Der kleine Trompeter
(Erinnerung an St. Sowplet, Nov. 1914)
1. Von allen Kameraden
war keiner so frohgemut
als unser kleiner Trompeter -
Ein jung' Husarenblut.
2. Wenn uns der Mut wollt' sinken
manchmal in stürmischer Nacht -
mit trauten Heimatliedern
hat er uns stark gemacht.
3. Hat oft um unsertwillen
vergessen die eigene Not -
ein trutzig Stücklein geblasen,
umlauert vom frühen Tod.
4. Und als ihn die Kugel getroffen
mitten beim frohen Lied -
Mit einem seligen Lächeln
unser kleiner Trompeter schied.
5. So nahmen wir den Spaten
und gruben ein tiefes Grab,
und die ihn am liebsten hatten
sie senkten ihn still hinab.
6. Von allen Kameraden
war keiner so frohgemut!
Fahr wohl, du kleiner Trompeter -
Fahr wohl, Jusarenblut!
V. Gorski, Leipzig-Lindenau, in: „Leipziger
Neueste Nachtrichten", 21. Februar 1915.
1 Von all den vielen Trompetern
war keiner so lieb und so nett
als unser kleiner Trompeter,
der kleine schmucke Kornett.
2. Wir saßen so fröhlich beisammen
in einer sehr stürmischen Nacht,
da kam eine feindliche Kugel,
hat ihn ums Leben gebracht.
3. Da nahmen sie Schippe und Spaten
und gruben ein tiefes Loch,
Und die ihn am liebsten hatten,
die senkt6en ihn in die Gruft.
4. Fahr wohl, du kleiner Trompeter,
wir hatten dich alle so lieb.
Wir, die dich am liebsten hatten,
wir senkten dich in die Tief.
Alikendorf, Anhalt, 1930 aufgezeichnet. –
Niederteut. Zeitschr. f. Volksk. 19,111.
Die kommunistischen Versionen
(ab 1926 in Liederbüchern)
1. Von all unsern Kameraden
war keiner so lieb und so gut,
|: als unser kleiner Trompeter,
ein lustig’ Rotgardistenblut, :|
2. Wir saßen so fröhlich
beisammen,
in einer so stürmischen Nacht.
|: Mit einem seligen Lächeln,
unser kleiner Trompeter, er fiel, :|
3. Da kam eine feindliche Kugel
bei einem so fröhlichen Spiel.
|: Mit einem seligen Lächeln,
unser kleiner Trompeter, er fiel. :|
4. Da nahmen wir Hacke und Spaten
und gruben ihm ein Grab.
|: Und die ihn am liebsten hatten,
die senkten ihn stille hinab. :|
5. Schlaf wohl, du kleiner Trompeter,
wir waren dir alle so gut.
|: Schlaf wohl, du kleiner Trompeter,
du lustig Rotgardistenblut. :|
Arbeiterlieder, Verlag Junge Garde, Berlin [um
1926]
kommunistische Version
nach Zeitzeugen
1. Von allen unsern Kameraden
war keiner so lieb und so gut
als unser kleiner Trompeter,
hei, lustig Rotgardistenblut
2. Wir saßen so fröhlich beisammen
in einer so stürmischen Nacht,
mit seinen Freiheitsliedern
hat er uns so fröhlich gemacht.
3. Da kam eine feindliche Kugel
bei einem so fröhlichen Spiel,
mit einem so seligen Lächeln
unser kleiner Trompeter, er fiel.
4. Da nahmen wir Hacke und Spaten
und gruben für ihn ein Grab,
und die ihn am allerliebsten hatten,
die senkten ihn traurig hinab.
5. Schlaf wohl, du kleiner Trompeter,
dir waren wir alle gut
Schlaf wohl, du kleiner Trompeter,
hei, lustig Rotgardistenblut!
6. Da erhoben wir drohend die Fäuste:
Wir sind zur Rache bereit!
Wir werden nicht ruhen, nicht rasten,
bis die Welt wird von euch befreit!
Nach Steinitz, S. 539:
BVA, Sammlung Steglich Nr. 561:
"Fußballmannschaft, Cossebaude (Sachsen], 10.6.1928."
Steglich verweist auf die Leipziger Neuesten Nachrichten vom 9.8.1915:
"Eine Komposition von Th. Hagedorn mit anderer Melodie und 3
Versen."
Geschichte / Kommentar:
Das Soldatenlied
Am 21.2.1915 erschien in den Leipziger Neuesten Nachrichten das oben
zitierte Gedicht von V. Gurski,
Leipzig-Lindenau, unter dem Titel
„Der kleine Trompeter“: Am 9. August des gleichen Jahres
erschien in derselben Zeitung die Vertonung von Th. Hagedorn. Während des
Ersten Weltkrieges wurde das Lied offenbar gesungen, war aber wohl
nicht sehr verbreitet. Schumacher, Soldatenlied hat es nicht in seinem
Verzeichnis der deutschen Soldatenlieder des ersten Weltkrieges und
auch im DVA gibt es laut Steinitz keine weiteren Belege. Er
dokumentiert aber ein „stark umgesungene Fassung“ (Version
F), die A. Wirth 1930 aus Alikendorf (Anhalt) hatte (s.o.).
Die kommunistischen Versionen (ab 1926)
Das Lied des kleinen Trompeters ist die
kommunistische Variante des obigen Soldatenliedes des Ersten
Weltkrieges. Ihr lag ein Ereignis zu Grunde, das sich in Halle am 13.
März 1925 anlässlich des Wahlkampfes abspielte und in dessen
Folge mehrere Menschen ums Leben kamen. Unter ihnen befand sich auch
der Trompeter des örtlichen Roten Frontkämpferbundes
Friedrich Weineck.
In den kommunistischen Liederbüchern ab 1926
ist der Text im Wesentlichen identisch. Lediglich im
„Arbeiter-Kampfliederbuch“ von Paul Schmidt (Ca. 1930)
wurden „Heimatlieder“ in „Freiheitsliedern“
verändert.
Anders verhält es sich mit den von Wolfgang
Steinitz dokumentierten Erinnerungen von Zeitzeugen. So berichtete
„Paul Högerl aus Neuruppin (1958)“ von einer
Zusatzstrophe, die von der Kommunistischen Jugend 1931/32 in
München gesungen worden sei:
„Dann hoben wir drohen die Fäuste:
Wir stehen zur Rache bereit!
Wir werden nicht ruhen, nicht rasten,
bis die Welt ist vom Elend befreit!“
Hilde Meyer aus Berlin berichtete 1959 von
„Mitgliedern des KJVD im Bezirk Prenzlauer Berg“, die die
folgende andere Schlussstrophe gesungen hätten: