Aber Bismarck!
1. Bismarck, o Bismarck
Du eisenblut’ger Mann!
Geht denn das Reichsgesundheitsamt
Dich auch noch etwas an?!
2. Am Franzmann, am Franzmann
Lass dir Genüge sein!
Bist worden Marketender,
Sorgst dich um Bier und Wein?
3. Zu Häupten, zu Häupten
Stehn dir der Haare drei,
Ist’s Neid, wenn du nicht dulden willst,
Färbt Wer sein Haar mit Blei?
4. Beim Centrum, Bem Centrum
Sei du Culturkampfhahn,
„Im Umkreis sollst du Nesseln
Und Unkraut lassen stahn.“
5. Wer uns will bekämpfen
Mit Mühlenflügeln ficht.
Es will die Welt betrogen sein -
Kein Bismarck ändert’s nicht!
Geschichte / Kommentar:
Anmerkung (Seite 57-59)
Aber Bismarck! Seitdem
alle Welt durch Professor Roesler - Gott segne ihn! - erfahren,
daß dieser Bismarck kein Diplomat ist, fällt es von aller
Augen wie Schuppen, und Niemand begreift mehr, wie es möglich sein
konnte, daß ein solcher Mann jahrelang als berühmter
Zeitgenosse verkleidet umherwandeln und eine ganz Nation, wenn nicht
mehrer, zu täuschen vermachte. Sein diplomatisches Fiasko konnte
ihn leider nicht zurückschrecken, sich auf anderen Gebieten zu
versuchen und sich um die ungelegten Columbuseier der
Fälscherbekämpfung zu bekümmern. Es konnte nicht fehlen,
daß er auch hier sehr bald unterliegen mußte. Nur ein
Beispiel: Bismarck veranlaßte das Reichsgesundheitsamt
Nieske’s Haarfärbemittel zu untersuchen; das Amt fand darin
einen bisher, wie meineidlich festgestellt ist, noch von Niemand in
solchen Mitteln aufgefundenen, angeblich gesundheitsschädlichen
Stoff, dem es den Namen Blei gab.
Mit diesem Funk kam aber Bismarck zu seinem
chemischen Roesler, denn keiner geringeren Person als Sr. Angeblichkeit
dem Dr. Theobald Werner in Breslau, Direktor des Polytechnischen
Instituts und chemischen Laboratoriums war es vorbehalten, das
Böhnhasenthum des Reichsgesundheitsamtes festzustellen. Werner
konnte amtlich bescheinigen, daß der Nieske’sche Haarbalsam
unschädlich sei und ledilich aus einer Lösung
südamerikanischen Birkenbalsams bestehe.(1) - Bismarck war
vernichtet! Sein bekannter Bleistift, mit dem er das
Untersuchungsdecret gegen den Harmlosen Nieske unterzeichnete, hatte
seine tödtliche Spitze gegen ihn selbst gerichtet, und wenn auch,
um den Fehler zu verdecken, daß Reichsgesundheitsamt rasch einen
wahren Trödelladen bleihaltiger Dinge zusammenzuanalysiren sich
bemühte, Niemand glaubte ihm und nur einige ängstliche
Gemüther sprachen das Stoßgebetlein:
O bleib mit deiner Gnade
Wo anders nur nicht her, -
Ich bin noch viel zu schade -
Zehn schritt’ vom Leibe mir!
Nicht kann ich dich vertragen,
In Löffel, Topfglasur,
Haarbalsam, Kinderwagen,
Nein, Du geniest mich nur.
O wolle mich verschonen!
Und laß’ in der Türkei
Dich nur zu blauen Bohnen
Gebrauchen, liebes Blei!
Anmerkungen:
1) Veröffentl. d. Kais. Gesundh.-Amtes 187,
Nr. 33
Quellen:
Emil Jacobsen (Allgemeiner Verein zur
Verfälschung von Lebensmitteln), Liederbuch
für fröhliche Fälscher nebst etlichen weisen Sprüchen, Regeln und
Glossen, Waaren 1878, S. 16f. und S. 57f.