Guanolied.
1. Ich weiß eine friedliche Stelle
Im schweigenden Ocean,
Krystallklar schäumet die Welle
Im Felsengestade hinan.
Im Hafen erschaust du kein Segel,
Keines Menschen Fußtritt am Strand;
Viel tausend reinliche Vögel,
Sie hüten das einsame Land.
2. Sie sitzen in frommer Beschauung,
Kein einz’ger versäumt seine Pflicht.
Gesegnet sei ihre Verdauung
Und flüssig als wie ein Gedicht!
Die Vögel sind all’ Philosophen,
Ihr oberster Grundsatz gebeut:
Den Leib halt’ jederzeit offen,
Und Alles Andre gedeiht!
S. 81
3. Was die Väter geräuschlos begonnen,
Die Enkel vollenden das Werk;
Geläutert von tropischen Sonnen,
Schon thürmt es empor sich zum Berg.
Sie sehen im rosigsten Lichte
Die Zukunft, und sprechen in Ruh’:
Wir bauen im Lauf der Geschichte
Noch den ganzen Ocean zu.
4. Und die Anerkennung der Besten
Fehlt ihren Bestrebungen nicht,
Denn fern im schwäbischen Westen
Der Böblinger Repsbauer spricht:
Gott segn’ euch, ihr trefflichen Vögel,
An ferner Guanoküst’,
Trotz meinem Landsmann, dem Hegel,
Schafft ihr den gediegensten Mist!
Scheffel.
Geschichte / Kommentar:
Den vorläufigen Kommentar (wird noch
aufgearbeitet) übernehmen wir von Wikipedia (Juni 2021) die
wiederum ihren Beitrag nach Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage
von 1888 bis 1890 gestltet haben:
Unter den späteren Produktionen Scheffels
fanden die humoristischen Lieder und Balladen, die in Gaudeamus
(Stuttgart 1868) gesammelt erschienen, wegen ihrer geistreichen Frische
und ihres kecken studentischen Tons, außerordentlichen Beifall.
So schloss er sich beispielsweise mit sei-nem Spottgedicht Guano der
damals unter Gebildeten verbreiteten Kritik an Hegel an.[9]
( Anm.: 9: Heinz Dieter Kittsteiner: Deutscher
Idealismus. In: Etienne François, Hagen Schulze (Hrsg.):
Deutsche Erinnerungsorte. Band 1. C.H. Beck, München 2009, ISBN
978-3-406-59141-9, S. 175 (eingeschränkte Vorschau in der
Google-Buchsuche).]
In dem Lied beschreibt er die Entstehung von
Vogeldung (Guano) auf einer Ozeaninsel und lässt zum Schluss einen
Böblinger Repsbauern sagen:
Gott segn' euch, ihr trefflichen Vögel,
An der fernen Guanoküst', -
Trotz meinem Landsmann, dem Hegel,
Schafft ihr den gediegensten Mist!
Gefunden haben wir das Lied tatsächlich in
den u. a. Liederbüchern. Es wurde geungen nach der Melodie
„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“.
Quelle:
Ein Liederbuch für Naturforscher und Aerzte.
Als Festgabe für die Mitglieder der 41. Versammlung in Frankfurt
a. M. vom 18. bis zum 24. September 1867, Frankfurt a. M. J. D.
Sauerländer’s Verlag 1867. S. 80f.
Feuerwehr-Liederbuch. Universal-Bibliothek 2995,
Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig o. J. (um 1900) Nr. 65, S. 62.