Erhebung
(Fortsetzung)
3. Mein armes Herz wird immer traurig,
Wenn es erblickt, daß in der Welt
Ja Alles doch so elend, schaurig
Und wirr und rechtlos ist bestellt.
S. 20
Man kreuzigt immer noch den Heiland,
Dem Barrabas ergeht’s, wie weiland.
Doch ruf’ ich aus in lauten Tönen
Und sollt’ ich gar die Welt verhöhnen:
Du sollst, du sollst noch glücklich sein.
4. So wird’ ich immer, immer rufen;
Das sei des Lebens Lust und Leid,
Zu knien auf deines Altars Stufen,
O Göttin der Glückseligkeit.
Und wird’ ich drum auch angefeindet
Von harten Menschen, freudescheuen,
So bleib ich selber mir befreundet
Und nimmermehr will ich’s bereuen.
Die ganze Welt muß glücklich sein!
S. 21
Hochzeitsfest.
(1864.)
O du mein theures Vaterland,
Wie lange läßt du dich noch
quälten,
Wann endlich wirst du liebentbrannt
Dich mit dem Freiheitsgott vermählen?
2. O zaud’re nicht so lange mehr,
Du trittst in eine gute Ehe,
Davür ist sichere Gewähr
Der Knechtesseelen Ach und Wehe.
3. Das giebt ein herrlich Hochzeitsfest,
Das ganze Volk ist da zu Gaste,
An jenem Tage uns verlässt
Die Zwietracht, die so heiß gehasste.
4. O diesen goldnen, hohen Tag,
O daß auch ich ihn noch erlebte –
Er lohnt mich reichlich aller Plag’,
Er stillt mein Herz, das schmerzdurchbebte.
S. 22
Ostern.
(1867.)
Die Osterglocken läuten
Am Auferstehungstag
Des Heilands, der gewaltig
Der Menschheit Ketten brach.
2. Er predigte Liebe und Freiheit
Und Gleichheit mit ernstem Mund –
Sie haben ihn drum gekreuzigt,
Die Stellen waren zu wund.
3. So kreuzigt man noch Jeden,
Der von Freiheit und Gleichheit spricht;
Das konnten sie niemals vertragen
Und können’s noch immer nicht.
S. 23
Im Walde.
(1869.)
Am frischen Frühlingsmorgen
Hinaus in die Waldeslust,
Dort blühet die goldene Freiheit;
Auf Höhen und in der Kluft,
Wie ihm der Schnabel gewachsen
Der vogel schwatzt und ruft.
2. Das ist die wahre Freiheit
Dies heitere Vogellatein,
Die Raben und die Elstern
Den König der Lüfte beschrei’n,
Und all’ die andern Kleinen,
die lachen zwischen drein.
3. Kein Richter und kein Kerker
Sperr’n ihnen die Schnäbel zu;
Kein bunter Polizeimann
Gebietet ihnen Ruh’,
Nicht mal dem Nachtskandaler,
Dem trotzigen Uhu.
4. Ohn’ jegliche Erlaubniß
Die Frösche versammeln sich frei,
Erheben über Alles
Viel Lärmen und Geschrei;
Und dennoch läßt sie in Ruhe
Die löblich Polizei.
S. 24
5. Den Ameisen, den flinken,
Wohl wird ihnen manchmal heiß;
Bei ihrer schweren Arbeit
Gerathen sie gar in Schweiß –
Kein Anderer aber verprasset
Die Früchte von ihrem Fleiß.
6. Es wagen die Blümlein zu blühen
Sogar in Rebellen-Roth;
Kein Staatsanwalt beantragt
Für Hochverrath den Tod.
Im frischen, freien Walde
Bestehet kein Verbot.
7.. Und doch ist Alles geordnet,
Es regen sich Zauberhänd’ –
Husch – husch – die Waldesgeister
–
Wie Alles fliegt und rennt!
Es führt die alte, heil’ge
Natur ihr Regiment.
S. 25
Roth.
(1876.)
1. Roth ist die Liebe, roth ist die Lust,
Roth ist das Leben in wogender Brust.
2. Roth glüht der Himmel in Abendpracht,
Roth er am Morgen die Menschen anlacht.
3. Roth ist die Blüthe und roth ist das Blut,
Roth ist die lodernde Freiheitsgluth.
4. Roth weht das Banner der Gleichheit empor.
Roth ist die Farbe, die ich mir erkor.
5. Der Liebe, der Freiheit, der
Brüderlichkeit
Sei ewig das flammende Roth geweiht.
Erschienen zuerst im Hamburg-Altonaer Volksblatt
Nr. 15, 3. Februar 1876,
Siehe auch: Ludger Heid u. a.: Wilhelm
Hasenclever: Reden und Schriften. Bonn, 1989 S. 241.
S. 26
Lassalle’s Todestag.
(Lasalle starb den 31. Augut 1864.)
(1865.)
Der beste Mann – der Arbeit treuster Hort,
Er sank hinab in dunkle Grabesnacht,
Er, der gekämpft, gerungen und gedacht
Für euch mit Mannesmuth und Manneswort.
Ein herrlich Menschenleben ist zerschellt,
Er sang dahin, der Arbeit erster Held.
