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Alexander Eliasberg,
Ostjüdische Volkslieder,
München 1918 bei Georg Müller

Dieses Buch wurde im Auftrage des Verlages Georg Müller in München in einer Auflage von 1500 Exemplaren in der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig hergestellt. Gebunden von Hübel & Denck in Leipzig nach dem Entwurf von Fiora Palyi [Palni?]  

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Vorwort (S. 7-11)

Die Volkslieder, von denen vorliegender Band eine kleine Auswahl vereinigt, werden vom Volke der Ostjuden wie in ihrer eigentlichen Heimat (Polen, Galizien, Bukowina, Westrußland, Ungarn und Rumänien), so auch in den Ländern der Zerstreuung (in Rußland bis tief nach Sibirien, England und Nordamerika) gesungen. Obwohl die meisten der Lieder sehr alt sind, wurde mit dem Aufzeichnen und Sammeln erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen.
Die erste wissenschaftliche Veröffentlichung über das Thema ist die von L. Wiener: „Popular Poetry of the Russian Jews“ in „Americana Germanica“ 1898.
Die erste umfassende Sammlung ist die von Ginsburg und Marek (St. Peterburg 1901). Sie enthält (in hebräischen Lettern und lateinischer Transkiption) den Text von 376 Volksliedern und eine ausgezeichnete russische Einleitung. Diese Sammlung steht auch heute noch unerreicht da.
An zweiter Stelle ist die zweibändige Sammlung: „Yddisch Folksongs“ von J. L. Cahan (New York 1912) zu nennen. Sie enthält etwa 300 Lieder, zum größten Teil mit Melodien und lateinischer Transkription, und ist eine wertvolle Ergänzung zu dem erstgenannten Werk. Eine groß angelegte Publikation ist vom bekannten jüdischen Folkloristen Nejach Priluzki in Warschau, der über 2000 Volkslieder gesammelt hat, unternommen; erschienen sind bisher zwei Bände mit rund 200 Liedern und sehr wertvollen Anmerkungen in jüdischer Sprache (Warschau 1910 und 1912). Ein hübsches kleines Liederbuch (Text nur in hebräischen Lettern) ist unter dem Titel „Jüdische Volkslieder“ 1917 im Verlag „Lyra“ in Warschau erschienen. Viele einzelne Volkslieder wurden in den von Dr. Grunwald herausgegebenen „Mitteilungen zur Jüdischen Volkskunde“ (Wien) und in der Monatsschrift „Ost und West“ (Berlin) veröffentlicht.
Arno Nadel brachte in der vorzüglichen von Martin Buber geleiteten Monatsschrift „Der Jude“ eine Reihe der in den oben angeführten Sammlungen enthaltenen Volkslieder mit schönen Übertragungen und wertvollen Anmerkungen. Das unter dem vielversprechenden Titel „Jüdisch-deutsche Volkslieder aus Galizien und Rußland“ vom bekannten Hebraisten Gustaf Dalman (Berlin 1891) herausgegebene Buch enthält lauter Kunstlieder und kein einziges wirkliches Volkslied.
Die Sammlungen von Ginsburg und Marek und Priluzki berücksichtigen das Musikalische leider gar nicht; die Sammlung von Cahau ist zwar mit vielen Notenbeispielen versehen, enthält aber neben echten Volksweisen auch viele Walzermelodien und Gassenhauer nichtjüdischer Provenienz. Mit dem Sammeln der Melodien befaßt sich die Petersburger Gesellschaft für jüdische Volksmusik, die ein vorzügliches Liederalbum herausgegeben hat.
Über die Frage, ob das Idiom dieser Volkslieder eine Sprache, eine Mundart oder ein „Jargon“ sei, wollen wir uns hier nicht verbreiten. Wir halten es mit Prof. Hermann Strack, der in der Vorrede zu seinem „Jüdischen Wörterbuch“ (Leipzig 1916) erklärt: „Das Jüdische, meist für einverderbtes Deutsch gehalten, kann auf den Namen ‚Sprache’ mit mindestens demselben Rechte Anspruch erheben wie das Englische.“ Zur Orientierung über die jüdische Sprache dienen neben dem Wörterbuch von Strack folgende Werke: J. Gerson, „Die jüdische-deutsche Sprache“ (Frankfurt a. M. 1902), Heirnrich Loewe, „Die Sprachen der Juden“ (Berlin 1911) und Matthias Mieses, „Die Entstehungsursache der jüdischen Dialekte“ (Wien 1915). Speziell über das jüdische Volkslied orientiert die kleine Abhandlung von S. Kisselhoff (Berlin o. J.).
Vorliegende Auswahl beruht auf den eingangs angeführten Veröffentlichungen von Wiener, Ginsburg und Marek, Cahan und Priluzki. In den am Schlusse des Buches folgenden Anmerkungen haben wir für jedes Lied die Quelle angegeben. Wir waren bestrebt, von jeder Art von Liedern (religiösen, Wiegen-, Kinder-, Liebesliedern, Balladen usw.) einige charakteristische Beispiele zu geben. Wir haben auch einige Nummern (vorwiegend Balladen), die unverkennbar zum deutschen Volksliederschatz gehören, aufgenommen, um zu zeigen, wie solche Lieder bei den Ostjuden weiterleben. Bei der Übertragung hielten wir uns, soweit es Reim und Versmaß erlaubten, möglichst nahe an die Originale. Einige Schwierigkeiten bereitete die Transkirpiton des jüdsichen Textes.
Das Jüdische, von dem es drei Hauptdialekte gibt (nämlich den litauischen, den polnischen und den südrussischen), wird bekanntlich mit hebräischen Lettern geschrieben. Derselbe Text sieht in den drei Dialekten gedruckt vollkommen gleich aus, wird aber verschieden gelesen; der Unterschied erstreckt sich lediglich auf die Ansprache der Vokale. Über die hauptsächlichen Unterschiede zwischen den litauischen und der polnischen Aussprache (von der südrussischen, die sich der der polnischen nähert, wollen wir absehen) orientiert folgende Zusammenstellung:

