Sozialdemokratisches Bundeslied
1. Willkommen ihr, der Freiheit Söhne,
Im volk-erlösenden Verein!
Laßt brausen eh’rner Lieder Töne,
:/: Die laut in’s Ohr der
Mächt’gen schrei’n: :/:
Den wilden Nothschrei aller Sclaven
Um Recht und Brod! um Fried’ und Licht, -
Und mit dem Lärmruf zum Gericht
Erweckt die Letzten, die noch schlafen:
„Tod jeder Tyrannei!
Die Arbeit werde frei!
Es keim’ und blüh’ zum
Völkerglück
Die rothe Republik!“
Ihr kennt die Welt-Tyrannen alle,
Aus deren Grab die Freiheit blüht,
Aus deren Flammen-Trümmerfalle,
./: Der Stern der neuen Welt erglüht! :/:
Ob sie nun unter blut’gen Kronen,
Ob unter Mommons Götzenbild,
Ob unter Helm und Wappenschild
Sich müht, die Arbeit ist verrathen.
„Tod jeder Tyrannei!
Die Arbeit werde frei!
Es keim’ und blüh’ zum
Völkerglück
Die rothe Republik!“
3. Frei endlich soll die Arbeit werden,
Genießen ihres Fleißes Frucht!
Zu Noth nicht länger und beschwerden
:/: Sei sie um Wen’ger Lust verflucht! - :/:
Ob sie mit Schwert nun, Pflug und Spaten,
Ob mit der Hände Schick und Kraft,
Ob sie mit Kunst und Wissenschaft
Sich müht, - die Arbeit ist verrathen!
„Tod jeder Tyrannei!
Die Arbeit werde frei!
Es keim’ und blüh’ zum
Völkerglück
Die rothe Republik!“
4. Zum Glück der Völker keim’ und
blühe
Der Staat des Rechts: die Republik!
In ihm sei Segen uns’re Mühe,
:/: Die Liebe uns’re Politik! :/:
Und wie wir Alle gleich geboren,
Sei gleich für Alle Recht und Pflicht,
Und Keiner sei für Freud’ und Licht
Und seine seligkeit verloren!
„Tod jeder Tyrannei!
Die Arbeit werde frei!
Es keim’ und blüh’ zum
Völkerglück
Die rothe Republik!“
5. Die rothe Republik, die rothe,
Das Ideal der Sympathie,
Die nur dem einzigen Gebote
:/: Der Nächstenliebe beugt das Knie! :/:
Roth, wie der Jugend Herzenswonne,
Roth, wie des Lebens heil’ge Gluth,
Roth, wie des Welt-Erlösers Blut,
Roth, wie der Schein der Morgen-Sonne.
„Tod jeder Tyrannei!
Die Arbeit werde frei!
Es keim’ und blüh’ zum
Völkerglück
Die rothe Republik!“
Geschichte / Kommentar:
Carl Weisers „Sozialdemokratisches
Bundeslied“ nach der Melodie der Marseillaise gehört zu den
eher kurzlebigen Liedern, die mit der Audorfschen
„Arbeitermarseillaise“ nicht mithalten konnten.
Quellen:
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von
verschiedenen Arbeiterdichtern. Gesammelt von Joh. Most, 3. verbesserte
Aufl., Chemnitz 1873, Druck und Verlag der
Genossenschafts-Buchdruckerei Lindenstraße Nr. 28.
Sozialdemokratisches Liederbuch. 8.
veränderte Aufl., Zürich, Verlag der Volks-Buchhandlung,
1885, Nr. 5
Hermann Schlüter, Sozialistisches
Arbeiter-Liederbuch Chicago, o. J. (ca. 1906), Nr. 67