Rudolf Lavant (Richard Carl Cramer)
Rudolf Lavant, ist das
Pseudonym von Richard Carl Cramer. Cramer wurde am 30.
November 1844 als ältestes von fünf Kindern in Leipzig
geboren. Sein Umfeld war mit der demokratischen Bewegung jener Jahre
verbunden. So stand sein Vater Carl Eduard Cramer dem Volkstribunen
Robert Blum nahe, Johann Georg August Wirth, Organisator des Hambacher
Festes, war sein Großonkel. Nach dem Abschluss der Mittleren
Reife arbeitete er als Handelsgehilfe. Nach seiner freiwilligen
Teilnahme 1866 als
Kaiserjäger auf österreichischer Seite, war er als Buchhalter
tätig. Er lernte die Gabelsberger Stenografie und war Autor der
Zeitschrift Illustrierte Zeitung für Gabelsberger’sche
Stenografen, Er erlernte mehrere Sprachen (Englisch, Französisch,
Italienisch). Richard Carl Cramer heiratete am 19. Sep. 1869 Christine
Albertine Louise Helene Odrich in der evangelisch-lutherischen
Pfarrkirche in Wachau. Sie hatten fünf Kinder. 1873 erlangte
Cramer als Handelsprokurist der Fa. Dürbig & Co. das
Bürgerrecht seiner Heimatstadt. Nach fast 41 jähriger
Mitarbeit in der Firma, wechselte diese nach England und Cramer wurde
am 31. Dezember 1900 arbeitslos. Von 1901 bis zu seinem Tod arbeitete
er als selbständiger, vereidigter Bücherrevisor der Stadt
Leipzig.
Durch Heinrich Wuttke, einem Freund seines Vaters,
bekam er Zugang zu den wichtigen Literaten und Poeten jener Tage. Seine
Lieblingsdichter waren Byron, Tennyson, Béranger, Victor Hugo,
Herwegh und Freiligrath.
Neben seinem „eigentlichen Leben“
begann er am Ende der 1860er Jahre ein zweites als Schriftsteller und
Publizist mit einem Hang zu einem Sozialismus, wie er in jenen Jahren
empfunden oder gemeint wurde. Bei Wikipedia heißt es, er sein
„antipreußisch“ gewesen, allerdings ohne es
näher zu spezifizieren. Das Gedicht, das möglicherweise sein
erste war, 1871 erschien im Volksstaat (Titelseite der Nummer 7 vom 21.
Januar) und war mit Richard C signiert.
Cramer bzw. Lavant schrieb seine Gedichte in
„Die Neue Welt“, „Deutscher Jugendschatz“ und
„Der Wahre Jacob“. Durch die 1893 erschienene
Gedichtsammlung „In Reih und Glied“ konnten viele Gedichte Cramer zugeordnet werden.
Insgesamt ergab eine Zählung im „Wahren Jacob“ 180
Gedichte von ihm. August Bebel übertrug ihm 1876 die Revision der Vorwärts Druckerei. In
der Zeit des Sozialistengesetzes 1878–1890 veröffentlichte
Cramer / Lavant häufig politische „Leitgedichte“. Der
Sozialdemokrat wurde in Zürich und London produziert und über
die „Rote Feldpost“ nach Deutschland eingeschmuggelt.
Von 1884 bis 1886 erschien die Anthologie „Vorwärts“, eine
Sammlung von Gedichten für das arbeitende Volk, in Zürich.
Rudolf Lavant schrieb das Vorwort und war Herausgeber, sie enthielt
Arbeiterdichtungen von verschiedenen Autoren. Das Buch erschien anfangs
in sechs Heften, Heft 1–2/1884, Heft 3–6/1885, alle wurden
sozialistengesetzlich verboten. Erst 1886 erschien die Anthologie als Buchausgabe im Verlag der
Volksbuchhandlung in Hottingen. Auch dieser Gedichtband gelangte nur
auf Schleichwegen mit der „Roten
Feldpost“ nach Deutschland. Wikipedia
zufolge wurden seine Arbeiten auch in der „Leipziger
Volkszeitung“, „Das Lämplein“, „Die
Fackel“ und den Arbeiterkalendern „Omnibus“ und dem
„Illustrierten Neuen Welt-Kalender“ gedruckt. Gleichfalls
schrieb er Gedichte für den „Königlich
Sächsischen Ameisen-Kalender“.
