1. Sie gleicht wol einem Rosenstock,
drum gliebt sie mir im Herzen;
Sie trägt auch einen rothen Rock,
kann züchtig, freundlich scherzen.
Sie blühet wie ein Röselein,
das Bäcklein wie das Mündelein.
Liebst du mich, so lieb ich dich,
Röslein auf der Heiden!
2. Der die Röslein wird brechen ab,
Röslein auf der Heiden,
Das wird wol thun ein junger Knab,
Züchtig, sein bescheiden.
So stehn die Neglein auch allein,
Der lieb Gott weiß wohl, wen ich mein:
Sie ist gerecht, von gute Gschlecht.
Von Ehren hochgeboren.
3. Wenn mich das Mägdlein nicht mehr will,
Röslein auf der Heiden,
So will ich weichen in der Still
Und mich von ihm thun scheiden;
So will ich sie auch fahren lan
Und will ein anders nehmen an,
Ein schöns, ein jungs, ein reichs, ein
frumms,
4. Das Röslein, das mir werden muß,
Röslein auf der Heiden,
das hat mir treten auf den Fuß
Und gschach mir doch nicht leide;
Sie gliebet mir im Herzen wohl
In Ehren ich sie lieben soll,
Beschert Gott Glück, geht’s nicht
zurück,
Röslein auf der Heiden.
5. Behüt dich Gott, mein herzigs Herz
Röslein auf der Heiden!
Es ist fürwahr mit mir kein Scherz
Ich kann nicht länger beiten;
Du kommst mir nicht aus meinem Sinn,
Dieweil ich hab das Leben mein;
Gedenk an mich, wie ich an dich,
Röslein auf der Heiden!
6. Beut mir her deinen rothen Mund
Röslein auf der Heiden,
Ein Kuß gieb mir aus Herzensgrund,
So steht mein Herz in Freuden.
Behüt dich Gott zu jeder Zeit,
All Stund und wie es sich begeit;
Küß du mich, so küß ich
dich,
Röslein auf der Heiden!
7. Wer ist, der uns dieß Liedlein
macht’,
Röslein auf der Heiden?
Das hat gethan ein junger Hacht,
als er von mir wollt scheiden;
Zehntausen hundert guter Nacht
Hat er das Liedlein wohl gemacht.
Behüt sie Gott ohn allen Spott,
Röslein auf der Heiden!
Geschichte / Kommentar:
Zum Heideröslein nach der Melodie „So
weiß ich eins das mich erfreut, das Blümlein auf breiter
Heide“ aus dem Jahre 1545 zitieren wir Franz Magnus Böhme
aus dem dreibändigen Werk „Deutscher Liederhort“ aus
dem Jahr 1892:
Dieses schöne Volkslied des 16. Jahrhunderts
steht im Liederbuch des Buchdruckers Paul v. der Aeltst. Deventer 1602;
dort zweimal, jedes Mal mit zwei Einleitungsstrophen als Nr. 80: Wach
auff, wach auff, meins Herzen ein Kron. Im Ton: Wach auff in Gottes etc
und als 103 Hör zu, mein Schatz, du einiger Trost. Daraus auch bei
Uhland Nr. 56. Ohne 3. u. 7. Str. bei Vilmar.
Daß ein ähnliches Lied früher auch
in Oberdeutschland gekannt war, bezeugt folgende Strophe aus Lechners
Liederb. Nürnb. 1586 Nr. 22, die abgesehen von einer Kürzung
so ziemlich der 3. Str. unsres Textes entspricht und so lautet:
Will und das Maidelein nimme han,
rot röslein auf der heiden,
so wölln wirs nur faren lan,
ein anders wölln wir nehmen an,
ein schöns, ein gungs, ein reiches, ein
frumms,
nach adelichen sitten.
Unverkennbar war unser Lied hier das Vorbild zu
Goethes Dichtung: „Es sah ein Knab ein Röslein
stehn,
Röslein auf er Heiden“ etc. Goethe muß dieses alte
oder ein ähnliches Volkslied des 16. Jahrhundert gekannt haben,
bevor er sein Lied dichtete, denn ohne dieses Vorbild währe die
Uebereinstimmung im Refrain und in der Allegorie (das geliebte
Mädchen einem Heideröslein zu vergleichen) und sonst
mehrfache wörtliche Gleichheit nicht deutbar. Das Bild vom
rosenbrechen durch einen Knabern wird hier nicht durchgeführt, wie
solches Goethe gethan hat.
Unser volkstext braucht sich vor Goethes
Nachbildung nicht zu verstecken. Es ist um den neckischen,
fröhlichen Ton reicher, als Goethes Text mit seinem dramatischen
Aufbau und seiner Zweideutigkeit.
Diese vorgesetzte Melodie steht zu einem
geistlichen Liede von Erasmus Alberus: Freut euch, feut euch in dieser
Zeit, ihr werthen Christen alle etc in Babst’s Gsbg, 1545, Nr.
37; Babst II, 1560, Nr. 60; Lpz. Ob. 1586; Nürnb. Gb. 1589; bei
Schumann 1539, hne Melodie. Der geistliche Text steht auf einem
Einzeldruck (Nürnberg, Kunigung Hergotin, c. 1530) mit der
Ueberschrift: Ein preißlied göttliches worts … In dem
Thon als man singt: So weiß ich eins das mit erfreyt, das
plümlein auf breiter Heyde. (Abdr. WK. 1841, Nr. 295.) Darauf darf
man folgern: Die später beigedruckte Meldoei ist die von
ebenbesagten weltlichen Liede. Letzteres ist aber nicht weiter gekannt.
Es handelte vom Heideblümlein. Nicht zu gewagt ists, daß ich
die Melodie dem Heideröslein vorgesetzt habe, dessen Weise bisher
auch nicht gefunden ist. Nicht nur der heitere Ausdruck, sondern auch
das Versmaß der Melodie paßt zum Heideröslein.
¶ 1,2 sie geliebt mir, gefält mir,
2,5 Steglein? Uhland (Schriften 3, 545) vermuthet
darunter die Stäbe, an welche der Rosenstrauch gebunden wird. Der
Sinn wäre also, wie die Rose und ihr Halter, so wollen wir beide
verbunden sein. Vilmar erklärt also: ich gehe meine Wege allein
(bin verschiegen in der Liebe).
Str. 3 ist als scherzhaft, nickend aufzufassen,
aber nicht als störend fortzulassen, wie Vilmar thut.
4, 3 Treten auf den Fuß, ein Zeichen der
Liebe und hier al Gegenwehr vom Mädchen geübt, schmerzte
nicht.
5, 4 beiten, warten.
5, 6 dieweil, so lange.
7, 3 Hacht, wohl nicht Hecht, sondern Hache, ein
wilder, unwirscher Mensch.
Quelle:
Ludwig Erk u. Franz Magnus Böhme, Deutscher
Liederhort, Bd. 1, Leipzig 1925, Nr. 426, S. 242ff.