2. Er sank dahin, der euch so klug gelehrt,
Wie ihr das Sklavenjoch zerbrechen sollt,
Er, der für euch allein so heiß
gegrollt,
Er reich’ euch sterbend noch sein blitzend
Schwert:
„Wohlan, wohlan, ihr kämpft für
euer Recht
Jetzt gen’ ein feiges, feindliches
Geschlecht!“
3. Sein Schwert, es ist des Wissens heller Strahl
–
Der hat Erkenntniß unter euch gebracht;
Erkenntniß eurer Lage ist die Macht,
Der widersteht kein Gold und auch kein Stahl;
Denn die Erkenntniß führt zur Einigkeit
Und Einigkeit macht stark in alle Zeit.
4. Du deutsches Arbeitsvolk, du Riesenmacht,
Wenn du nur willst verein zusammengehn,
Dir kann das Weltenrad nicht widerstehn –
Du rollst es vorwärts aus der finstern Nacht
Ins ew’ge, hehre Sonnenlicht hinein;
Dann leuchtet auch auf dich der Sonne Schein.
–
S. 27
5. Ein Jahr ist nun seitdem dahingerollt,
Seitdem das Herz des großen Mannes traf
Die falsche Kugel, die zu ew’gem Schlaf
Ihn an die kalte Scholle fesseln sollt’.
–
Der Leib des Meisters ruht am dunklen Ort,
Jedoch sein heller Geist lebt fort und fort.
6. Und seine Jünger stehen fest geschaart,
Sie predigen die neue Lehre frei
Von Recht und Gleichheit ohne Furcht und Scheu
–
Vom Meister lernten sie die deutsche Art.
„Zerstiben muß der finstre
Freiheitsbann!
Ja, Recht und Gleichheit auch dem
Arbeitsmann!“
7. So lehrt Lassall’, so klingt auch unser
Wort,
Sein Weg ist nur der wahre ganz allein!
Und mächtig schallt es durch des Volkes
Reih’n:
Lassall’ war unser Held und unser Hort,
Er ist es noch, uns schwebt sein Geist voran,
Er leitet uns auf hoher Siegesbahn!
S. 28
Der Haß.
(1868.)
Du armer Mann, der du so heiß geliebt
Dein theures Weib, das niemals dich betrübt,
Es starb dahin vor Elend und vor Noth;
Dein Sohn fand in der blut’gen Schlacht den
Tod,
Du selbst bist hungernd, bist so krank, so
blaß –
Was ist geblieben dir? – Es blieb der
Haß.
2. Das ist der Flucht, der auf der Arbeit ruht,
Das Zeichen Kains in blutig-rother Gluth,
Das dem Enterbten auf der Stirne flammt,
Zu Siechthum ihn, zu Leid und Tod verdammt.
–
Du kennest dieses Fluch, ohn’ Unterlaß
Auf diesem Fluche ruht dein ganzer Haß.
3. Und die sich freuen über solchen Fluch,
Der die Enterbten bis ins Leichentuch
Verfolgt und gehetzt in namenloser Pein –
Sie preisen ihn beim vollen Glase Wein,
Weil er für sie die Scheuer füllt, das
Faß –
Auf diesen Jubel wirf du deinen Haß!
4. Wie schön ist doch die Erde, o wie
schön!
Noch blickt man sehnsuchtsvoll nach
Himmelshöhn;
Doch her auf Erden ist das Paradies
Vom augenblich, da uns der Fluch verließ
–
Wir wollen bannen diesen Fluch, auf daß
Zur heil’gen Liebe werde unser Haß.
[gesperrt]
S. 29
Die Volksbeglücker.
(1873.)
Der Konservative:
O Volk, nimm meine Richtung an,
So werd’ ich immer dich beschützen;
Und außer deiner Zipfelmützen
Laß Hemd und Hose ich dir dann.
Der Nationale:
Hoch Deutschland! Alles Andre fremd,
Die Einheit, Volk sollst du bbekommen;
Zu deinem eig’nen Nutz und Frommen
Will ich dir lassen gar dein Hemd.
Der Ultramontane:
Ich führ’ zu seinem eignen Glück
Das Volk in das Parteigetümmel;
Doch tröste ich es auf den Himmel
Wohl in demselben Augenblick.
Der Bourgeois-Demokrat:
Das Volks soll haben gleiches Recht,
Wir wären sonst nicht Demokraten;
Doch wenn wir’s rupfen, wenn wir’s
braten,
Bekommt uns das „Geschäft“ nicht
schlecht.
S. 30
Alle vereint im Chor:
Wir lieben all’ das Volk fürwahr,
Ein Jeder nur nach seiner Weise,
Wir halten so auch im Geleise
Die böse Welt auf immerdar.
Dieselben:
Und nimmer soll ein Kommunist
Die traute Harmonie uns stören,
Wir werden bald ihn schon belehren,
Was Recht und Wohl des Volkes ist.
Immer Dieselben:
Am heil’gen Strand des Plötzensee,
Dort legt man ihm das freche Wühlen;
Dort wird der Kommunist schon fühlen
Der ew’gen „Weltenordnung“
Näh’. –
Der Dichter:
Die Freiheit ohne gleiches Recht
Und ohne Brot ist eine Phrase,
Sie setzet auch nur in Extase
Den, welcher dumm ist oder schlecht.