Arbeitermarseillaise
1. Wohlan, wer Recht und Freiheit achtet,
Zu unsrer Fahne steh’ zu Hauf!
Wenn auch die Lüg’ uns noch umnachtet,
:/: Bald steigt der Morgen hell herauf! :/:
Ein schwerer Kampf ist’s, den wir wagen,
Zahllos ist unsrer Feinde Schar!
Doch ob wie Flammen die Gefahr
Mög über uns zusammenschlagen!
:/: Die neue Rebellion,
Die ganze Rebellion,
Marsch, marsch!
Marsch, marsch!
Marsch, wär’s zum Tod,
denn uns’re Fahn’ ist rot!
2. Der Feind, den wir am tiefsten hassen,
Der uns umlagert schwarz und dicht,
Das ist der Unverstand der Massen,
:/: Den nur des Geistes Schwert durchbricht. :/:
Ist erst dies Bollwerk überstiegen,
Wer will uns dann noch widersteh’n?
Dann werden bald auf allen Höh’n
Der wahren Freiheit Banner wehen.
:/: Die neue Rebellion,
Die ganze Rebellion,
Marsch, marsch!
Marsch, marsch!
Marsch, wär’s zum Tod,
denn uns’re Fahn’ ist rot!
3. Das freie Wahlrecht ist das Zeichen
In dem wir siegen; - nun wohlan!
Nicht predigen wir Haß den Reichen,
:/: Nur gleiches Recht für Jedermann. :/:
Die Lieb’ soll uns zusammenketten,
Wir strecken aus die Bruderhand,
Aus geist’ger Schmach das Vaterland,
Das Volk vom Elend zu erretten!
:/: Die neue Rebellion,
Die ganze Rebellion,
Marsch, marsch!
Marsch, marsch!
Marsch, wär’s zum Tod,
denn uns’re Fahn’ ist rot!
4. Von uns wird einst die Nachwelt zeugen,
Schon blickt auf uns die Gegenwart.
Frisch auf, beginnen wir den Reigen,
:/: Ist auch der Boden rauh und hart. :/:
Schließt die Phalanx in dichten Reihen!
Je höher uns umrauscht die Flut,
je mehr mit der Begeist’rung Glut
Dem heil’gen Kampfe uns zu weihen!
:/: Die neue Rebellion,
Die ganze Rebellion,
Marsch, marsch!
Marsch, marsch!
Marsch, wär’s zum Tod,
denn uns’re Fahn’ ist rot!
5. Auf denn, Gesinnungskameraden,
Bekräftigt heut aufs neu den Bund,
Daß nicht die grünen Hoffnungssaaten
:/: Geh’n vor dem Erntefest zu Grund. :/:
Ist auch der Säemann gefallen,
In guten Boden fiel die Saat,
Uns aber bleibt die kühne Tat,
Heil’ges Vermächtnis sei sie allen.
:/: Die neue Rebellion,
Die ganze Rebellion,
Marsch, marsch!
Marsch, marsch!
Marsch, wär’s zum Tod,
denn uns’re Fahn’ ist rot!
Geschichte / Kommentar:
Das „Lied der deutschen Arbeiter“
schrieb der Schlosser und Textautor, Jacob Audorf Junior 1864 Für
den allgemeinen Deutschen Arbeiterverein Lassalles anlässlich der
Totenfeier für Ferdinand Lassalle auf die Melodie der
Marseillaise. Audorf, bekennender Lassalleaner schreibt einen
entsprechenden Refrain:
Nicht zählen wir den Feind,
Nicht die Gefahren all`!
Der Bahn, der kühnen, folgen wir,
die uns geführt Lassalle!
Johann Most, heftiger Verfechter der
sozialrevolutionären Linie der Eisenacher, änderte in seinem
Liederbuch bereits in der ersten Zeile statt „Wahrheit“ den
Begriff „Freiheit“, darüber hinaus nahm er in den
verschiedenen Auflagen unterschiedliche Kehrreime, aber nicht den
Lassalle verherrlichenden Text, er übernahm in der 3. Auflage von
1873 den Refrain aus Freiligraths Reveille:
Die neue Rebellion, / Die ganze Rebellion,
Marsch, marsch! / Marsch, marsch!
Marsch, wär’s zum Tod, / Denn
uns’re Fahn ist roth!
und in der 5. Auflage (herausgegeben von Gustav
Geilhof) nach Hermann Greulich:
In Einigkeit und Kraft, / du freie
Männerschaft,
Steh fest! / Steh fest!
und wanke nicht, / die Sklavenkette bricht!
In den Liederbüchern der KPD der Weimarer
Zeit lautet der Anfang auf „Recht und Wahrheit“ und der
Refrain:
Nicht zählen wir den Feind!
Nicht die Gefahren all!
Marsch marsch, marsch marsch,
und sei es zum Tod, denn unsre Fahn’ ist
rot!
Die Anhänger des autoritären Kommunismus
und ebenfalls dem Personenkult aufgesessenen sangen an den Refrain auf
Lassalle anknüpfend auch:
„Der Bahn, der kühnen, folgen wir,
die Liebknecht uns geführt.“
Ebenfalls für den Deutschen Arbeiterverein
schrieb bereits 1864 der Hamburger Schlosser Jakob Audorf das Lied der
deutschen Arbeiter. Es war der französischen Marseillaise
nachempfunden und erhielt später den Namen Arbeiter-Marseillaise.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten wurde es das Lied der
organisierten Arbeiterbewegung. In den 1890er Jahren fehlte es auf
keiner Feier oder Demonstration.