Lied der Arbeiterinnen
1. Wir haben nur immer vom Glück
geträumt
und konnten es niemals erblicken,
wir haben zu lang’ in der Enge gesäumt,
daheim und in dumpfen Fabriken.
Für uns gab es weder Ruhe noch Rast,
wir trugen keuchend des Daseins Last.
2. Wir sahen das bunte Treiben der Welt
durch trübe, geblendete Scheiben
im Saale, den spärlich die Lampe erhellt,
wo rastlos die Räder treiben.
Wir waren zu ewigem Dunkel verbannt,
das Licht war fern und der Freiheit Land.
3. Wir haben nur immer vom Glück
geträumt
und konnten es niemals erringen,
Wir mußten, ob auch der Stolz sich
bäumt,
den Leib und die Seele verdingen,
das Blut verkaufen ums täglich Brot,
so will es des Hungers Machtgebot.
4. Die Kinder, die wir dem Leben geschenkt,
wir mußten sie hungern sehen,
und die wir frierend mühsam getränkt,
im Elend zugrunde gehen.
Da scholl uns der Freiheit Kampfesruf,
der zu neuen, zu stärkeren Menschen uns
schuf.
5. Und singet ihr stolz der Arbeit Lied,
ihr Männer, ihr kampfesbewährten,
wir Frauen singen es freudig mit
als eure truen Gefährten.
Und winkt usn nicht selbst des Kampfes Lohn,
so tragen ihn unsere Kinder davon.
Margaret Hönigsberg
Geschichte / Kommentar:
Das Lied von Margaret
Hönigsberg haben wir bislang nur im Liederbuch von Heinrich Schoof
aus Wien entdeckt. Gesungen werden sollte es auf die Melodie von
Christian Jakob Zahn (1797) „Wohlauf, Kameraden, aufs
Pferd“.
Quellen:
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier
Liederbuch, 6. umgearb. Aufl. (100.-115. Tsd.) Jubiläumsausg.,
Wien 1914 (Lammel BIbl. Nr. 235), S. 78f.
Heinrich Schoof, Österreichisches Proletarier
Liederbuch, 7. umgearb. Aufl. (116.-125. Tsd.) Jubiläumsausg.,
Wien 1923 (Lammel Bibl. Nr. 235), S. 57f.