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Sah ein Knab’ ein Röslein stehn (2)

dem armen Röslein haben. Auch schadet es nichts, wenn die Alten sich mit dem Streite zwischen dem Röslein und Knaben zufrieden stellen. Aber auf die Frage: ob die Jugend in die inerste Bedeutung dieses Liebesliedes einzuführen sei, ist entschieden mit Nein zu antworten. (So denkt auch Götzinger, Deutsche Dichter, 5. Aufl., I, S. 524.) Kinder verstehen ohne Erklärung das märchenhafte Liedchen und die heranwachsende Jugend wird von selbst die letzte Deutung der Allegorie in Goethes Sinne zeitig genug finden. –

In Neudrucken von Herder’s Volksliedern ist in der 4. Zeile der Schlußstropeh er statt es zu lesen; damig wird der ganze Sinn des Liedes verdreht. Weil durch das er auf einmal der wilde, jetzt jammernde, Knabe in den Vordergrund tritt, ist Einheit und Stimmung gestört. Höchstens wäre dann sinnbildlich der Satz dargestellt: Wie keine Rose ohne Dornen, so keine Liebe ohne Leid. An diese Deutung halten sich vielleicht die meisten Hörer, wenn sie überhaupt biem Vortrag dieses, ohne Musik schon reigenden Liedes, noch Lust und Zeit zum Denken haben.


Quelle:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895, Nr. 114, S. 95ff.


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