Karl Frohme
Karl Franz Egon Frohme wurde am 4. Februar 1850
Sohn eines Schneidermeisters in Hannover geboren. Er absolvierte eine
Schlosserlehre, war aber bereits seit Mitte der 1870er Jahre Redakteur
verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen (z.B. Der Frankfurter
Volksfreund). 1890 zog er nach Hamburg und war dort Redakteur des
sozialdemokratischen Hamburger Echos.
Organisiert war Frohm bereits 1867, als er
17-Jährig dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) beitrat.
Nach der Fusion mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei war er
somit 1875 Mitglied der Sozialistische
Arbeiterpartei Deutschlands (später
SPD).
Der Reformern Frohme war Reichstagsabgeordneter
von 1881 bis 1884 den Wahlkreis Hanau-Gelnhausen und von 1884 bis 1924
für das südliche Schleswig-Holstein. Er war an den
Ausarbeitungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beteiligt und
macht sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe
sowie für ein Kollektives Arbeitsrecht stark. 1914 wollte er Karl
Liebknecht wegen dessen Weigerung den Kriegskrediten zuzustimmen durch
die SPD Fraktion verurteilen lassen.
Lieder:
Empor! Lieder und Gedichte
Im Vorwort zu Karl Frohmes „Empor! Lieder und Gedichte“
aus dem Jahr 1910 schreibt der Vorstand:
Einem aus parteigenössischen Kreisen
öfter geäußerten Wunsche entsprechend, hat der Vorstand
des Sozialdemokratischen Vereins für den achten und zehnten
schleswig-holsteinischen Wahlkreis sich zur Herausgabe nachstehender
Sammlung von Gedichten Karl Frohmes entschlossen. Diese Gedichte sind
im Verlaufe von mehr als vierzig Jahren, seit den Anfängen der
sozialdemokratischen Bewegung, in die der Verfasser schon als
Jüngling eintrat, entstanden. Der größte Teil ist schon
früher zusammen mit andern in besonderen Ausgaben oder vereinzelt
in Parteiblättern veröffentlicht worden. Die erste Sammlung
erschien 1876 unter dem Titel „Feierstunden“ in Frankfurt
a. M. Sie fiel alsbald nach dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes
im Jahre 1878 der Unterdrückung durch polizeiliches Verbot zum
Opfer. Das gleiche Schicksal traf eine im Jahre 1879 unter dem Titel
„Freikugeln“ herausgegebene kleine Sammlung. Drei Jahre
nach dem Fall des Sozialistengesetzes, 1893, unternahm der Verlag von
J. H. W. Dietz in Stuttgart die Herausgabe des fünfbändigen
Werkes „Deutsche Arbeiter-Dichtung“, in dessen erstem Bande
eine Auswahl Frohmescher Lieder und Gedichte neben solchen von W.
Hasenclever und Adolf Lepp Aufnahme fand, Diese Auswahl ist mit
freundlicher Bewilligung des Verlegers in die vorliegende Sammlung
eingefügt. Was leztere sonst biete, ist, abgesehen von einigen
Stücken, die überhaupt noch nicht veröffentlicht sind,
teils den „Feierstunden“ und den „Freikugeln“,
teils dem vor dem Sozialistengesetz erschienen „Frankfurter
Volksfreund“, dem „Hamburger Echo“ und dem
Grundstein“, Organ des Zentralverbandes der Maurer Deutschlands,
entnommen.
Wir glauben die Einführung nicht besser
vornehmen zu können, als indem wir aus dem Vorwort des Dietzschen
Sammelwerkes „Deutsche Arbeiter-Dichtung“ das Folgende
hierher setzen:
„Was will die nachstehende Liedersammlung?
Mitbewegt und mitgetragen von der unsere Zeit bewegenden Idee,
daß das Proletariat als neuer gewaltiger Faktor eingetreten ist
in die Geschichte, will sie vor allem zweierlei ihren Lesern dartun.
Zeigen will sie zunächst, in wie überraschend großem
Umfange und mit welcher kraftursprünglichen Energie der Trieb nach
Bildung sich heute in der deutschen Arbeiterklasse fühlbar macht,
und zwar trotz aller ihm von oben herab über den Weg gelegten
Schlagbäume. Zeigen will sie sodann, welch bezeichnenden Ausdruck
eben dieser Bildungstrieb in der poetischen Produktion des deutschen
Proletariats heute findet und seit Jahrzehnten gefunden hat.
