Zusammenfassung
des Nachwortes
Ludwig
Strauß gab 1920 das Liederbuch
„Ostjüdische
Liebeslieder“ ohne Noten im
„Welt-Verlag“ heraus. Die
dokumentierten Gedichte des Bandes
seien „ohne Rücksicht auf
die Melodie lediglich nach zwei Motiven
ausgewählt: wie weit die
sprachliche Gestalt des jidischen
Gedichts mir vollendet oder doch
bemerkenswert ausgeprägt erschien;
und wie weit sie mir den Impuls zur
Nachbildung gab.“ Er glaubte
dadurch „statt der Verdeutschung
um jeden Preis, die Gutes und
Schlechtes bunt durcheinander als
Beitrag zur Völkerkunde bot“
eine „Spiegelung jüdischen
Geistes, wie er im Volksgesang
dichterisches Ereignis geworden ist, in
der deutschen Sprache zu
vollziehen“. (S. 82) Bei der
Übersetzung vom
„Jidischen“ ins Deutsche
gab es aufgrund der Vielfalt von
Begriffen einige Schwierigkeiten.
Strauß bemühte sich aber
„wo es anging“ sich an das
Original zu halten.
Strauß griff
allerdings in den Text ein. Seiner
Meinung nach minderwertige oder
„doch in Bildhaftigkeit und
Rhythmus ganz herausfallende(r)
Strophen mitten zwischen reinen und
schönen sich
äußert(en), so habe er
„diese Strophen
weggelassen“. Und auch bei
Liedern, „in denen bei einzelnen,
dem Gesamtbild nicht unablösbar
verwobenen Strophen die dichterische
Kraft im Autor (oder, wohl hier meist,
der Autorin) auszusetzen schien“,
kürzte er. Zur
Überprüfung verwies er auf
eine Notiz im Inhaltsverzeichnis.
Außerdem seien die Gedichte XXV
und XXXVII „aus verschiedenen
Varianten zusammengestellt, in deren
jeder andere Strophen besonders
charakteristisch und glücklich
ausgebildet“ seien, und das 42.
Gedicht sei „eine
Aneinanderreihung in verschiedenen
Liedern verstreuter schöner
Strophen“.
Die
Begrifflichkeit und Sinnlichkeit des
Jidischen könne die ihr „so
entgegengesetzte deutsche Sprache Worte
und Bilder (…) in keiner
Weise“ ersetzen.
Strauß’
Publikation war „eine Auswahl aus
den folgenden Sammlungen“:
J. L. Cahan,
„Jidische
Folkßlider“, Verlag der
Internationalen Bibliothek, New-York
und Warschau 1912 (Die Lieder I-XXIII).
Ginsburg und
Marek, Jüdische Volkslieder in
Rußland (Jewreiskija narodnija
pjesniw Rossii), Petersburg 1901 (Lied
XXIV-XLII)
Die Sammlung von
Chaje Fain (Lied XLIII-XLV und eine
Strophe von XLII),
Sammlung von L.
B-n. (Lied XLVI und XLVII
Die letzte beiden
Sammlungen wurden veröffentlicht
im ersten Jahrbuch „Der
Pinkeß“. Verlag B. A.
Klezkin, Wilna 1913.
Außerdem
waren für Strauß die zwei
Bücher „wertvolle
Hilfsmittel zum Eindringen in das
jidische Lied“:
F. J. Kaufmanns,
„Das jüdische
Volkslied“ und
ders. „Die
schönsten Lieder der
Ostjuden“, 47 ausgewählte
Lieder mit Noten, Transkiption und
Erläuterungen. (bei 1919/1920 im
Jüdischen Verlag, Berlin
erschienen).
Die Sammlung
widmete Strauß „seinen
„lieben Freunden Fritz Mordechai
und Rahel Kaufmann“, die ihm
„mit Wort, Schrift und Gesang den
Weg in die Welt dieses Buches
öffneten“.
Ludwig
Strauß zur Person
(1892 –
1953)
Arieh Ludwig
Strauss (eigentlich Strauß,
Pseudonym Franz Quentin, Strawotsch,
Arijeh ben Menachem) wurde am 28.
