Der Zimmergesell
1. War einst ein jung jung Zimmergesell,
der baut dem Markgrafen ein Haus
:,: von lauter Silber und Edelgestein,
sechshundert Schauläden hinaus, :,:
2. Und als das Haus gebauet war,
Legt er sich hin und schlief;
Da kam des jungen Markgrafen Weib
Zum zweiten und dritten sie rief: :
3. ‚Steh auf, steh auf, junger Zimmergesell,
Denn es ist an der Stund;
Hast du so wohl je gebaut das Haus,
So küß mich an meinen Mund!’
4. „Ach nein, ach nein, Markgräfin
fein,
Das wär uns beiden ein Schand;
Denn wenn es der junge Markgraf erführ,
Mäßt ich wohl meiden das Land.“
5. Und als sie beide beisammen war’n
Und meinten sie wären allein,
Da führte der Teufel das Kammerweib her,
Zum Schlüsselloch guckt sie hinein.
6. “’ Ach Herr, ach Herr, ach edler
Herr,
Komm selber her und schau:
Da küsst der schwarzbraune Zimmergesell
Gar deine schneeweiße Frau.“’
7. „Und hat er geküsst meine
schöne Frau,
Des Todes muß er sein!
Einen Galgen soll er sich selber erbaun
Zu Schaffhausen drauß an dem Rhein.“
8. Und als der Galgen gebauet war,
Da führte sie ihn zur Stell;
Er schlug die Äuglein unter sich,
Der schwarzbraune Zimmergesell.
9. Und als die Frau Markgräfin das vernahm,
Ihr’n Knappen rief sie herein:
Mein Pferd sollst du mir satteln bald
Gen Schaffhausen draus an den Rhein.
10. Und als das Pferd gesattelt war,
Da ritt sie hinaus gar schnell;
Da stieg die Leiter eben hinan
Der schwarzbraun Zimmergesell.
11. Und als der schwarzbraune Zimmergesell
Die letzte Sprossen auftrat,
Er sprach: ‚Ihr lieben Landesherren,
Gebt mir eins Wortes Macht!
12. Und käm die junge Frau Markgräfin
Wohl für euer Bettlein zu stahn:
Wollt ihr sie herzen und küssen,
Oder wollt ihr sie lassen gahn?’
13. Da sprach zuhand ein Edelherr,
Ein alter greisgrauer Mann:
„Ich wollte sie herzen und küssten
Und wollt’ sie freundlich umfahn.“
14. Wollt ihr sie herzen küssen
Und wollt sie freundlich umfahn:
So hat auch der schwarzbraune Zimmergesell
So Arges nicht gethan.’ –
15. Da sprach der Markgraf selber wohl:
„Wir wollen ihn leben lan!
Ist keiner doch unter uns allen hier,
Der dies nicht hätt getan.“
16 Was zog er aus seiner Taschen gar schnell?
Wohl hundert Goldkronen so rot:
„Geh mir, geh mir aus dem Land hinaus,
Du findest wohl überall Brot.“
17. Und als er hinausgezogen war
Und ging wohl über die Heid,
Da stund des jungen Markgrafen sein Weib
In ihrem schneeweißen Kleid:
18. ‚Wohin, du schwarzbrauner Zimmergesell,
Wohin steht dir dein Sinn?’
„Nach Coblenz will ich reisen behend,
Dach Düsseldorf steht mir mein Sinn.“
19. Was zog sie von ihrem Finger gar schnell?
Von Gold ein Ringelein:
„Sieh da, sieh da ,junger Zimmergesell,
Dabei gedenk du mein!“
20. Was zog sie aus ihrer Taschen gar schnell?
Vielhundert Dukaten von Gold:
„Nimms hin, du schöner, du feiner
Gesell,
Nimms hin zu deinem Sold.
21. Und wenn dir der Wein zu sauer ist,
So trinke Malvasier;
Doch wenn mein Mündlein dir süßer
ist,
So komm nur wieder zu mir!“
Geschichte / Kommentar:
Das Liedthema ist Erk-Böhme zufolge bereits
seit vier Jahrhunderten weit verbreitet. Ein Handwerksgesellen hat
„mit einer Frau höheren Standes“ ein Verhältnis.
In wie weit es einer Männerphantasie entsprungen ist, oder
tatsächlich schon einmal (oder gar öfter) eine gut situierte,
junge Frau von sich aus mit einem Handwerksgestellen ein
Verhältnis begonnen hat, können wir natürlich nicht
sagen. Und dass er dann anschließend auch noch nicht nur von der
Schuld freigesprocehn, sondern sogar reichlich beschenkt wird, hat
für uns heute schon etwas märchenhaftes.
Überliefert ist die älteste Fassung vom
Zimmermann und der Burggräfin ist aus dem Jahr 1544 und kommt aus
den Niederlanden (Anwerpner Ld. 1544 Nr. 164). [Hier nach EB1 Nr. 129b]
In Deutschland stammt die erste Fassung vom
Zimmergesellen in einer Aufzeichnung aus dem Elsaß durch Goethe
1771, von den zwölf Liedern Nr. 7: „Es war einmal ein
Zimmergesell." Im 19. Jh. findet sich das Lied in vielen
Sammlungen. Beispielhaft erwähnt seien:
Friedrich Nicolai, Eyn feyner kleyner Almanach,
Bd. 1, Berlin 1777 Nr. 1, S. 34ff. (22 Str.)
A. Kretzschmer (Zuccalmaglio), Deutsche
Volkslieder mit ihren Original-Weisen, Berlin 1838 Nr. 30, S. 46f. (11
Str.
Bei den unterschiedlichen Fassungen, sind fast
alle Handwerke vorhanden, außer dem am häufigsten
auftretenden Zimmergesellen, ist es ein Schlosser-, Schmiede-,
Tischer-, Schneider, Schumachtergesell, in Tyrol sogar ein
schwarzbrauner Engelschmiedsgeselle. Ursprünglich soll es ein
hübscher Schreiber gewesen sein. (s. Der Mond der scheint so helle [Der hübsche
Schreiber]).
Im Allgemeinen deutschen Commersb. von Silcher und
Erk ist der Text 1856 durch Gust. Kühne gehkürzt und wie EB
meinen so umgearbeitet und sprachlich verfeinert, dass er „nicht
mehr volksthümlich“ sei.
Von den Varianten sei nur der Anfang bemerkt, der
vielfach auch lautet: „Es war einmal
ein Zimmergesell“ oder: „Es war ein jung jung Zimmergesel.“
Hans Ostwald und Hans Reinhardt (Der Tippelbruder)
zufolge wurde das Lied auch zu Beginn des 20. Jahrhundert bis in die
Zeit der Weimarer Republik von Kunden und Handwerksburschen gesungen.
Und auch in den heutigen Liederbüchern der Handwerksgesellen ist
das Lied einbezogen.
In der Zeit des westdeutschen Folkrevivals in den
1970er Jahren tauchte das Lied wieder auf, doch in den Kreisen der
Handwerksgesellen war es anscheinend nie verschwunden. Im Liederbuch
des „Harzklub-Zweigverein e. V“ von 1999 wurde eine
Mischung unterschiedlicher Versionen mit 25 Strophen aufgenommen.