Freie Presse
1. Wer ist’s, der im wogenden Geisterstreit
Uns liefert die Waffen, die blanken?
Wer ist’s, der im Ringen der gährenden
Zeit
Die Bahn bricht den neuen Gedanken?
:,: Wer schleudert die Blitze mit aller Gewalt
Herab auf die Knechtschaft in jeder Gestalt? :,:
2. Das sind die Blätter, die unverzagt
sich stellen in Schlachtenreihe;
Zu schützen das arme, getretene Volk.
Das ist die Presse, die freie.
:,: Zu Schutz und Trutz eine reisige Wehr,
Des Volkes Schild und des Volkes Speer :,:
3. Wer ist’s, der da duldet in Kerkernacht,
Der Freiheit fern und dem Lichte?
Wer ist’s, der beherzt an den Pranger
gebracht
Die volksausbeutenden Wichte?
:,: Wer legt die Finger trotzig und hart
In die klaffenden Wunden der Gegenwart? :,:
4. Das sind die Männer, die kämpfend
steh’n,
In vorderster Schlachtenreihe,
Das sind die Redakteure des Volks,
Das ist die Presse, die freie.
:,: Wir haben auf keinen Sand gebaut,
Wenn die Presse nur „feste um sich
haut“ :;.
5. Die freie Presse, sie kämpft und ficht
Für uns’re erhabebe Lehre,
Sie trägt in die Hütten der Wahrheit
Licht
Und sammelt der Schaffenden Heere,
Sie streitet und wirbt ohne Unterlaß
Und trotze der Gegner fanatischem Haß.
6. Drum kämpfe auch du, mein schaffend Volk,
Für deine Presse, die freie,
Die stets für dich und dein heiliges Recht
Gestritten in vorderster Reihe.
:,: Der freien Presse befreiender Macht
Sei heute ein jubelndes Hoch gebracht. :,:
Geschichte / Kommentar:
Das Lied zur Pressefreiheit schrieb Ernst Klaar,
der zeigt, dass die Nichtverlängerung der Sozialistengesetze noch
noch wirklicher Freiheit weit entfernt war. Es erschien 1895 im
„Demokratischen Liederbuch“ aus Stuttgart.
Als Melodie wurde „Wohlauf Kameraden auf’s Pferd, angegeben. Ob diese Angabe von
Klaar oder den Herausgebern des „Demokratischen
Liederbuchs“ stammt ist allerdings nicht klar, jedenfalls wurde
folgende Bemerkung angehängt:
NB. Um das Lied nach der angegebenen Melodie
singen zu können, haben wir dem Original je 2 Zeilen am
Schluß des 2., 4. und 6. Verses hinzugefügt.
Quelle:
Demokratisches Liederbuch zum Gebrauch der
Volksvereine, Hrsgg. von einer Kommission des Demokratischen Vereins in
München, Verlag von Robert Lutz, Stuttgart, 1895. Nr. 40, S. 42f.