Lavant schrieb politische Leitgedichte für verschiedene Mai- und
Gedenk-Festzeitungen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung.
Cramer/Lavant war von erstaunlicher Vielfältigkeit. Er schrieb
weltanschauliche-agitatorische Verse, Gedankenlyrik, balladeske
Gedichte, aber auch humoristisch-satirische Verse in sächsischer
Mundart als „Fritzchen Mrweessesnich“. Mit Beginn des 1.
Weltkrieges vielen Antikriegsgedichte von ihm der Zensur zum Opfer.
Cramer war nicht nur Liedermeister im Turn- und
Sportverein 1867 von Leipzig, 1901 erschien z. B. der „Liederdschatz“
des Leipziger Turnvereins unter dem Titel „Eichenlaub und Fichtenreis“,
er gehörte auch er der 1901 gegründeten
„Gesangsabteilung des Leipziger Turnvereins Westvorstadt“
an. Seine Vielseitigkeit wird deutlich, wenn man bedenkt, dass er unter
anderem im Leipziger Arbeiterbildungsverein um 1870 Vorträge
über Hexenprozesse oder den englischen Dichter Percy Bysshe
Shelley hielt. Des Weiteren unterrichtete er unentgeltlich Arbeiter in
französischer Sprache oder unternahm Reisen für die Sektion
Leipzig des Deutsch- und Österreichische Alpenverein.
Am 6. Dezember 1915 starb Rudolf Lavant in
Leipzig. Die Beerdigung fand am 9. Dezember 1915 auf dem Leipziger
Südfriedhof statt.
Aus der Vielzahl seiner Werke (eine Übersicht
findet sich bei Wikipedia), wollen wir nur die folgenden erwähnen:
Vorwärts. Eine Sammlung von Gedichten
für das arbeitende Volk. Verlag der
Volksbuchhandlung in Hottingen, Zürich 1886.
In Reih und Glied. Gedichte von einem Namenlosen. In: Deutsche
Arbeiter-Dichtung. Band 3, Verlag J. H. W.
Dietz, Stuttgart 1893. Als Taschenbuch erschienen im Verlag:
CreateSpace Independent Publishing Platform (27. Mai 2015) ISBN
978-1-5141-1351-6.
Eichenlaub und Fichtenreis. Liederschatz des
Leipziger Turnvereins. Wilhelm Achilles,
Leipzig 1901 (Gedichtsammlung)
Rudolf Lavant (d. i. Richard Cramer): Gedichte. Hrsg. Hans Uhlig.
Mit einem Vorwort von Manfred Häckel, Akademie Verlag, Berlin
1965. (Textausgabe zur frühen sozialistischen Literatur in
Deutschland Band VI)
Nachlass von Rudolf Lavant. Hrsg. Gerd Cramer. Westarp Book On Demand 2011. ISBN
978-3-86805-866-6
Rudolf Lavant der Arbeiterdichter. Zum 100-jährigen Todestag von Rudolf Lavant,
eigentlich Richard Cramer. Hrsg. Gerd Cramer. Westarp Book On Demand
2015. ISBN 978-3-86460-303-7
Rudolf Lavant: Hechtgrau
und grün. Kriegserinnerungen des
Schriftstellers und Dichters an Königgrätz im Jahre 1866. Zum
Gedenken an den 175. Geburtstag von Rudolf Lavant. Hrsg. Gerd Cramer,
1. Aufl. 2019. Westarp Book On Demand. ISBN 978-3-96409-124-6
Rudolf Lavant Gedichtsammlung aus der
Satirezeitschrift ‘Der wahre Jacob’ 30 Jahre 1885 –
1915. Herausgeber Gerd Cramer 1. Aufl.
2019. Westarp Book On Demand. ISBN 978-3-96004-042-2
Rudolf Lavant Gedichtsammlung ‘Lose
Blätter Leipziger Linden’ 1871 – 1915. Herausgeber Gerd Cramer 1. Aufl. 2019. Westarp Book On
Demand. ISBN 978-3-96004-041-5
Literatur
Karl Henckell: Buch
der Freiheit. Berliner Volksblatt, Berlin
1893, S. 355, 357.
