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Touren-Liederbuch für Radfahrer - die Lieder (5)

Sammlung der beliebtesten deutschen Radfahrerlieder
hrsg. vom Radfahrer-Landesverband Württemberg, o. J. [ca. 1897]  
Reutlingen, Enßlin & Laiblins Verlag

< Radfahrer-Lieder 4
A echter Radler
Mel.: Wiener Fiaker

I fahr a schneid’ges Radel,
Das neueste Fabrikat,
A so wia des tut laufen,
Des is a wahrer Schtaat;
A Reperatur, des gibt’s net,
So stark ist es gebaut,
Drum hab ich es halt gar so gern,
So lieb wie eine Braut.
Vom Klub nach Cannstatt fahr i’s
In zehn Minuten hin,
Da geht’s’s nur all’weil trapp, trapp, trapp,
In einemfort galopp, galopp,
Und wann i dann so trepp’l:
Do g’spür i’s in mir drin,
daß i a feins Maschinerl hab,
Daß i a Sportsmann bin.
A Radler kann a jeder wer’n,
Aber ’s Fahr’n, des muß verstanden wer’n.
Mei Stolz is mei Radel, des ist gar so flink,
A Maschinerl, so wie mer’s net alle Tage find’t;
Mei Blut ist so liftig, so leicht wie der Wind,
I bin halt a echt’s Radlerkind.

2. So frei als wie a Radler
Ist kein Mensch auf der Welt;
Er fliegt als wie ein Adler
Von der Donau bis zum Belt.
Es ist ohn’ alle Sorgen,
Der Held bei einem Ball,
Drum sieht man ihn auch jederzeit
Als Liebling überall.
Der Tanzsaal glänzt voll Schönen
In jungfräulichem Chor,
Sie sehen all den Radler an:
„Das ist doch ’mal ein schmucker Mann!“
Wenn er im Tanz so flieget,
Das Mädchenherz erweicht,
Das ist wohl dann sein höchstes Glück,
Er hat das Ziel erreicht.
Er ist ein echter Herzensdieb,
Drum hat das Mädchen ihn auch lieb;
Ihr Stolz ist der Radler, der ist gar so flink,
A Tänzer, so wie mer’n net alle Tag find’t;
Er hält sie im Arm und dreht sie geschwind,
Entzückt ist das liebliche Kind.

3. Und geht es ’naus zum Rennen,
Er um die Palme ringt,
Da zeigt er all sein Können,
Fährt pfeilschnell wie der Wind;
Dann heißt es erst ‚zum Starten’,
Dann „Achtung“ – zwei – drei – „los!“
Und nun beginnt die tolle Jagd,
Fort saust der ganze Troß.
Das schöne Mädechen denket,
O wenn nur nicht passiert,
Es pocht das Herz ihm ungestüm,
Im Geiste steht es stets bei ihm.
Doch draußen geht es hopp, hopp,
Über Stock und über Stein;
Ein jeder will die Oberhand,
Will selbst der Erste sein.
Da plötzlich kommen sie in Sicht;
Des Mädchens Auge hell erblitzt,
Sein Schatz ist der Erste, der tritt noch ’mal ein
Mit übersraschender Kraft in die Pedale hinein;
ÜbersBand saust sein Rad in fliegender Eil’,
Dem ersten Sieger: „All Heil.“

4. Und geht es einst zu Ende
Mit meinem Lebenslauf,
So setz ich mir noch dieses
Im Testament g’wiß auf:
Mein Rad, es muß als erstes
Im Trauerzuge sein,
Dann kommt der ganze Radfahrklub,
Den lad’ ich jetzt schon ein.
Und wenn dann alles stille ist,
Am Grab nimmt trauernd teil,
So bring’ die ganze Radlerschar
Ein dorrnerndes „All Heil!“ mit dar;
Drauf werft ein Stückchen Erde
Als letzten Gruß mir nach;
Dann laßt mich in die Gruft hinab
Und schließet mir das Grab.
Und fährt die Seele in die Höh’,
So sag’ ich herzlich euch adieu,
Dann mach ’nen Spurt und bleib’ net dahint’
Und fahr’ um die Wett’ mit dem flüchtigen Wind,
D’rauf ruf ich dem Petrus: „Mach auf nur geschwind,
’s kommt a Stuegerter Radfahrerkind!“

Text: G. Göber, Radfahrerklub Stuttgart.


