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Heinrich Seidel
(1842-1906)

Der älteste Sohn des Predigers Heinrich Alexander wurde als Erzähler - besonders der idyllischen Seiten des einfachen bürgerlichen Lebens bekannt. Am 25. Juni 1842 im mecklenburgischen Perin geboren fiel er eher als schlechter Schüler auf. „Von meiner ersten Kindheit ist nur zu sagen, daß ich bis zu dem Ende meines dritten Jahres mit meinen Eltern ausschließlich plattdeutsch sprach, eine Methode, die in Mecklenburg häufig angewendet wird, um die Kinder vor dem unglaublichen Hochdeutsch der Dienstboten, davon ich im „Leberecht Hühnchen als Großvater“ eine Probe gegeben habe, zu bewahren. […] Viele meiner Erzählungen habe ich fünfzehn Jahre und länger mit mir herumgetragen, bis sie endlich reif und fertig waren.“ Mit neuen Jahren zog die Familie nach Schwerin.

Während ihm das früh erlernte Lesen Vergnügen bereitete, lagen seine sonstigen Tätigkeiten „auf einem anderen Gebiete als auf dem der Schule. Die herrliche Umgegend von Schwerin mit ihrer schönen Abwechslung von Wasser, Wald und Hügeln gab treffliche Gelegenheit zu ausgedehnten Streifereien, und eine angeborene Neigung zur Natur konnte dort reichliche Nahrung finden. Ich sammelte Schmetterlinge, Eier, Steine und Muscheln und lernte die Stimmen und die Nester der Vögel kennen. Natürlich las ich auch jetzt Alles, was ich bekommen konnte.“

In der Quarta und Tertia schrieb Seidel, „so zu sagen, den ‘Kladderadatsch’ der Schule und fing sogar einmal an, ein geschriebenes Wochenblatt herauszugeben, das den Titel führte ‘Variatio delectat’. Es erlebte aber nur eine Nummer.“

Nach seinem Abgang von der Schule arbeitete er ein Jahr in der Lokomotivreparatur-Werkstätte in Schwerin als Lehrling und ging im Herbst 1860 bis Ostern 1861 nach Hannover auf das Polytechnikum. Aufgrund des Todes seines Vaters mußte er zurück und arbeitete für zwei Jahre in der Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen und Mühlenbau von Kähler in Güstrow. Danach war er zwei ein halb Jahre in dem Konstruktionsbureau der Fabrik von Brockelmann beschäftigt, wo er sein erstes Märchen schrieb, das 1864 in den in Hamburg erscheinenden „Jahreszeiten“ erschien.
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Aufgrund seiner enthusiastischen Begeisterung für das damals äußerst beliebte Turnen wurde er auch „Springer Seidel“ genannt. Im Herbst 1866 ging Seidel nach Berlin auf die Gewerbeakademie. Zwei Jahre später lernte er dort den Professor der Kunstgeschichte Friedrich Eggers kennen, der ihn in den litterarischen Sonntagsverein „Tunnel über der Spree“ einführte. Während seiner Arbeit in verschiedenen Büros und Fabriken bis 1880 hatte er drei Bände mit Erzählungen und zwei mit Märchen vollendet. 1875 heiratete er Agnes Becker, Tochter eines Hamburger Kaufmannes, und hatte mit ihr die drei Söhne Heinrich, Werner und Helmuth. Am 7. November 1906 starb Seidel in Großlichterfelde.

„Was nun meine schriftstellerischen Absichten betrifft, so wird es mir schwer darüber etwas zu sagen, denn ich habe eigentlich gar keine. Wenigstens keine andern, als das, was mich freut und mein Herz bewegt, künstlerisch aus mir herauszugestalten. Jede sogenannte Tendenz war mir von jeher ein Greuel. Meine Erzählungen sind zum Theil entstanden aus Träumereien, so die erste Geschichte, die ich schrieb: „der Rosenkönig“, und die, die ich selbst für die beste halte: „Odysseus“. Was meine Helden erlebten, hätte ich selber gern erlebt, und da ich es nicht haben konnte, schrieb ich es mir, wie man beim Subtahiren sagt: ‘Hab’ ich keinen, borg’ ich mir einen.’ Andere meiner Erzählungen entsprangen mehr der Beobachtung der Wirklichkeit und sind mosaikartig zusammengesetzt aus Gesehenem und Erlebtem untermischt mit eigener Erfindung. Zu dieser Gruppe gehören die Leberecht Hühnchen-Geschichten.“

Dok./Abb.: „Die Musik der armen Leute“



Lieder:

Die kühnen Forscher sollen leben ( ) - Mel.: Crambambuli
So Mancher spricht gewichtig schwer (Lied von der Berliner Stadtbahn) Mel.: Ich hab’ den ganzen Vormittag



Quellen:
Heinrich Seidel. Kurze Autobiographie In: Biese, Alfred: Fritz Reuter, Heinrich Seidel und der Humor in der neueren deutschen Dichtung. Kiel und Leipzig: Lipsius und Tischer 1891, S. 49-55.
(Deutsche Schriften für Litteratur und Kunst. 1. Reihe, Heft 5)
 
Liederbuch des Nienburger Techniker-Vereins "Hochbau". Nienburg 1896, Nr. 39, S. 52.