Konrad Beißwanger: Stimmen der Freiheit. Blüthenlese der hervorragendsten
Schöpfungen unserer Arbeiter- und Volksdichter . Litterarisches Bureau, Nürnberg 1901, S. 779f.
Franz Diederich: Von
unten auf. Ein neues Buch der Freiheit gesammelt und gestaltet . Bd. 1. Verlag Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1911
Vorrede
Franz Diederich: Von
unten auf. Ein neues Buch der Freiheit gesammelt und gestaltet . Bd. 2. Verlag Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1911
S. 254f.
Hans Uhlig: Leben und
Werk Rudolf Lavants. Ein Beitrag zur Erforschung der „Neuen
Anfänge der sozialialitischen Literatur“. Greifswald 1965 (Univ., Phil. Diss. v. 15. Febr. 1965)
Hans Uhlig: Rudolf
Lavant. Zu den Anfängen der sozialistischen Literatur in
Deutschland. In: Weimarer Beiträge, 17
Heft 12, Bd. 17.1971, 12, S. 162–168
Zum Lichte empor. Udo Achten. Mai-Festzeitungen
der Sozialdemokratie 1891 – 1914/ / 7 Gedichte von Lavant. 1980.
ISBN 3801200531.
Wolfgang Emmerich: Lavant, Rudolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB).
Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X,
S. 745.
In Reih und Glied
Gedichte von einem Namenlosen [Rudolf Lavant]
Verlag von J. H. W. Dietz, Stuttgart 1893
Vorrede.
Die vorliegende Sammlung darf vielleicht Anspruch
darauf erheben, ein Unikum zu sein. Während es sonst unsern
Lyrikern manchen sauern Gang kostet, bis sie endlich einen Verleger
gefunden haben, bin ich vom Verleger gedrängt worden, eine
Sammlung meiner Gedichte herauszugeben, und weil ich zu träge und
zu gleichgiltig war, selber ans Einfangen all der losen Blätter zu
gehen, die ich seit Jah-ren sorglos den Winden gegeben, hat er sich
schließlich dieser Mühe unterzogen und eine Sammlung
zusammengebracht, der ich, als sie mir gedruckt zur letzten Revision
vorlag, sehr objektiv gegenü-berstand. Ich fand in ihr so manches
Gedicht, das ich, ein schlechter Vater, total vergessen hatte, so
manches, das mir allerdings in der Erinnerung haften geblieben war, das
ich mir aber schlechterdings nicht zu verschaffen gewußt
hätte.
Ich habe in meinen Gedichten - und zwar seit
einundzwanzig wohlgezählten inhaltsreichen Jahren - allem Zorn,
aller Trauer, allem Jubel Luft gemacht, mit dem mich die wechselnden
Phasen des gro-ßen Befreiungskampfes des vierten Standes
erfüllten, und wenn ich mir den Ueberschwang der Emp-findungen,
die mir die Brust zu sprengen drohten, vom Herzen geschrieben hatte,
war ich zufrieden und der Gedanke, ob mich die zünftige
Literaturgeschichte jemals in irgend einem ihrer vielen Fächer mit
mehr als einer kahlen Namensnennung unterbringen werde, hat mir
wahrlich nie eine schlaflose Stunde verursacht. Selbst um dieses magere
Vergnügen noch möchte ich die Perücken prellen; die
Sammlung geht darum ohne Namen in die Welt und der Titel, den ich ihr
gebe, möge die Namenlo-sigkeit auch für den rechtfertigen,
der mit mir unter einer Fahne gefochten. Ich habe nie mehr sein wollen,
als ein einfacher Soldat der großen Befreiungsarmee; ich habe in
Reih und Glied gekämpft und meine Schuldigkeit gethan, und die
Namen der einfachen Soldaten werden bekanntlich nur in den
Verlustenlisten genannt.
R. L.
(das ist Rudolf Lavant)