Quelle. Touren-Liederbuch für Radfahrer. Landesverband Württemberg, o. J. [ca. 1897], S. 33ff.


Der Bicyclist 
Mel.: Wenn der Frühling kommt,

Wenn der Frühling kommt
Und der Schnee zerrint,
Wenn die Straßen sauber
Und passierbar sind;
Wenn’s nicht gar zu heiß
Und kein Regen gießt,
Hat die schönste Zeit
Der Bicyclist.

Er besteigt sein Roß,
Spiegelblank geputzt,
Fährt durch Wald und Flur,
Wo der Bauer stutzt,
Weil er nicht begreift,
Wie es möglich ist,
Daß so sicher fährt
Der Bicyclist.

Schmucke Dirne schaut
Ihn gar schelmisch an,
Sieh’ wie nett ist doch
Auf dem Rad der Mann;
Flink rollt er daher -
Doch indem er grüßt,
Ist vorüber schon
Der Bicyclist.

Er durcheilt im Flug
Manchen schönen Ort,
Einem Dampfroß gleich
Unermüdlich fort,
Bis am Ziel er ist,
Wo er nie vergißt,
Daß auch Durst bekommt
Der Bicyclist.

Fährt spazieren er,
Freut sich der Natur,
Sieht den Weg nicht an,
Den schon oft er fuhr,
Sieht den Stein auch nicht,
Der am Wege ist:
Kladderadatsch! liegt da
Der Bicyclist.

Das ging schnell, denkt er,
Stehet auf alsdann,
Sieht besorgt und ängstlich
Die Maschine an,
Wenn er nichts entdeckt
Und nichts dran vermißt,
Freut sich königlich
Der Bicyclist.

Hat er selber auch
Sich recht weh getan,
Kehrt sich wenig er
Oder gar nicht dran;
Schon beim Lernen heißt’s:
Wen ein Fall verdrießt,
Der wird nie ein
Guter Bicyclist.

Wettfahrt liebt er sehr,
Wenn er gut trainiert,
Und hat wenig Furcht,
Daß er da verliert;
Einem Pfeile gleich -
Wenn der Starter schießt -
Fliegt stets durch die Bahn
Der Bicyclist.

Doch zur Winterszeit
Ist er schlimm daran,
Weil im Freien draus
Er kaum fahren kann;
Selbst im Sommer schon,
Wenn der Regen fließt,
Bleibt betrübt zu Haus
Der Bicyclist.

Hieraus sieht man, daß
Sich zu Lust und Freud’
Auch gesellet öfter
Etwas Schmerz und Leid;
Doch weil das auf Erden
Einmal Sitte ist,
Macht sich nichts daraus
Der Bicyclist.

Text: Stau, Bicycle-Klub Aachen.

Quelle. Touren-Liederbuch für Radfahrer. Landesverband Württemberg, o. J. [ca. 1897], S. 37ff.

Lexikon:
Der Bicyclist
Der Text aus einem Touren-Liederbuch für Radbahrer zu Beginn der 20. Jahre des 20. Jhs. ist auf die Melodie eines Frühlingsliedes mit gleichem Anfang („Wenn der Frühling kommt, Von den Bergen schaut “) geschrieben worden, das bereits 1834 aus Leipzig bekannt ist, aber auch in Westphalen und Tirol verbreitet war. Mündliche Überlieferungen des älteren Liedes sind - mit leichten Abweichungen - bis in die siebziger Jahre des 20. Jhs. festgehalten.

Quelle: Sammlung der beliebtesten deutschen Radfahrerlieder, (Enßlin & Laiblins Verlag) Reutingen o.J. [ca. 1922], S. 37.
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