Zum Fest der Arbeit.
1. O Maientag, Fest sonder gleichen,
Das Millionen heut’ begehn!
Seht, wie der Arbeit heil’ge Zeichen
In allen Landen purpurn wehn!
Sie sollen rings die Völker mahnen:
Die Arbeit will Gerechtigkeit,
Ihr müsst den Weg zum Sieg ihr bahnen
Im Geiste einer neuen Zeit.
2. Wie stolz man die Kultur bewundert,
Die immerwährend emsig schafft,
Und unserm eisernen Jahrhundert
Verleiht ein maßlos Maß der Kraft!
Doch darf man nur den Schleier heben,
Der farbenprächtig sie umfließt,
Um ob des Elends zu erbeben,
Das für die Arbeit ihr entsprießt.
3. Die Arbeit spendet reichsten Segen
Und doch drückt sie der Fluch der Noth,
In Kümmerniß ringt allerwegen
Sie um ihr kärglich täglich Brot;
Für Millionen Proletare,
Die sich der Pflicht des Schaffens weihn,
Lohnt’s von der Wiege bis zur Bahre
Nicht unter Menschen Mensch zu sein,
4. Und wächst auch ohne ihr Verschulden
Das grimme Elend riesengroß,
Sie sollen’s tragen, sollen’s dulden,
Man nennt’s ihr „unabwendbar
Loos“.
Ein schlechter Trost! Von allen Lügen
Die unterhörtste ist’s! Doch kann
Die Selbstsucht damit nicht betrügen
Den Geist, der lösen soll den Bann.
5. Die große Wahrheit zu verkünden,
Braust heut’ der Geist von Land zu Land.
Nicht Kriegesfackeln will er zünden,
Nein, schöner Hoffnung milden Brand;
Und neue Kraft zu edlem Streben,
Das endlich doch die Welt versöhnt,
Will er dem Volk der Arbeit geben,
Das harret aus und wird gekrönt!
6. Heil Arbeit dir! Laß immer thronen
Ob dir des wahren Menschthums Geist,
Er wird dir’s danken, wird dir’s
lohnen
Wie er dir jetzt die Wege weist.
Gieb Zeugniß, daß des
Unglück’s Bürde
Dein Selbstbewusstsein nicht erschlafft,
Daß reich du bist an freier Würde
Und unterschütterlicher Kraft.
7. So sollst du stark in Geisteswaffen,
Trotz allem Drang und allem Leid
Am Werke der Erlösung schaffen,
Dem die Geschichte dich geweiht.
Und was du duldend unternommen,
Glaub’ nicht, daß es vergeblich sei, -
Ein schön’rer Festtag wird dir kommen,
Ein Siegestag im Völker-Mai!