Der Bruderbund
1. Wenn wir nicht selber für uns sorgen,
Uns bruderliebe nicht durchweht,
Wenn nur das Heute, nicht das Morgen
Auch klar uns vor der Seele steht,
Wenn Eigennutz den Schritt nur lenket,
Wenn wir stabil durch’s Leben geh’n:
Wenn Jeder nur sich selbst bedenket,
Dann wird’s einst traurig um uns
steh’n
2. O, glaubt mir’s, Brüder aller Orten,
Dann müssen wir zu Grunde geh’n;
Und wohl noch gar an fremden Pforten
Durch eig’ne Schuld einst bettelnd
steh’n! -
Doch wenn wir brüderlich mitsammen
Berathen allerwärts, Hand in Hand,
Gleichviel, aus welchem Land wir stammen,
Im Geiste bleiben uns verwandt.
3. Wenn wir das Gute stets zu eigen
Uns machen, wo wir’s treffen an,
Als Männer jederzeit uns zeigen,
Nie weichen von des Rechtes Bahn,
Doch auch des Rechts uns nicht begeben,
Das Jedem, noch so warm, gebührt,
Dann krönet Segen unser Streben,
Wenn’s auch erst spät zum Ziele
führt!
Geschichte / Kommentar:
Ferdinand Braun schrieb das Lied auf die Melodie
„Leb wohl, du theures Land“. Es war hauptsächlich in
den Liederbücher 1870er/80er Jahre zu finden.
Quellen:
Liederbücher der Arbeiterbewegung im 19. Jh.
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von
verschiedenen Arbeiterdichtern, 3. verbesserte Aufl., Druck und Verlag
der Genossenschafts-Buchdruckerei Lindenstraße Nr. 9, Chemnitz
1873, Nr. 24;
Gustaf Linke, Zeitgem. Volkslieder, Dresden 1872,
Nr. 20;
Sozialdemokratisches Liederbuch. 8.
veränderte Aufl., Zürich, Verlag der Volks-Buchhandlung,
1885, Nr. 44;
Sozialdemokratisches Liederbuch. Sammlung
revolutionärer Gesänge, 12. Auflage, German Printing and
Publishing Co., London 1889, Nr. 49;
Max Kegel’s Sozialdemokratisches Liederbuch,
(3. Aufl.) Stuttgart 1891, Nr. 18;