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Die Arbeit muß das Szepter führen,
Knecht soll nur sein, wer mäßig geht,
Die Arbeit muß die Welt regieren,
Weil nur durch sie die Welt besteht!
Drum nährt den Brand der heil’gen
Flamme,
Weiht unsrem Bunde eure Kraft;
Wir Alle sind von einem Stamme,
Sind eine einz’ge Bruderschaft!
Der Einzelne mag unterliegen
Und fruchtlos kämpfend untergehn:
Jedoch wir Alle müssen siegen –
Wenn wir nur fest zusammenstehn!
So laßt uns um das Banner schaaren,
Das glühendroth im Sturmwind fliegt,
Und wder Kraft noch Herzblut sparen,
Bis unser Feind im Staube liegt.
Dann wird durch unsrer Kräfte Walten
Die alte Welt zu Grunde gehen:
Und neu, in edleren Gestalten
Die freie Menschheit auferstehn!
Wien, im März 1869.
Gedichtet zur Eröffnung der ersten
österreichischen Arbeiter-Industrie-Ausstellung in Wien, 1869.
(Musik von Josef Scheu.) Wien, im April 1869. S.
5.
An Josef Krosch*
(Von seinem Freunde
1. Du sankst dahin in Deines Lebens Blüthe
Und Deiner Seele ungebeugten Kraft;
Dein Mannesgeist, er war noch unerschlafft,
Der sich so treulich um sein Volk bemühte!
–
2. Das Feuer, das in Deinem Busen glühte,
Es wuchs in Deines Kerkers enger Haft
Zur Riesenflamme, die des Lebens Saft
Verzehrte, und so Deinen Tod verfrühte!
–
3. Doch bleibt nicht fruchtlos Dein so junges
Sterben:
Es ist ein Korn von jener großen Saat,
Aus deren Reise unsre Kinder erben.
4. Du warst ein Mann des Wortes wie der That,
Und Jeder muß der Schnitter Dank erwerben,
Der so wie Du für sie gesäet hat!
Gefängniß Wien, Juni 1879 (S. 6f.)
* Josef Krosch, einer der frühesten und
tüchtigsten Vorkämpfer des Proletariats in Reichenberg, starb
am 10. Mai 1870 im Untersuchungs-Gefängnisse zu Prag.
Sehnsucht nach der Freiheit.
1. Wie pflege ich doch des
müß’gen Geschau’s
Und des sinn’gen Betrachtens so gerne
Zum enge vergitterten Fenster hinaus,
In die farbig verdämmende Ferne! –
2. Wie sanft, von den tannenbewaldeten Höhn
Das Auge hinübergeleitet
Sich fühlt nach dem Thal, wo so duftig und
schön
Herbstblümchen ein Bett sich bereitet!
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3. Vom grünenden Bergesgeländ sich
verliert
In gemach abfallender Schiefe,
Von wogenden Büschen und Sträuchern
umziert,
Eine sandige Spur in die Tiefe.
4. Welch süßer, entzückender
Friede ist hin
In die träumende Landschaft gegossen! –
Am erstarrenden Busen der Erde verblühn
Ihres Lenzes zartlebige Sprossen.
5. Sie sogen der Säfte und Wonnen genug
Aus des Sommers balsamischen Lüften:
Nun giebt ihr ersterbender Athemzug
Sie zurück in berauschenden Düften.
6. Und die Lerche, wie sang sie zum Abschied so
schön
Ihr gelied über schlummernden Feldern!
Die befiederten Sänger entvölkern die
Höhn –
Es wird stille in Wiesen und Wäldern.
7. Und wie mild ist der scheidenden Sonne Strahl!
Es erglühn im verklärenden Scheine
Der gilbende Wald, das verduftende Thal
Und der glitzernde Reif am Raine. –
8. Doch horch! – Welch ein brausend
Getön’ erschallt
Durch die Luft mit zischendem Klange? –
Es wälzt sich heran durch den schweigenden
Wald
Eine eiserne Riesenschlage.
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9. Ein flammenschnaubendes Ungethüm,
Mt graulicht wild flatternden Mähnen.
Wie dampft es und stampft es voll Ungestüm
Und droht mit den glühenden Zähnen!
–
10. Ich kenne dich wohl, du Wundergethier
Mit den ehernen Flügeln und Lungen! –
Wie gerne hätt’ ich mich fort von hier
Auf deinen Rücken geschwungen! –
11. Auf deinem Rücken, durch Feuer und Dampf
–
Welch’ ein wildes, entzückendes Jagen!
–
Du hätt’st mich hinaus in den
wirbelnden Kampf
Um die Güter der Menschheit getragen!
12. Es brennet auch mir in den Tiefen der Brust
Ein gewaltig verzehrendes Feuer,
Deß lohenden Gluthen zu opfern gewusst
Ich Ales, was lieb mir und theuer! –
13. Nicht drängt’s mich hinaus, um in
Liebchens Arm,
Um in eigenen Glückes Ermessen
Der ringenden Menschheit unendlichen Harm
Und unsägliches Leid zu vergessen!
14. Ich sehe aus dieser beengenden Haft
Mich hinaus in das tödtliche Leben,
Dem Dienste der Freiheit mit Leidenschaft.,
Mit verwegener, mich zu ergeben!