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Die Vokale: ã (Land), ? (Bett), i (Wind) und ? (Gott) sind in allen Dialekten unverändert. Die verschiedene Aussprache des Vokals „u“ ist ganz besonders auffallend; sie bedingt es, daß viele Worte, die sich in der polnischen Aussprache reimen (z. B. Mitter und bitter, lieb und Grib), in der litauischen keinen Reim mehr geben (Mutter und bitter, lieb und Grub). Wir haben uns bei der Transkription an die litauische Aussprache gehalten, die zwar numerisch weniger verbreitet ist als die polnische, aber von vielen für die eigentliche literarische Sprache gehalten wird. Ausschlaggebend war für uns nur der Umstand, daß diese Aussprache dem deutschen Leser etwas verständlicher ist als die polnische. Wo in der litauischen Aussprache des Reimes wegen an Stelle des sonst üblichen „u“ ein „i“ tritt, haben wir es mit einem „y“ transkribiert. Ein Lied, nämlich Nr. 53, haben wir in der Warschauer Aussprache wiedergegeben.

Obwohl es in der hebräischen Schrift keiner F und V, keine großen und kleinen Buchstaben und keine Doppelkonsonannten gibt, haben wir uns bei der Transkirpiton nach Möglichkeit an die deutsche Ortographie, wo sie der jüdischen Aussprache nicht zuwiderläuft, gehalten, um den Text dem deutschen Leser verständlicher zu machen. Wer dne jüdischen Text einigermaßen richtig aussprechen will, möchte sich merken, daß es im Jüdischen keine Umlaute gibt (also: Glick, heren, schejn statt Glück, hören, schön), daß das deutsche „ei“ immer als „ej“ zu lesen ist (mit Ausnahme der Fälle, wo es mit „ai“ transkribiert ist), daß die Vokale fast immer kurz und die Konsonanten wie verdoppelt auszusprechen sind und daß das „ch“ stark guttural, wie im Schweizerdeutsch, klingt. Der Laut „ž“ (in ponischen Worten) ist wie „j“ im französischen "jour" auszusprechen.

Alles Nähere über die dem Deutschen unverständlichen Worte, Wendungen usw. findet der Leser in den ausführlichen Anmerkungen am Schlusse des Bandes

Alexander Eliasberg



 
 
 
 
 
 
 
 
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