Oktober 1892 als Sohn eines Kaufmanns
in Aachen geboren. Er war schon
früh in zionistischen Vereinen
aktiv, studierte Germanistik,
Literaturgeschichte und Philosophie in
Berlin und München. Er absolvierte
Kriegsdienst und brach 1919 wegen
Krankheit sein Studium ab.
1925 heiratete er
Eva Buber, die Tochter von Martin
Bubers. In der Zeit war er Lektor,
später Dramaturg am
Düsseldorfer Schauspielhaus. 1928
wurde er mit der Dissertation Hölderlins Anteil
an Schellings frühem
Systemprogramm in Frankfurt am Main
promoviert und 1929 habilitierte er
sich in Aachen mit der Arbeit Das Problem der
Gemeinschaft in Hölderlins
Hyperion (gedruckt
1933).
Er
veröffentlichte nicht nur Arbeiten
und Aufsätze zu Hölderlin,
sondern übersetzte auch eine
Auswahl von Geschichten aus dem
jüdischen Ma’assebuch (1934
als Band 18 der Bücherei des
Schocken Verlags veröffentlicht).
Spätestens seit 1933 bekam er den
Antisemitismus existenziell zu
spüren (siehe dazu Wikipedia).
Strauss wanderte 1935 mit der Familie
nach Palästina aus. Dort arbeitete
er als Lehrer, später Dozent an
der Hebräischen Universität.
Seine Gedichte schrieb er auch in
Hebräisch.
Strauss starb am
11. August 1953 in Jerusalem.
Liederbücher:
Ludwig
Strauß, Ostjüdische
Liebeslieder. Übertragungen
jidischer Volksdichtung, Berlin
1920 (Welt-Verlag) 92 S.
Ludwig
Strauß, Jüdische
Volkslieder. Ausgewählt, aus dem
Jiddischen übersetzt und
erläutert, Berlin 1935 (Schocken
Verlag) Nr. 12, S. 29ff.
Werke (Auswahl)
Dichtungen und
Schriften.
Hrsg. von Werner Kraft. München:
Kösel-Verl. 1963.
Land Israel.
Gedichte.
Hrsg. und mit einem Nachw. versehen von
Hans Otto Horch. Aachen: Rimbaud Verlag
1991. ISBN 3-89086-880-0
Gesammelte Werke. In vier Bänden.
Hrsg. von Tuvia Rübner und Hans
Otto Horch. Göttingen: Wallstein
1998–2001.
(Veröffentlichungen der Deutschen
Akademie für Sprache und Dichtung
Darmstadt. 73) ISBN 3-89244-198-7
Literatur (nach
Wikipedia):
Richard Faber: Von Aachen nach
Jerusalem – und nicht wieder
zurück. Zum 100. Geburtstag von
Ludwig Strauß. In: Zeitschrift für
Religions- und Geistesgeschichte 45 (1993), S.
152–167
Hans Otto Horch
(Hrsg.): Ludwig
Strauß. 1892–1992.
Beiträge zu seinem Leben und Werk. Mit einer
Bibliographie. Tübingen: Niemeyer
1995 (= Conditio Judaica, 10)
Hans Otto Horch: Strauß, Ludwig. In: Andreas B. Kilcher
(Hrsg.): Metzler
Lexikon der deutsch-jüdischen
Literatur. Jüdische Autorinnen und
Autoren deutscher Sprache von der
Aufklärung bis zur Gegenwart. Metzler,
Stuttgart/Weimar 2000, ISBN
3-476-01682-X, S. 557–558.
Rudolf Lennert: Über das Leben der
deutschen Sprache in Jerusalem. In: Neue Sammlung 6 (1966), S.
617–627 (über Ludwig
Strauss, Ernst Simon und Werner Kraft).
Bernd Witte
(Hrsg.): Ludwig
Strauss. Dichter und Germanist. Eine
Gedenkschrift. Aachen 1982. 132 S.
MVU 22. Februar
2022