Brüder, die zu Tod getroffen
An unsrer Seite dort wir stürzen sahn!
Wir leben noch, die Wunden stehen offen,
Und um die Heimat ewig ist’s getan;
Herr Gott im Himmel schenk’ ein gnädig
End’
Uns letzten noch vom 4ten Regiment!
7 Von Polen her im Nebelgrauen rücken
Zehn Grenadiere in das Preußenland
Mit düst’rem Schweigen,
gramumwölkten Blicken;
Ein: Wer da? schallt; sie stehen festgebannt.
Und einer spricht: vom Vaterland getrennt
Die letzten Zehn vom 4ten Regiment!
Geschichte / Kommentar:
Der Text stammt von Julius
Mosen (1803-1867), dem Verfasser des Andreas-Hoferliedes „Zu Mantua in
Banden“. Hoffmann-Prahl, Nr. 741, zufolge wurde der Text am 5. Januar 1832 verfaßt;
„zuerst gedruckt!“ Vermutlich wurde das Gedicht kurz darauf
von einer Zeitschrift oder einem Almanach aufgegriffen. (Eine etwas
abweichende Fassung hat Mosen in seinen „Gedichten“,
Leipzig 1836, S. 89, genommen.)
Das Lied gehört zu einer Gruppe von Liedern,
die allgemein als „Polenlieder“ zusammengefasst werden.
Zur Melodie. Mosens
Gedicht wurde von mehreren Komponisten vertont. Hoffmann-Prahl
erwähnt beispielsweise eine Melodie von Ludwig Berger op. 27; von
A. Schuster in Methfessels Commers- und Liederbuch, 1851, Nr. 70;
Härtel, Deutsches Liederlexikon, 1865, Nr. 427. Außerdem
soll, Steinitz zufolge, der sich auf Fritz Heeger beruft, das Lied
„um 1835 von J. Burkhardt vertont worden sein.“
Es gab aber bereits 1832 auf vielen Bühnen
Deutschlands präsentiert, das Lortzings Vaudeville „Der Pole und sein Kind“. In dem dazu
gehörigen Klavierauszug ist ein Text beigefügt und eine
Mollmelodie [Hier].
Steinitz glaubt aber, dass die hier dokumentierte Dur-Melodie, die später auf das Lied „Denkst
du daran, mein tapferer Lagienka“ übernommen wurde, die richtige sei. Zum
Beweis benennt er das oppositionelle Soldatenlied „Ich bin
Soldat doch bin es nicht gerne“ (oder auch: … bin es mit
Vergnügen), dem diese Melodie ebenfalls unterlegt sei. Allerdings
sind in unseren Liederbüchern aus jener Zeit nie Noten
eingefügt, sondern als Melodienangabe „Bei Warschau
schwuren“ notiert wurde.
Seine Beweisführung leuchtet somit nicht so
ganz ein, aber wir wissen es auch nicht besser.
Die gleiche Melodie haben:
Quelle:
Wolfgang Steinitz, Dt. Volkslieder demokratischen
Charakters aus sechs Jahrhunderten, Berlin (Ost) Bd. 1, 1955 Nr. 147,
S. 309ff. und Bd. 2, ;1962, Nr. 193, S. 42ff.
Karl Hermann Prahl, Unsere Volkstümlichen
Lieder von Hoffmann von Fallersleben (4. Aufl.) Leipzig 1900, Nr. 741.