15. Hinaus, wo ums Dasein sich blutig ringt
Das Volk in verzweifelndem Mühen,
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Wo schneidend sein Stahl in den Boden dringt,
Brotkaumende Furchen zu ziehen;
16. Wo tief aus dem Dunkel der Erde es bricht
Mit des Hammers dröhnendem Schalle
Und aufwärts hebt an das sonnige Licht
Das Gestein und die edlen Metalle;
17. Wo es hämmert und pocht, wo es schaufelt
und gräbt,
Daß sein trockenes Brot es verdiene;
Wo es nähet und spinnt, wo es knüpfet
und webt
Bei dem zischenden Dampf der Maschine;
18. Wo immer sich müht die gestaltende Kraft
Den formlosen Stoff zu bezwingen, -
Dort möchte ich hin, um der Arbeiterschaft
Das Klassenbewusstsein zu singen! –
19. Hinbrausen die eisernen Wege entlang,
Durch die elendbevölkerten Strecken
Möchte’ ich, mit begeisterndem
Schlachtgesang
Den schlummernden Riesen zu wecken! –
20. Das zieht mich hinaus! – Doch der
rassende Zug
Ist verschwunden in Waldesdüster. –
Nichts stört mehr des wandernden Vogel s Flug
Und des fallenden Laubes Geflüster. - -
21. Wie mahnt mich, o Wald, deiner Blätter
Tod
An der heut’gen Gesellschaft Verwesung!
Sie siechet dahin unter Prunk und Noth
Und harret des Tags der Erlösung.
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22. Wo kommen das Volk und richten wird
Nach der Menschheit großen Geboten
Diejenigen, die’s zum Verderben geführt
–
Die Lebendigen – und die Todten!
Gefängniß Garsten, Oktober 1870.
An C. W …
1. Es gleicht mein Herz in seiner Liebe Ringen
Der Leier, die in Tönen Kunde giebt,
Wenn von der Schönheit, die ihr Klingen
liebt,
Bewegt, die Saiten in einander schwingen.
2. Verzeih’ darum sein träumerisches
Singen,
Das Deiner zarten Seele Ruh’ getrügt;
Du hast zu viel des Zaubers ausgeübt
Auf sein Gesait – es mußte tönend
klingen!
3. Die Kraft der Selbstbeherrschung brach zusammen
Vor der Gewalt, die diese Töne schlug.
Du magst – allein Du wirst mich nicht
verdammen!
4. Ein großes Herz liebt nimmer sich genug;
Es weiht dem Schönsten seine reinsten Flammen
Und seienr Lieder tiefsten Athemzug!
Gefängniß Garsten, Oktober 1870.
S. 12
An Freund J. M. …
(Zur Zeit ebenfalls österreichischer
Staatsgefangener.)
1. „Die Lust war groß, drum ist das
Leid unsäglich!“ –
Ich träumte schon’ von einer Fluth von
Witzen
Und niederschmetternden Gedankenblitzen; –
Der Traum war schön, die Wirklichkeit ist
kläglich!
2. Dich, der manch’ lieberfüllt’
Gemüthe täglich
Verwundete mit seiner Pfeile Spitzen, –
Dich seh ich selbst nun auf dem Herzen sitzen (*),
Und Andrer Scherze sind Dir unerträglich?
3. Warum so krankhaft reizbar, guter Hannes?
Hat Dir die Liebe den Humor geraubt
Und lahmgelegt die Macht Dich ihres Bannes?
4. Erhebe Dich, und wirf zurück das Haupt;
Heig’ mir das Antlitz eines ganzen Mannes,
Deß’ Geist und Witz noch nicht
verturteltaubt!
Gefängniß Garsten, Dezember 1870.
*) Liebebrütend. Der Verfasser hatte
brieflich auf eine Herzensangelegenheit angespielt, und die Antwort
M.’s war gegen all Erwartung wuthschnaubend.
S. 13
Sylvester.
(1870.)
Das Jahr verrinnt – im Sterben liegt’
– es tritt ein neues in den Plan,
Mit dunkelbergendem Gewand und erzneu Schleiern
angethan.
Doch ob es noch so dicht verhüll’t die
Züge seines Angesichts –
Wir schauen leuchtend unser Ziel im strahl des
reinsten Sonnenlichts!
Ob aus den Falten seines Kleids uns Unglück
und Verderben fällt,
Ob es für uns in seinem Schooß Gefahr
und Tod verborgen hält:
Wir schreiten stetig unsre Bahn, kein irdisch
Hemmniß hält uns auf,
Denn so bestimmt ist unser Weg gezeichnet, wie der
Sterne Lauf.
Hat nicht das abgethane Jahr, das Kampf und
Mühsal uns gebracht,
Und der Verfolgung wilde Jagd, uns gut und
groß und stark gemacht?
Auf allen Linien war entbrannt die heiße
Schlacht, und ward mit Kraft
Begeistrungsglühend durchgekämpft in
liebentflammter Leidenschaft.
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Als Schlag auf Schlag und Stoß auf
Stoß uns unsre Fronten dezimirt,
Wir haben frischbezerzten Muths: „Die Reihen
schließen!“ kommandirt.
Und neue Männer traten vor; die Lücken
schlossen Brust an Brust
Der Streiter dichtgedrängte Reihn,
erfüllt von heil’ger Kampfeslust. –
Und ob Gewalt uns auch bedroh’ mit Sturm und
Blitz und Donnerschlag –
Wir schreiten festen, stolzen blicks, was auch die
Zeit uns bringen mag!
So wie des Pharaonenvolks, Zwingherrenthum am
heil’gen Nil
Vor dem gewalt’gen Flügelschlag des
Menschengeists in Staub zerfiel;
So wie das Joch des Ritterthums, deß erznem
Druck aus Staub und Schmach
Des Volkes Kraft sich kühn entrang, wie Glas
in Schutt und Scherben brach;
So wie des Glaubens Nacht durchbrach der
Wissenschaften himmlisch’ Licht:
O, so gewiß kommt auch der Tag, der unsres
Elends Ketten bricht!
Er kommt, er ist nicht ferne mehr, der Tag des
Jubels und des Glücks,
Der Sühnetag der bittren Qual, der banken
Noth des Augenblicks;