Leise zieht durch mein Gemüt
1. Leise zieht durch mein Gemüt
Liebliches Geläute;
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling’ hinaus in’s Weite!
2. Zieh’ hinaus bis an das Haus,
Wo die Veilchen sprießen:
Wenn du eine Rose schaust,
Sag’, ich laß’ sie
grüßen.
Ergänzung von Hoffmann v. Fallersleben
3. Sprich zum Vöglein, das da singt
auf dem schwanken Zweige,
und zum Bächlein, das da klingt,
daß mir keines schweige!
4. Schalle, Lied, wo’s grünt und
blüht,
hold im Abendscheine,
wieg in süßen Schummer dann
Röschen, das ich meine!
Geschichte / Kommentar:
Den Text zu diesem besonders zwischen 1850 und
1918 sehr beliebten Lied schrieb Heinrich Heine (1799-1856). Die
Melodie aus dem Jahr 1830 stammt von Felix Mendelssohn-Bartholdy
(1809-1847).
Später schrieb Heinrich Hoffmann von
Fallersleben (1798-1874) die folgenden beiden Strophen dazu, die aber
wohl keinen besondern Erfolg hatten.
Parodien:
Das Lied war für Parodien anfällig, so
sangen die Vagabunden (Kunden) „Bienen
ziehen durch mein Hemd“. und während des Ersten Weltkriegs wurde
es, Wolfgang Steinitz zufolge „viel gesungen“, allerdings
mit diesem Text:
1) Leise zieht durch mein Gemüt liebliches
Geläute.
Klinge, kleines Friedenslied, klinge, kleines
Friedenslied,
kling hinaus ins Weite, ins Weite.
2) Kling hinaus bis an das Haus, Wo die Veilchen
sprießen.
:/: Wenn du hier den Kanzler schaust, :/:
Sag: Ich laß ihn grüßen.
(DVA a 107614. J. Liesegang, Berlin, Dezember
1916)
Steinitz schreibt weiter:
„Der Kanzler in Str. 2 ist wohl der
Reichskanzler Behtmann-Hollweg (1909 - Juli 1917), der für die
Durchhalte-Politik und die Weigerung Deutschlands, einen Frieden ohne
Annexionen abzuschließen, die politische Verantwortung trug. - Ob
die aus dem Original stammenden Worte ‚Das Haus, wo die Veilchen
sprießen’ hier ein Anspielung (Reichstag?) enthalten, ist
mir nicht klar.“
Auch Olt bringt in seinen „Untersuchungen zu
deutschen Soldatenliedern des Ersten Weltkriegs“ ein Beispiel vom
5.7.1916 (DVA 440).
Quellen:
Zur Heine-Version
Dr. Karl Reisert, Deutsches Kommersbuch, Freiburg
1896, S. 230.
Gaudeamus. 200 ausgewählte Volks- und
Commerslieder für Klavier mit beigefügtem Text, Anton J.
Benjamin, Leipzig, Hamburg, Milano, o.J., S. 63.
Hermann Böse, Volkslieder für Heim und
Wanderung. Im Auftrage der Zentralstelle für die arbeitende Jugend
Deutschlands, Berlin 1914 (Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul
Singer G.M.B.M., Berlin S.W. 68 [Hans Weber, Berlin]), S. 113f., Nr.
136 (mit Noten)
Liederbuch. Herausgegeben vom Verbande Deutscher
Post- u. Telegraphen-Assistenten, Berlin 1898, S. 207.
Zur Weltkriegsparodie
Wolfgang Steinitz, Dt. Volkslieder demokratischen
Charakters aus sechs Jahrhunderten, Berlin (Ost) Bd. 2 Nr. 274, S.
406f.
Reinhard Olt, Krieg und Sprache. Untersuchungen zu deutschen Soldatenliedern des Ersten
Weltkriegs, Gießen 1980, Bd. 2, Nr. 229, S. 129.