Wir sind jung, die Welt ist offen (2)
In „Hamburger Jugend-Lieder 1. Heft / Wanderlieder“,
Max Laudan (Hg.) Hamburg 1924 ist „Michael
Englert“
mit diesem und acht weiteren Liedern vertreten. Zu seiner Person
heißt es dort: „... Arbeiter-Sekretär in Hamburg von
1914-20, ist der erste Chorleiter des Hamburger Arbeiter Jugend-Chores.
Dem starken Bedürfnis nach neuen Liedern aus dem Gefühlsleben
der neuen Jugend wurde er gerecht durch seine prächtigen
Jugendlieder. So glücklich er in der Wahl seiner Texte war, so
treffend sind seine Weisen. Weit über Hamburgs Grenzen fanden sie
Verbreitung. Die Jugend hat sie leider bereits arg zersungen! Wenn auch
an Jahren unser Englert nicht mehr zu den Jüngsten gehört, so
vermögen doch seine Lieder immer wieder die Jugend zu
begeistern.“
[Den Titel „Hamburger
Jugend-Lieder“ gab es zweimal, beide
herausgegeben vom Verlag der Buch-Ein- und Verkaufsgenossenschaft
Hammerbrook e. G. m. b. H. Die älteren Liederbücher sind jene
mit einem Seemann und einem Wanderburschen im Titel (siehe hier). sie haben keine Noten. Die jüngeren sind ab Ostern
1924 Band 1 (siehe hier), bzw. August 1925 Band 2 (siehe hier) sie haben Noten.] Das Lied verbreitete sich einerseits
über die Jugendbewegung und andererseits über die
Arbeiterjugend. Beides existierte in jener Phase neben- und
miteinander. so ist es nicht überraschend, dass sie das Lied nach
links und nach rechts bewegte. Die KPD haben wir oben bereits
angesprochen.
1922 ging es auch nach rechts .Es erschien mit
einer anderen Melodie im Hagener „Rüpelliederbuch“. Barbara Boock hat herausbekommen, dass der
Komponist eine Karl oder Carl Frantzen sei, über dessen Person sie
aber keine weiteren Informationen bekommen konnte. Es gab nur deutliche
Verbindungen zu völkischen Kreisen, wie z. B. Fritz Sottke, der
das Lied in seinem Liederbuch „Fahrtenlieder“
übernommen hatte. Hier endete das Lied unseren Quellen zufolge im
Jugendliederbuch der HJ „Uns geht die Sonne nicht unter“
aus dem Jahr 1934. In den Liederbüchern der Nationalsozialisten
haben wir aber weiter keine weiteren Spuren gefunden.
Die verschiedenen Versionen sind selten
hundertprozentig identisch. Es dürfte ein Indiz dafür sein,
dass das Lied vielfach mündlich weitergegeben wurde. Auch
verändern die Versionen inhaltlich eigentlich nichts Wesentliches.
Änderungen sind z. B.:
1,2: weite, schöne Welt / schöne, weite
Welt
1,4: In Feld und Wald / in weite Welt
2,2: fernes, fremdes Land / schönes fernes
Land
Wichtigere Veränderungen gab es Barbara Boock
zufolge in den Zeugnissen aus der mündlichen Überlieferung.
So heißt es aus Quellen im Deutschen Volksliedarchiv aus dem Jahr
1930 mit einer Variante der Englertschen Melodie z.B.: „Mädel laß den
Kopf nicht hängen“ bzw. „Mädel schnall den Rucksack über“ (DVA A
117.820). Bezüglich der Melodie ist noch zu sagen, dass auch bei
Englerts Melodie Änderungen durch die Sänger vorgenommen
worden waren. So beklagte bereits der Herausgeber , vermutlich Englert
selber, dass am Schluss der jeweiligen Strophen bei „jung“
der Rhythmus „oftmals falsch gesungen“ wurde. Aus den
Viertelnoten habe „die Jugend Halbe gemacht“.
Quelle:
Hamburger Liederblatt, herausgegeben vom
Arbeiterjungendbund Groß-Hamburg, o. J. (ca. 1920) Nr. 1, S. 1.
[für 3stimmigen gem. Jugendchor comp. von M. Englert (1914)]
„Gesammelte Lieder der ARBEITER-JUGEND von
der Wasserkante – 1. Folge (Hrsg. v. Arbeiter-Jugendbund von
Groß-Hamburg), 1920-1922
Max Laudan, Hamburger Jugendlieder. 1. Heft
Wanderlieder, Hamburg, Ostern 1924 (Verlag der Buch-Ein- und
Verkaufsgenossenschaft Hammerbrook e. G. m. b. H.), S. 3 (2stimmiger
Notensatz), S. 3.
