3. Wenn man jetzt einen Brief verübt,
so ist man ordentlich betrübt
und denkt: na diesmal, weil’s so Brauch;
doch eine Karte thät es auch.
4. In Frage kommt sogar, und wie!
die National-Oekonomie:
die „Briefschuld“ sank enorm, seitdem
das Antwortgeben so bequem.
5. Dabei hat schon auf diese Art
gar Mancher Tausende erspart,
obgleich die Post zu kurz nicht kommt,
im Gegentheil die Sach’ ihr frommt.
6. Doch Undank ist der Welten Lohn!
Jüngst schrieb ein Blatt der grande nation:
daß jetzt die Karten so im Schwung,
sei Merkmal der Verwilderung.
7. O, Franzmann voller Unverstand,
beneide unser Vaterland,
daß der Erfinder Deutschlands Sohn,
daß uns gebühret Dank und Lon!
8. Just ebenso, wie hier zu Land
die Weltpost ihre Wiege fand;
der Vater ist für Beide gleich:
Herr Stephan, sieg- und ehrenreich.
Die Denkschrift, in welcher der jetzige
Reichs-General-Postmeister, Staatssecretair Dr. von Stephan die
Einführung von Postkarten, untere gleichzeitiger Erläuterung
der ganzen Art der Ausführung des Systems, als Erster in Anregung
gebracht hat, ist im October 1865 verfaßt und auf der damals in
Karlsruhe tagenden fünften Deutschen Postconferenz mitgetheilt
worden.
Vom Postmann (Nr.
85, S. 96f.)
Weise: Es steht ein Wirthshaus an der Lahn
(D-durl)
1. Gäb’s keinen Postmann in der Welt,
wär’ sie gelähmt und kalt
gestellt.
Wo blieben da die Briefe
und was uns sonst noch anvertraut,
wenn keine Post mehr liefe?
2. Nicht um den hundertfachen Lohn
ersetzten Telegraph und –phon
die lieben gelben Wagen,
und selbst beim Pfiff der Eisenbahn
verstummte nicht das Klagen.
3. Der Kaufmann jammerte zumeist,
weil der die Post am höchsten preist.
Wer brächte Wechsel, Musiker? –
Kein Cirkular, kein Kursbericht
erhellte ihm sein Duster.
4. In jedem Ministerium
ging minder nicht die Sache krumm;
die Akten blieben liegen;
’raus käm’ kein einziger
Erlaß,
und die Orakel schwiegen.
S. 97
5. Kein Ueberführungsgegenstand
gelangte in des Richters Hand,
kein Sortiment von Dolchen,
Kassiber, Wachsbild, Hosenknopf,
kein Konterfei von Strolchen.
6. Woher bekäm’ in aller Welt
der Bruder Studio sein Geld? –
Blieb’ aus der Wechsel, säh’ er,
da Durst und Alles unversehrt,
nur Rettung im Hebräer!
7. Und dreimal Wehe rief die Braut,
die nach dem Postmann blind sich schaut:
„Wo bist du, Sonne, ’blieben?
Ist untreu Wilhelm oder todt,
daß er mir nicht geschrieben?“
8. Die Speckpackete blieben aus,
die Muttergroschen von zu Haus;
vergeblich mäßt’ nach
Würsten,
nach Kirmeskuchen und Toback
der arme Krieger dürsten.
9. Und wenn er gar in Frankreich wär’
und hätte keine Feldpost mehr;
was nützt ihm da sein Siegen,
wenn die zu Hause allesammt
nichts ’von zu wissen kriegen?
10. Wollt’ streiken ’mal die
Eisenbahn,
so spannen wir die Rosse an
und fahren durch die Lande
mit Posthornklang wie ehedem,
als man den Dampf nicht kannte.
11. Kurzum, die Post steht allezeit
für Arm und Reich zum Dienst bereit;
sie kennt nicht Unterschiede
von Schwarz und Roth,
von Rechts und Links:
Das Postreich ist der Friede!
Aus „Einer von der Post“. Eine
Postlebensgeschichte in lustigen Versen von C. A. S. (Frankfurt a. M.
1885, Mahlau / Waldschmidt).
Zum 9. Oktober 1884. (Nr.
86, S. 97)
:,: Gaudeamus igitur quod universalis :,:
annum hodie devimum rite complevit suum :,:
Unio postalis. :, :
2. Mundus noster discors est semper et
rixatur ;
posta fert concordiam, mitigat vecordiam, est
pacificator.
3. Ubi nune, quae antea oneri fuere ?
res molestae, scrupuli, vexationes populi,
quae nos turbavere ?
4. Via quaeque brevis est brevi superatur ;
nun volant epistolae, mercatori, agricolae,
quod procul nuntiatur.
5. Saepius gauden virgines scriptis
‚amatrorum,
qui transibant milites, nantae seu artifices
undas Oceanorum.
6. Docti academiae gausdio afficiuntur :
scripta typographica – etse mathematica
Vilius mittuntur.
7. Omnes gaudent, omnium posta es in ore;
ergo vivant opera Germanica, Stephanica,
simper sint in flore.
(Deutsche Verkehrs-Zeitung.)
87. Die Entdeckung des Bernsteins oder: Wie ein gut Kursbuch nützet. (S. 98)
Wahrhaftige Histori vnd so eyn fürtrefflich
kursbuch antail genommen.
Durch hochgeachte Geschichtschreiber netzvnd
beschribe, auch ins Teutsch verwandelt, mit durchauß schönen
Figuren gezieret.
Gedruckt in disem jar.
(Alte Handschrift ins Neuhochdeutsche
übertragen.)
Gar lieblich zu singen nach der Weise: Die
Hussiten zogen vor Naumburg.
Ging ein Mann im hohen Norden einst am Strand, die
Zeit zu morden;
quälen that er sein Gehirn, furchen tief die
Denkerstirn:
wollt Was erfinden.
2. „Hehre Frigga, alter Wodan, ficht euch
denn nicht meine Noth an?
Schafft ihr Nichts für ein Patent,
mach’ ich selbst dem Ding ein End’:
Geh’ zum Menlo-Parker!“
3. Grollend griff er nach dem Kursbuch, so er
stets in seiner Bours’ trug
(selbiges war damals klein, ging noch in die
Tasch’ hinein);
schmiedet Reisepläne.
4. Dicht dran, sich zurechtzufinden, sah
er’s Buch von Wirbelwinden
weggefegt mit Vehemenz, wie nicht schnöde
Konkurrenz
reißt das Werk herunter.
5. Und verschwunden in den Wogen ist das Buch,
hinabgezogen.
Wüthend in die Bärenhaut greift der
Mann, daraußen schaut
still das Trinkgehörne.
6. Neu gestärkt geht er an’s Suchen:
„Ha, dort seh’ ich Gelbes lugen.2)
Wie sich’s in den Wogen ballt! Das ist
keines Buchs Gestalt:
goldig glänzend blinkt es!“
7. Hastig wühlt er in den Stücken,
prüft sie mit Erfinder-Blicken,
ruft dann plötzlich: „Ei, Herr
Jäs’s, das ist höchst warscheinlich Gles!
Flugs zum Reichs-Patentamt!“
8. „Lauter Bernstein, äußerst
günstig!“ Drückt ihn an die Lippen brünstig.
–
Bernstein aber wie bekannt, ist […] drum
genannt,
seit er daran leckte. 3)