Bertrands Abschied*
1. Leb' wohl, du theures Land, das mich geboren:
die Ehre ruft mich wieder fern von hier.
Doch ach! die süße Hoffnung ist
verloren,
die ich gehegt, zu ruhen einst bei dir.
Der Held, deß Name' füllt die weite
Erde,
hat mich mit Freundschaftsgüte
überhäuft;
: : ich war in Ruhm und Glück stets sein
Gefährte,
ich will es auch im Unglück stets noch sein. :
,:
2. Viel Tausend sonnten sich in seinem Blicken,
und dankten seiner Güte Ehr und Glück;
doch kaum verließ der Sieg des Helden
Schritte,
so zogen jene treulos sich zurück.
Doch mich schreckt nicht der Wechsel dieser Erde,
ich bleib ihm treu und will mich ganz ihm weih'n.
Ich war in …
3. Ein nackter Fels, fern von Europa's Küste,
war zum Gefängniß ewig mir bestimmt;
nicht Freundes Trost dringt je in diese
Wüste,
kein Wesen ist, das Theil am Schmerz hier nimmt.
Doch wenn ich Tröster meinem Kaiser werde,
so wird mein Schicksal dennoch herrlich sein.
Ich war in …
4. Und ist die Siegesbahn auch ihm verschlossen,
Winkt ihm kein Lorbeer mehr und keine Kron',
Will ihn die Welt aus ihrem Schoß
gestoßen,
wird dieser Fels sein Grab und stiller Thron.
Vergebens ruft die Welt mich einst zurück,
ich kann nur ihm des Herzens Triebe weih'n;
ich theilte stets des Helden Ruhm und Glücke,
ich will nun überm Grab' treu ihm sein.
* General Bertrand, der treue Begleiter Napoleons
nach der Insel Helena, wo er bis zu dessen Tod blieb, starb 1844 den
31. Januar in seiner Vaterstadt Chatheaurour. (Böhme)
Geschichte / Kommentar:
Der Verfasser dieses Liedes, das kurz nach 1815
entstanden ist, ist nicht bekannt. In dieser Fassung wurde es
durch fl. Bl., in Halle und Leipzig gedruckt. Böhme zufolge war es
noch um 1820/30 verbreitet. Nach 1830, als man das Schicksal Polens mit
großer Anteilnahme besang, kam es wieder zu Gehör.
Böhme vermerkt weiter:
„Auf fl. Bl. ist dem Liede als Melodie
vorgeschrieben: Denkst du daran, o tapfrer Lagienka etc. Letzteres Lied
datirt erst von 1826, villeicht ist auch das Bertrandlied nicht
älter. Ich gebe die Melodie aus Greßler’s Musikal.
Anthologie, Sondershausen, 1830. 1. Heft Nr. 3 u. Härtel’s
Liederlexicon Nr. 465.“
Der Komponist der Melodie ist Friedrich
Glück, nach seiner eigenen Aussage an dem Musikdirector und
Seminarlehrer Weber in Nürtlingen 1838 s. „Neue Zeitschrift
für Musik“, 1838, Nr. 28.
Quelle:
Franz Magnus Böhme, volksthümliche
Lieder der Deutschen, Nr. 95, S. 80f.