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Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Crambambuli

1. Crambambuli, das ist der Titel
Des Tranks der sich bey mir bewährt
Es ist ein allgemeines Mittel
Wenn mir was böses wiederfährt
Und leid ich an Melancholie
Trink ich ein Glas Crambambuli

2. Reißt’s mir im Leib, reißt’s mir im Magen
Hab ich zum Essen kein Lust
Wenn mich die bösen Grillen plagen
Hab ich Katarrh auf meiner Brust
Bedien ich statt der Medicin
Mich einzig des Crambambuli

3. Soll ich für Ehr und Freyheit fechten
Fürs Vaterland den Feind erspähn
Gleich blickt der Stahl in meiner Rechten
Ein Freund wird mir zur Seite stehn
Da trinkt man nach gehabter Müh
Ein volles Glas Crambambuli.

4. Sollt ich etwa zur Hochzeit schreiten
Mit einem tugendsamen Weib
Kein großes Mahl werd ich bereiten
Sie ist mir g’nug zum Zeitvertreib
Anstatt Kaffee den mag ich nie
Trink ich ein Glas Crambambuli

5. Wer wider uns Crambambulisten
Zur Ungebühr die Nase rümpft
Den halten wir für keinen Christen
Weil er auf Gottes Gaben schimpft
Ich gäb ihm, wenn er Zeter schrie
Auch nicht ein Glas Crambmabuli (1)

22.  Krambambuli, so heißt der Titel,
womit dich ein Starost beehrt;
du bist das süße Labungsmittel,
das Danzigs Officin gewährt.
Halb klingst du deutsch, halb popolsky,
recht majestätisch Krambambuli.


Andere Titel: 
Text: Christoph Friedrich Wedekind (oder Wittekind) soll unter dem Pseudonym "Koromandel" diese Verse geschrieben haben
Melodie: das Kanapee-Lied. (Das Kanapee ...)

Noten: nach Franz Magnus Böhme, „Volkstümlich“, Nr. 682, S. 508-511.
Vorlage: Es braust ein Ruf wie Donnerhall (Die Wacht am Rhein)
Kategorie:
Zeit: 1781, 18. Jh.,


Quelle:
1) DVA Nr. 171812. - Handschr. Liederheft „Bernhard Schulzer von Hunspach“, Kr. Weißenburg, Elsass. 1781.
Geschichte / Kommentar: 

Unter dem Namen Crambambuli wurde im 18. Jahrhundert im Lachs zu Danzig ein Liquer gebrannt, der einem Kirschwasser ähnlich gewesen sein soll.

Der Lachs ist nach mittelalterlich patricischer Sitte der Name für ein dortiges Haus in der Breitgasse, worin von holländischen Einwanderern (Monnonisten) 1598 eine Branntwein-Fabrik gegründet wurde. Es vererbte sich stets in Familie oder Verwandschaft weiter, wie auch die besonderen Geheimnisse der Zubereitung der verschiedensten Liquersorten. Das Geschäft, sowie seine Erzeugnisse führen einen Lachs als Etiquette, doch wohl nach dem Hause, in dem es betrieben wurde. Die Gebäude gehörten bis etwa zum Ende des 18. Jahrhunderts dem Kloster zu Olivia an ...(2)

Die Schnäpse aus Danzig hatten nicht zuletzt durch Lessings Minna von Barnhelm ein Gläschen echten veritablen Danziger Lachs eine Berühmtheit erlangt, die heutige Schnapskonzerne neidisch machen würde. Doch nicht nur diese Berühmtheit läßt einen Vergleich mit der heutigen Wirtschaft zu, auch die Werbemethoden waren bereits beachtlich.

