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Der Zimmergesell (2)


Markgräfin und Zimmergesell.

1. War einst ein junger Zimmergesell, / war gar ein jung-frisch Blut.
:,: Der hatte zu bauen dem Grafen ein Haus, / sechshundert Schauläden hinaus. :,:

2. Und als das Haus nun fertig war, / legt er sich nieder und schlief.
Da kam des Markgrafen junges Weib / zu ihm herein und rief:

3. „Seh auf, steh auf, jung Zimmergesell, / es ist wohl an der Stund:
Hast du so wohl gebaut das Haus, / so küß mich auf den Mund!“

4. Erst wurde er rot, dann wurde ihm heiß, / dann küssten sie sich lang.
Drauf flüsterte die Markgräfin - / (ihm wurde angst und bang):

5. „Steh auf, steh auf, jung Zimmergesell, / es ist nun and er Zeit,
wenn du nun bei mir schlafen willst / an meinem schneeweißen Leib.“

6. „Ach nein, ach nein, Markgräfin fein, / das brächt’ uns beiden Schand!
Denn wenn’s der Markgraf gar erführ’, / müsst ich wohl meiden das Land.“

7. Doch als die beiden beisammen war’n, / - sie meinten sie wären allein –
Da schickte der Teufel das Kammermensch her, / zum Schlüsselloch schaut sie hinein.

8. „Herr Graf, Herr Graf, ach, lieber Herr Graf, / komm selber her und schau:
Da küsst der schwarz-braune Zimmergesell / grad deine schneeweiße Frau!  

9. Ach Graf, ach Graf, o kommt und seht / die Schand’ von eurem Weib!
Es ruht der jung-frisch Zimmergesell / an ihrem schlohweißen Leib!“

10. „Ach Weib, wenn du die Wahrheit sprichst, / gehangen soll er sein!
Den Galgen soll er sich selber erbaun / zu Königsschaffhausen am Rhein!“

11. Und als der Galgen gebauet war, / da führten sie ihn zur Stell’,
Er schlug die Äuglein unter sich, / der schwarzbraune Zimmergesell.

12. Und als die Gräfin dies vernahm, / ihren Knappen rief sie herein:
„Mein Pferd sollst du mir satteln schnell / gen Königsschaffhausen am Rhein!“

13. Und als das Pferd gesattelt war, / da ritt sie hinaus gar schnell.
Da stieg der Leiter eben hinan / der schwarz-braune Zimmergesell.

14. Doch als der schwarzbraune Zimmergesell / an der letzten Sprosse kam an,
sprach er: „Ihr lieben, edlen Herrn, / erlaubt ihr ein Wort, sagt an?“

15. „Sagt: Käm’ die junge Marktgräfin / vor Eurer Bettlein zu stehn:
Würdet ihr sie herzen und küssen dann, / oder wollt ihr sie lassen stehn?“

16. Da sprach zumal ein Edelherr, / ein alter, grauer Mann:
„Ich würde sie herzen und küssen auch / und wollte sie freundlich umfahn.“

17. „Wollt ihr sie herzen und küssen auch / und wollt ihr sie freundlich umfahn,
so hat auch der braune Zimmergesell / so Arges nicht getan!“

18. Da sprach der Markgraf selber wohl: / Wir wollen in leben lan!
Ist keiner doch von uns allen hier, / der’s nicht auch hätt’ getan.“

19. Doch zog er aus seinem Sattel schnell / wohl hundert Dukaten rot:
„Nur – geh mir aus dem Land hinaus, / du findes wohl überall Brot!“

20. Und als er hinausgezogen war / und ging wohl über die Heid’
da ritt ihm die schöne Gräfin nach, / schneeweiß war sie gekleid’t.

21. „Wohin, du schwarzbrauner Zimmergesell, / wohin steht dir der Sinn?“
„Nach Coblenz will ich reisen behend, / nach Düsseldorf steht mein Sinn.“

22. Was zog sie aus der Tasche schnell? / Vielhundert Dukaten in Gold:
„Nimm’ns hin’, du schöner, du feiner Gesell’ / nimm’s hin zu deinem Sold!“

23. Was zog sie von ihrem Finger schnell? / Von Gold ein Ringelein!
„Sieh da, sie da, jung Zimmergesell, / dabei gedenke mein!“

24. „Und wenn dir der Wein zu sauer ist, / so trinke Malvasier.
Doch wenn mein Mündlein dir süßer ist, / so komm nur wieder zu mir!“

25. Ach, wenn doch alle Weiber so wär’n / wie des Markgrafen junges Weib!
Dann hätten wir jungen Zimmergesell’n / die schönste Reisezeit!


Quellen:
Friedrich Nicolai, Eyn feyner kleyner Almanach, Bd. 1, Berlin 1777 Nr. 1, S. 34ff. (22 Str.)
A. Kretzschmer (Zuccalmaglio), Deutsche Volkslieder mit ihren Original-Weisen, Berlin 1838 Nr. 30, S. 46f. (11 Str.)
Ludwig Erk u. Franz Magnus Böhme, Deutscher Liederhort, Bd. 1, Leipzig 1925, Nr. 129, S. 446ff.
Friedrich Silcher u. Friedrich Erk, Allgemeines Deutsches Commersbuch, Lahr 1919 Nr. 714, S. 558.
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein Bd. 2, Leipzig und Berlin, 1904, S. 8-11 (2.1.5) Erkl.: wird laut Mitteilung meines Vaters jetzt noch von Handwerksburschen gesungen, und zwar von jedem Gewerk in besonderer Variation. Etwas anders im "Wunderhorn" und anderen Sammlungen. Noten: Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein Bd. 3, Leipzig und Berlin, 1906, S. 122 (A8)
Hans Reinhardt, Der Tippelbruder, Bad Rothenfelde (Teut. Wald) 1926, Nr. 23.


disco:
Tom Kannmacher & Juergen Schoentges, Wenn ich mein Schatz nicht rufen darf. Plände S 19 F 903; LC 0972, P 1977.



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