Deutsche Arbeiter-Dichtung
„Deutsche
Arbeiter-Dichtung“ ist der Titel einer Reihe
von fünf Bänden, mit dem Untertitel „Eine
Auswahl Lieder und Gedichte deutscher
Proletarier“. Herausgegeben wurde sie 1893
von dem Verleger J. H. W. Dietz in Stuttgart.
Die fünf Bände der
Reihe waren:
3. In Reih und Glied. Gedichte
von einem Namenlosen [Rudolf Lavant]
Vorwort
Was will die nachstehende
Liedersammlung? Mitbewegt und mitgetragen von der
unsere Zeit bewegenden Idee, daß das
Proletariat als neuer gewaltiger Faktor eingetreten
ist in die Geschichte, will sie vor Allem zweierlei
ihren Lesern darthun. Zeigen will sie
zunächst, in wie überraschend
großem Umfange und mit welcher
kraftursprünglichen Energie der Trieb nach
Bildung sich heute in der deutschen Arbeiterklasse
fühlbar macht, und zwar trotz alle ihm von
oben herab über den Weg gelegten
Schlagbäume. Zeigen will sie sodann, welch
bezeichnenden Ausdruck eben dieser Bildungstrieb in
der poetischen Produktion des deutschen
Proletariats heute findet und seit Jahrzehnten
gefunden hat.
Der Vater der deutsche
Arbeiterdichtung ist der Druck der Oberen auf die
Untern. So kann folgerichtig ihr Charakter kein
anderer sein als der des Gegendrucks - sie ist eine
Lyrik der Opposition. Und wenn ihr
künstlerischer Werth auch nicht immer ein
hervorragender ist, so fällt sie inhaltlich um
so schwerer ins Gewicht. Punkt für Punkt, klar
und bestimmt, stellt sie die Forderungen derjenigen
Klasse auf, aus der sie hervorgegangen, die
sozialen und politischen Forderungen der deutschen
Arbeiterklasse.
S. VIII
Eine Lyrik von so
entschiedenem zeitgeschichtlichen Interesse durfte
sich nicht verzetteln und verschleudern; ihr
mußte eine publizistische Form, ein
literarisches Band geschaffen werden, und zwar
schnell; denn gar mancher Dichter des deutschen
Proletariats ist bereits aus dem Leben geschieden,
und andere sind hochbetagte Männer; so ist es
denn hohe Zeit, aus der Zahl ihrer Lieder das
Rettenswerth zu rette. Neben den Alten aber stehen
die Jungen. Was dort im Todtentanze der Zeit zu
verschwinden droht, das geräth hier - in der
jüngeren Arbeiterlyrik - in die Gefahr,
unbeachtet vorüber- und klanglos unterzugehen
im Vorbeimarsch unserer Tagesblätter und
Zeitungen. So hieß es sammeln hier wie do9rt
- und wir sind rüstig ans Werk gegangen.
Möchte denn das hiermit
eröffnete Sammelwerk in weitesten Kreisen
freundlich Aufnahme finden als ein Denkmal der
Eroberungen, welche Bildung und Freiheit
täglich mehr und mehr im deutschen Volke zu
verzeichnen haben!
Der Herausgeber.
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