Lützows wilde Jagd
1. Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein?
Hör’s näher und näher
brausen.
Es zieht sich herunter in düsteren Reihn,
und gellende Hörner schallen darein
und erfüllen die Seele mit Grausen.
Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
Das ist, das ist Lützows wilde verwegene
Jagd!
2. Was zieht dort rasch durch den finstern Wald
und streift von Bergen zu Bergen?
Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt;
das Hurra jauchzt, und die Büchse knallt,
es fallen die fränkischen Schergen.
Und wenn ihr die schwarzen Jäger fragt:
Das ist, das ist Lützows wilde verwegene
Jagd!
3. Wo Reben dort glühen, dort braust der
Rhein,
der Wütrich geborgen sich meinte;
da naht es schnell wie Gewitterschein
und wirft sich mit rüstigen Armen hinein
und springt ans Ufer der Feinde.
Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt:
Das ist, das ist Lützows wilde verwegene
Jagd!
4. Was braust dort im Tale die laute Schlacht?
Was schlagen die Schwerter zusammen?
Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht,
und der Funke der Freiheit ist glühend
erwacht
und lodert in blutigen Flammen.
Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt:
Das ist, das ist Lützows wilde verwegene
Jagd!
5. Wer scheidet dort röchelnd vom
Sonnenlicht,
unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod auf dem Angesicht,
doch die wackern Herzen erzittern nicht,
das Vaterland ist ja gerettet!
Und wenn ihr die schwarzen Gefallnen fragt:
Das war, das war Lützows wilde verwegene
Jagd!
6. Die wilde Jagd und die deutsche Jagd
auf Henkersblut und Tyrannen!
Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und
geklagt;
das Land ist ja frei und der Morgen tagt,
wenn wir’s auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei’s nachgesagt:
Das war, das war Lützows wilde verwegene
Jagd!
Geschichte / Kommentar:
Den Text: schrieb Theodor
Körner 1813.
Zuerst veröffentlicht ist es in: „Zwölf freideutsche
Gedichte“ von Th. Körner, 1813. 12. Lied. Dort steht es
unter der Überschrift: Leipzig, 24. April 1813 auf dem
Schneckenberge.
Die Befreiungskriege wurden durch
Freiwilligeneinheiten, die so genannten Freikorps, zu einer nationalen
Volksbewegung. Der populärste dieser Verbände war das
Freikorps von Lützow. Da es nicht auf den Preußenkönig,
sondern auf das Vaterland vereidigt war, wurde es zum Symbol für
die deutsche Einigungsbewegung.
Theodor
Körners
Gedicht „Lützows wilde, verwegene Jagd“ aus dem Jahr
1813 wurde im folgenden Jahr von Karl
Maria von Weber vertont und es sollte „rasch und feurig“
gesungen werden. Seine außerordentliche Beliebtheit dokumentiert
sich in einer Vielzahl an Parodien und einem äußerst langen
Leben.
Quellen:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895 Nr. 63,
S. 52f.
Friedrich Silcher, Friedrich Erk, Allgemeines
Deutsches Kommersbuch, Lahr 1919 (111. Aufl.), S. 119, Nr. 135 (III.
50.)
Heinrich Scherrer, Studentenlieder zur Gitarre,
Leipzig 1914, S. 405
„Freiheit lebet nur im Liede“. Das
politische Lied in Deutschland, Eine
Ausstellung des Bundesarchivs in Verbindung mit dem Deutschen
Volksliedarchiv Freiburg i. Br., Koblenz 1992, S. 40f.
Parodien:
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
Stuttgart , 1891, S. 22.
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
Stuttgart , 1897, S. 22.