E. R. Müller, Das Weimar der arbeitenden
Jugend. Niederschriften und bilder vom ersten Reichsjugendtag der
Arbeiterjugend vom 28. bis 30. August 1920 in Weimar. Hrsg. v.
Hauptvorstand des Verbandes der Arbeiterjugendvereine Deutschlands,
Berlin 1920/21
Proletarier singe. Kampf- und Volkslieder, HH Juli
1919 (3 Versch. Tit, S. 103.
Das Rüpellieder-Buch. Von Landsknechten,
Kriegsleuten und wilden Gesellen (Neudruck 16.-20. Tsd.), Liederblatt
der Hagener Ortsgruppe „Die Rüpel im „Wandervogel e.
V.“ Iserlohn 1925, Nr. 30, S. 29.
Hugo W. Schmidt, Uns geht die Sonne nicht unter.
Lieder der Hitler-Jugend, Köln 1934, S. 97.
Fritz Sotke, Unsere Lieder. Ein Liederbuch
für die wandernde Jugend, Iserlohn (Buchschmuck von Walter
Jüngst), 1. 6. Tausend, 1927, S. 8f.
Fritz Sotke, Unsere Lieder, Iserlohn (7. stark
vermehrte Aufl., 37.-50. Tsd.) 1926, Nr. 32, S. 21f.
Karl Templin, Wann wir schreiten
„Seit’ an Seit’“. 50 Lieder in ein- und
mehrstimmigem Satz (18. Aufl.) Köstrin i. Pom. 1931.
Hermann Volkhausen, Hamburger Jugend Lieder,
(Verlag der Buch-Ein- und Verkaufsgenossenschaft Hammerbrook e. G. m.
b. H.), Hamburg 1922, S. 5 (ohne Noten).
Hermann Volkhausen, Hamburger Jugend Lieder,
(Verlag der Buch-Ein- und Verkaufsgenossenschaft Hammerbrook e. G. m.
b. H.), Hamburg 1923, [ohne Noten] (3. Aufl.), S. 6.
Hermann Volkhausen, Hamburger Jugend Lieder
(Verlag der Buch-Ein- und Verkaufsgenossenschaft Hammerbrook e. G. m.
b. H.),, Hamburg 1925, [ohne Noten] (8. Aufl. 35.-40. Tsd), S. 6.
In den Liederbüchern der SPD zwischen 1918
und 1933 ist das Lied zu finden:
Reichsbanner Liederbuch. Eine Zusammenstallung
republikanischer Lieder, alter und neuer Volksweisen (mit einigen
Notenbeigaben) für Fahrten, Feiern und kameradschaftliche
Veranstaltungen des Reichsbanners Schwer-Rot-Gold,
Dortmund-Löttrinhausen, Oktober 1924. Ewald Reincke., S. 19
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Berlin, 1929,
S. 85
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Berlin, 1930,
S. 25
alle Hrsg. Verband der Arbeiterjugend-Verein
Deutschlands
Die Falken singen. Eine Auswahl unserer Lieder,
Herausgegeben von der Reichsarbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde
Deutschlands, Berlin SW 68, Lindenstraße 3, 1931, S. 25.
Sport-Vereinigungen
Der freie Turner (1925) - Arbeiter-Turnverlag
A.G., Leipzig 1925
Verzeichnis der LIEDER (alphabetisch)
Fichte Liederbuch, ca. 1927, S. 152
Liederbücher von KPD, KJVD und RFB
Proletarier singe. Kampf- und Volkslieder, HH Juli
1919 (3 Versch. Tit, S. 103
Mit Gesang wird gekämpft'!, 1922, S. 39.
Mit Gesang wird gekämpft'!, 1924, 21. bis 30.
Tausend, Verlag "Junge Garde" Berlin O 17 - S. 94.
Arbeiter-Lieder (ca. 1929), Eine Sammlung
proletarischer Kampflieder, Wander-, Volks- und heiterer Lieder. - Wien:
Grünberg, 94 S. [Lammel, Biblio. Nr. 4040, S. 67 [wie Nr. 359 ],
S. 120.
Arbeiter-Lieder (ca. 1930), KJVD, Verlag Junge
Garde: Hermann Remmele, Berlin, S. 130.
Spätere Aufarbeitungen:
Barbara Boock, »Wir sind jung, die Welt ist
offen ...«. Zur Überlieferungs- und Melodiegeschichte eines
Liedes. In: Musikalische Volkskunde und Musikpädagogik.
Annäherungen und Schnittmengen. Festschrift für Günther
Noll zum 75. Geburtstag. Hg. von Gisela Probst-Effah. Essen 2002, S.
42-52