Der Vater der deutschen Arbeiterdichtung ist der
Druck der Oberen auf die Unteren. So kann folgerichtig ihr Charakter
kein anderer sein als der des Gegendrucks – sie ist eine Lyrik
der Opposition. Und wenn ihr künstlerischer Wert auch nicht immer
ein hervorragender ist, so fällt sie inhaltlich um so schwerer ins
Gewicht. Punkt für Punkt, klar und bestimmt stellt sie die
Forderungen derjenigen Klasse auf, aus der sie hervorgegangen, die
sozialen und politischen Forderungen der deutschen Arbeiterklasse.
Eine Lyrik von so entschiedenem
zeitgeschichtlichen Interesse durfte sich nicht verzetteln und
verschleudern; ihr mußte eine publizistische Form, ein
literarisches Band geschaffen werden, und zwar schnell; denn gar
mancher Dichter des deutschen Proletariats ist bereits aus dem Leben
geschieden und andere sind hochbetagte Männer; so ist es denn hohe
Zeit, aus der Zahl ihrer Lieder das Rettenswerte zu retten. Neben den
Alten aber stehen die Jungen. Was dort im Totentanze der Zeit zu
verschwinden droht, das gerät hier – in der jüngeren
Arbeiterlyrik – in die Gefahr, unbeachtet vorüber- und
klanglos unterzugehen im Vorbeimarsch unserer Tagesblätter und
Zeitungen. So hieß es sammeln hier wie dort.“
Als die „Deutsche Arbeiter-Dichtung“
erschienen war, widmete ihr die Zeitschrift „Grnzboten“ in
zwei Nummern eine eingehende Kritik. Darin heißt es:
„Das Proletariat hat einen Kopf, der sich
den Mund nicht verbieten läßt, der redet und singt. Das
Proletariat hat seine Redner und Sänger. Das Proletariat hat auch
seine Dichter, die ihm seine Lieder machen. Und diese Lieder sind
wahrlich nicht so schlecht, wie sie von der Gegnerin, der Bourgeoisie,
gemacht werden. Man hat das Proletariat solange sich selbst
überlassen, daß man sich nicht wundern darf, wenn es
möglichst alles sich selbst zu
schaffen unternimmt, selbst seine Ideale und seine
Kunst.“ …
„Die Verbindung von Dichter und Arbeiter
wäre früher nicht möglich gewesen, und fürwahr, das
allein genügt, die ganze Bedeutung des vierten Standes zu
veranschaulichen … Alle diese Dichter sind in gewisser Weise
self-made-men, begabte Köpfe, die in die Armee der
Sozialdemokratie get4ieben worden sind. Warum sucht die Gesellschaft
die wirklich Befähigten unter den Proletariern nicht in ihren
eigenen Dienst zu nehmen und anständig zu belohnen? Es ist
merkwürdig, welchen gewaltigen Eindruck auf diese strebenden
Geister die geniale Persönlichkeit Lassalles gemacht hat. Lassalle
hat die Hasenclever, Frohme, Kegel, Scheu und Lepp aufgeweckt.
…Sie wissen auch andere Töne, als die dem engen
Parteiprogramm entlehnten, anzuschlagen. Nur ein eingefleischter
Bourgeois kann sich einbilden, daß ein Sozialdemokrat notwendig
ein gefühl- und herzloser Mensch sein müsse. … Diese
Dichter sind reich an Empfindung; es fehlt ihnen nicht die
Vielseitigkeit; sie haben ein warmes Herz für Familie,
Freundschaft, Heimat. Und es ist ein großes Glück, daß
es so ist; es wäre schlimm, wenn erst beim Bourgeois der Mensch
anfinge; es wäre schlimm, wenn Reich in seinem Buche „Die
bürgerliche Kunst und die besitzlosen Volksklassen“ ein
Recht hätte, zu sagen: „Menschen im wahren Sinne sind nur
die kunstsinnigen Gebildeten und Besitzenden, nicht die wimmelnden
Massen der kunstfeindlichen Barbaren des Proletariats.“ Unter
Verweisung auf die sozialdemokratischen Dichter wird in der Kritik der
„Grenzboten“ schließlich der Auffassung
widersprochen, daß die Sozialdemokratie Vertreterin des
„entsetzlichsten Materialismus“ sei, daß sie keine
Ideale habe. „Sie will den Fluch bannen, der auf der Arbeit ruht,
damit der Haß zur heiligen Liebe werde.“ Das ist die
„Reaktion gegen die ideallose Bourgeoisie, deren Götze der
Mammon, deren König das Gold ist.“
Möchte diese aus antisozialdemokratischem
Lager stammende Beurteilung der „Arbeiter-Dichtung“ auch
für die vorliegende Sammlung die gebührende Beherzigung
erfahren!
Der Vorstand
des Sozialdemokratischen für den
8. u. 10. schleswig-holsteinischen Wahlkreis.