1745 erschien unter der Überschrift „Der Krambambulist“ ein Gedicht mit sage und schreibe 102 Strophen, in denen die unterschiedlichsten Varianten einer Lobeshymne auf eben gerade dieses Getränk vom Stapel gelassen werden. Der gebürtige Sachse Christoph Friedrich Wedekind (oder Wittekind) war um 1747 Sekretär beim Prinzen Georg Ludwig von Holstein-Gottorp und ebenfalls preußischer Generalmajor. Er soll unter dem Pseudonym „Koromandel“ diese Verse geschrieben haben (3). Das Lied stand unter dem Einfluss eines anderen, das bereits vor 1740 bekannt war, das Kanapee-Lied. (Das Kanapee .... mit dem Refrain: Die Seele schwingt sich in die Höh`. Der Leib bleibt auf dem Kanapee). (4) Auf dieses Lied werde ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, da uns das zu weit vom Weg abführen würde.

Von der Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts bildete das „Epos“ den Fundus für eines der am häufigsten gesungenen Studentenlieder. Außer an den Hochschulen scheint das Studentenlied hauptsächlich im Südwesten Deutschlands, der Schweiz und Lothringen gesungen worden zu sein (darauf deuten die Aufzeichnungen mündlicher Überlieferung des DVA hin. Daraus das folgende Beispiel:

Es ist sicher nicht notwendig, näher auf den Text des Liedes einzugehen, da er für sich selber spricht. Aber es ist notwendig ihn zu kennen, um die doppelte Parodierung des, bei Johann Most erwähnten Liedes zu verstehen. Hier der vollständige Text der , wie erwähnt, auch in dem von Most herausgegebenen Liederbuch enthalten ist - leider nur mit der Verfasserangabe „E“ (siehe Die Wacht am Rhein)

Der (spieß)bürgerlichen Stammtischgesellschaft des 19. Jahrhundert wird hier die „Wacht am Rhein“ gleich doppelt um die Ohren gehauen. Das Lied wird durch die Nutzung der Vorlage, eines Trinkliedes, ins Wirtshaus „gebracht“. Wo es in der Realität bürgerlicher Freizeitgestaltung bereits ständig präsent war, aber die doppelte Moral bestimmte auch die Verwendbarkeit des Liedes und ist somit nicht nur Kennzeichen der Zeit, sondern auch des Liedes. Gerade das nationalistische Liedgut ist häufig aus seinem gewollten heroischen oder staatsrepräsentativen Charakter herausgekommen und findet seine Entsprechung in Augenblicken in denen der Alkohol aus jedem Untertan einen Kaiser, oder zumindest seinen besten Vertrauten, gemacht hat.

Eine Schlüsselszene in Heinrich Manns Roman Der Untertan zeigt ein treffendes Bild der Feierabendkultur kaisertreuer Nationalisten eines kleinen Provinzortes. Eine Kneipenszene, in der die beteiligten „Helden“, unter gehörigem Alkoholeinfluß, sich in ihrer Treue zu Kaiser und Vaterland gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, endet - natürlich - irgendwann auf der Straße:

Die Herren hielten sich alle sehr gerade, und manchmal schoß einer unvermutet ein Stück vorwärts. Mit ihren Stöcken strichen sie tosend über die herabgelassenen Rolläden, und im Takt voneinander unabhängig sangen sie die Wacht am Rhein (5).

Der Ausdruck Bierernst kommt ja nicht von ungefähr. Hoffmann von Fallersleben hat eine solche Situation in seinem Gedicht Spießbürger=Tugend beschrieben und da es auch in Most`s Liederbuch enthalten ist.



Anmerkungen: St
2) A. Treichel Das Lied vom Krambambuli. In: Separat-Abdruck aus der Altpr. Monatsschrift Bd. XXVIII. 3 Hft. 3 u. 4.1891. Königsberg in Pr. 1891, S. 338.
3) Vgl. A. Kopp. Wedekind und Krambambuli. Altpreußische Monatsschrift 32 (1895) Nr. 34. S. 296-310.
4) Vgl. Max Friedländer. Commersbuch, mit kritisch-historischen Anmerkungen versehen. 3. Aufl. Leipzig 1911, Edit. Peters Nr. 2666, Nr. 28.
5) Heinrich Mann: Der Untertan. München 1985. S. 119 f. [zuerst 1918 erschienen].

 
 
 
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