Geschichte /
Kommentar:
Das Wiegenlied
haben wir der Liedersammlung
„Ostjüdische
Volkslieder“ von Alexander Eliasberg übernommen,
der dazu folgenden Kommentar abgibt:
G. & M. Nr.
65. Kowno. [Heute Kaunas in Litauen]
Außerdem gibt
er folgende Anmerkungen:
Str. 1, Z. 1:
Ejsres Mehrzahl von Ejzor (h) = Schatz.
Melyche (des Reimes wegen statt Meluche
(h) = Königreich. Z. 2: niche (h) =
ruhig; es is mir nice = es ist mir
recht.
Z. 6: gesynd vgl. Anm. zu Nr. 10. Str. 2,
Z. 1: Antik = Kostbarkeit.
Str. 3, Z. 2: Malochim Mehrzahl von
Malach (h) = Engel.
Str. 4, Z. 3:
Zidkes (h) = Frömmigkeit. Z. 4:
Geh’nem (h) = Gehenna,
Hölle.
Str. 5, Z. 2:
Gan-ejden (h) = Garten Eden. Z. 4:
Zaddik (h) = der Gerechte.
Der deutsche Text
lautet nach Eliasberg:
13. Der Sohn als
Fürbitter
Des Kaisers Reich
mit all seinen Schätzen /
Wäre mir kein so groß
Ergötzen,
Wie du es bist,
mein Kind, mein Schein, / Seh’
ich dich, mein’ ich, die Welt sei
mein!
Schlaf, mein Kind,
schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen
und sein gesund!
2. alle Brillanten
und die seltensten Stücke /
Könnten mein Herz nicht so sehr
erquicken,
Wie du es
erquickst, mein Licht mein Schein, /
Hab’ ich dich, mein’ ich,
die Welt sei mein!
Schlaf, mein Kind,
schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen
und sein gesund!
3. Wenn du liegst
und schläfst in deinem Wiegelein,
/ Stehen die guten Engel und decken
dich mit dem Flügelein.
Du, mein Kind,
bist mein Licht, mein Schein, /
Hab’ ich dich, mein’ ich,
die Welt sei mein!
Schlaf, mein Kind,
schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen
und sein gesund!
4. Der Vater hat
das Kind nicht gelehrt, was Gott
befohlen, / Darum wird man ihn auf
jener Welt brennen auf Kohlen;
Und die wirst dich
mit frommen Taten bemühen, /
Deinen Vater aus der Hölle
herauszuziehen.
Schlaf, mein Kind,
schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen
und sein gesund!
5. Darf ich einmal
in jene Welt eingehen, / So werden die
Tore des Pardieses weit offen stehen.
Fromm und gut,
mein Kind, sollst du immer sein, / Da
wird's heißen: Laßt des
Gerechten Mutter ein!
Schlaf, mein Kind,
schlaf, mein Kind, / Sollst mir ruhen
und sein gesund!
Das Lied hat auch Fritz Mordechai Kaufmann 1920 mit
aufgenommen. Hier ist es allerdings
deutlich kürzer
as'ch wolt g'hat
d'm kæiß'rs Eizr'ß /
mit sán ganz' mlich',
wolt duß gur
nisch sán bá mir asoi
groiß nich', / wi di binst
bá mir nich', mán lecht,
mán schán.
as 'ch
dersæi d'ch, / dicht s'ch mir di
ganz' welt is mán.
schluf mán
kind, schluf má kind, / solst
mir ri'n in sán g'sint.
2. der tat' hot
duß kind nit g'lernt / wuß
got hot g'bot'n,
wet m'n ‚m
oúf jen'r welt / bren'n in
brut'n
In di, mán
kind, mit dán' zitk's solst s'ch
mi'n / dán tat'n, fin g'hen'm
aroúßzizi'n.
schluf, mán
kind, schluf mán kind, / solst
lang leb'n in sán g'sint.
3. as 'ch wel amul
darf'n schtæi'n, / oúf
jen'r welt græ'n
wel'n di tir'n fin
ganæid'n of'n / In di mán
kind solst sán a frim'r In a
gilt'r
wet m'n sug'n
oúf jen'r welt: / lost
arán d'm zad'ks milt'r!
schluf, mán
kind, schluf mán kind, / solst
lang leb'n In sán g'sint.
Worterklärung
und Kommentar Kaufmann:
a1] Eiz'ß -
Schätze, Reichtümer. / a2)
mlich - Königsgewalt,
Herrlichkeit. / a3) nich' - teuer,
lieg. / b5) zitk'ß -
Frömmigkeit.
b6) g'hen'm - Tal
des Wimmerns, Jenseits der
Sündigen. / c3) ganzæeid'n -
Tal der Wonne, Jenseits der
Gottesfürchtigen.
c6 zad'k -
Frommer, Gottgefälliger
Der Sinn des
Liedes ist nur zu verstehen aus der
geschlossenen, strengen und doch
seligen Vorstellungswelt der
ostjüdischen Frau. Musikalisch ist
bei allen diesen Wiegenliedern zu
beachten, daß die realistische
rhythmische Bewegung des Wiegens und
Schaukelns irgendwie hervorgebracht
werden muß. Sie dürfen
gewiß ruhig und sogar langsam
gesungen werden, aber das bewegte,
schaukelnde Zeitmaß darf nicht
auseinander gerissen werden.
Kaufmanns
Schreibweise ist allerdings recht
kompliziert. Wir haben seine Texte kurz
zusammengeschnitten [Hier].
Quelle: