Arbeiterlied
1. Wie ein Geist mit Feuerflammen
Geht ein Wort von Land zu Land:
Schaart das arme Volk zusammen,
Schlingt ein starkes Bruderband!
Nicht aus übermüth’gem Streben,
Stammet dieses Eintrachtswort -
S’ ist ein großer Kampf ums Leben,
Der uns eint in Süd und Nord.
Chor: Wer das große Wort vernommen,
Aus des Zeitgeist eh’rnem Mund,
Trete ein in unsern Bund,
Sei als Bruder uns willkommen.
2. In dem Kampf um’s karge Leben
Seufzt das Volk, das Alles schafft,
Muß für Andre Schätze heben -
Andern nur nützt seine Kraft.
Weib und Kinder müssen darben -
Schafft der Mann auch Tag und Nacht;
Denn der Arbeit gold’ne Garben
Werden Andern nur gebracht.
Chor: Brüder, eint euch voll Vertrauen,
Reicht die Hand euch in der Noth -
Kämpft um euer täglich Brod -
Eine Hütte laßt uns bauen.
3. Eine Hütte, die uns schützet
Gegen unsrer Herren Macht,
Eine Hütte, die uns stützet,
Wenn der müde Leib erschwacht.
Und an ihre schlichten Wände
Schreiben wir ein neues Recht:
„Brot für alle fleiß’gen
Hände!“
„Keiner sei des Andern
Knecht!“
Chor: Aus der Geistesnacht zum Lichte -
Über Herrentrotz und Wahn -
Unaufhaltsam seine Bahn
Rollt das Rad der Weltgeschichte.
4. Ob sie schmäh’n mit Schimpf und
Lügen-
Schon schreibt eine bleiche Hand
Mit gewalt’gen Flammenzügen
Zukunftsworte an die Wand.
Seht ihr’s: „Mene, Tekel,
Phares!“
Wie beim Mal des Belsazar -
Als ein Wort, ein ewig wahres -
Wenn der Stolz am größten war.
Chor: Unbeirrt von eurem Hasse,
Nur bestärkt durch eure Wuth,
Brechen wir mit festem Muth
Unsrer Zukunft eine Gasse.
5. Drum, ihr Brüder, festgehalten
An dem Werke, das uns hebt,
Daß der Bruderliebe Walten
Bald die ganze Welt durchschwebt.
Laßt vom Zukunftdrang euch tragen!
Öffnet ihm die Herzen weit!
Dann wird bald die Stunde schlagen
Einer bessern Menschlichkeit.
Chor: Schließet dichter eure Glieder!
Laßt das Bundesbanner weh’n,
Daß es sei von allen Höh’n
Kampf- und Siegesgruß der Brüder.
Geschichte / Kommentar:
Dieses „Arbeiterlied“ schrieb H.
Greulich auf
die Melodie „Freude schöner Götterfunken“,
seinerzeit nicht die Beethoven’sche Fassung, sondern eine
Volksweise aus der Zeit vor 1799.
Quellen:
Liederbücher:
Johann Most (erste Auflage vor 1873), S. 53.
Most’s Proletarier Ldb. 5, (Gustav Geilhof),
S. 40.
Max Kegel’s Sozialdemokr. Ldb., Stuttgart
1991, S. 7.
Max Kegel’s Sozialdemokr. Ldb, (8. Aufl.),
Stuttgart, 1897, S. 9
Schlüter, Arb-Ldb, Chicago 1906, S. 8.
Sonstige Quellen:
Franz Magnus Böhme, Volksthümliche
Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert, Leipzig 1895, Nr. 303.