Proletarier singe! Kampf- und Volkslieder
Ein neuzeitlich Liederbuch für Jung und Alt.
Herausgegeben im Auftrag der K.P.D. Hamburg
von Carl Hoym", Juli 1919.
Kommentar:
Das erste Liederbuch der Hamburger KPD
überraschte mit seinem gemischten Inhalt. Die nicht
kategorisierten Lieder standen ungeordnet hintereinander, wie z.B. Wer
recht in Freuden wandern will, Die Arbeitsmänner und De Kieler
Deerns - ein Faktum, das in allen Zusammenfassung über das
damalige Liedgut unerwähnt blieb. Inwieweit das umfangreiche
Volksliedgut dieses Bandes Eingang in die Gesangspraxis fand, war nicht
zu überprüfen. Erst die Liederbücher von 1920-24
bieten in der Regel ein anderes Bild. So zeigt sich bereits in der
Häufung des Titels Arbeiterlieder die Verlagerung des Schwerpunkts
in der Liedauswahl.
Die Lieder der traditionellen Arbeiterbewegung
wurden anfänglich in erster Linie um russische Revolutionslieder
ergänzt. An hervorragender Stelle standen der Trauermarsch der
russischen Revolution kurz nur Russischer Trauermarsch genannt
("Unsterbliche Opfer ihr sanket dahin"), und das Lied
"Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" - das mal den Titel
„Russischer Rot-gardistenmarsch“ mal „Hymnus“
trug und eine widersprüchliche Allianz mit dem kommunistischen
„Brüder ergreift die Gewehre" einging -, die der
Dirigent Hermann Scherchen aus russischer Kriegsgefangenschaft
mitgebracht hatte. Wenig Bedeutung hatte die parodistische
Variante der kontrafaktorischen Volksliedtradition, die Inge Lammel auf
die Spät- und Nachkriegszeit bezogen als anonyme Spottlieder auf
die Monarchie heraushob (z.B. „O Tannenbaum“oder „Wem
ham' se die Krone jeklaut“). Erst 1928 band die KPD diese
volksmusikalische Eigenart zentral in das Material für die
Wahlarbeit in ihre agitatorische Praxis ein
In unserem Archiv befinden sich die drei oben
abgebildeten Liederbücher. Alle haben das Datum Juli 1919 und sind
inhaltlich identisch.
Weitere Liederbücher aus dem KPD-Umfeld:
Im Vorwort heißt es:
S. 3
Für die Fahrt.
Leider immer noch mangelt es dem heutigen
Geschlecht an der Lust zum Singen. Und dennoch brauchen wir den Gesang,
den Frohsinn, wie das liebe Brot und so schwer es uns bei all dem
sozialen Elend in der Welt des Zusammenbruchs manchmal auch wird, wir
müssen erhobenen Hauptes, ‘ein Lied auf den Lippen’
voranschreiten denn
„schon jubeln des Sieges Signale".
Vornehmlich „die Alten" unter uns
sollten sich ihrer Kehle nicht mehr schämen und vor allem sollten
sie heute mit mehr Achtung auf das „Schullied" sehen. Es
gibt keine Schullieder, es sei denn, man rechne jene
„Kunstgesänge", die mit vieler Mühe nach
Feierabend in die verstaubten und von der Fron erschlafften Hirne
eingepaukt werden und die mit ihren „genau eingehaltenen
Takten" reichlich - altmodisch anmuten.
Auch das naivste und einfachste Liedlein ist ein
ebenbürtiges Kind unseres großen herrlichen
Volksliederschatzes und es bedarf keiner umfassenden zeitraubenden
Studien, Lieder schön zu singen. Natürlichkeit und Anpassung
ist auch hierbei die Hauptsache.
Und nun zur Auswahl einige Worte: Kitsch fand bei
uns keine Bleibe. An eigentlichen Kampfliedern sind die wertvollsten
aufgenommen. Gibt es doch gerade in dieser Art viel Überholtes und
Minderwertiges. Neue Lieder, d.h. solche, die bei uns noch nicht
eingesungen sind, finden die Freunde eine Anzahl in diesem
Büchlein, jedoch zwang der Raummangel uns auch in dieser Beziehung
Maß zu halten. Für freudige Mithilfe bei der
Zusammenstellung gebührt unseren Freunden Lieschen Weinrich und
Max Christen besonderer Dank. Den Umschlag zeichnete Adolf Wriggers.
Hamburg, Juli 1919.