ALAL-oben-25.jpg
0-Arb-Lied-12c.jpg
 
Arbeiterliedarchiv
Lancken
im e.V.
Musik von unten
Ein Leben

1. Sein Vater war ein armes Luder,  
der sich ein armes Luder nahm.
Am Hungertuche nagte beide –
er war schon übrig eh’ er kam.

2. Zeit zur Erziehung hatte niemand –
drum ließ man der Natur den Lauf.
So wuchs der Proletarierknabe
als freies Kind der Straße auf.

3. Von Elternliebe kannt er wenig:
Denn in des Kummers eis’gem Hauch
da stirbt der Liebe Lotosblume. –
Der Magen frißt das Herz – sein Brauch.

4. Und außer rechnen, schreiben , lesen
in seiner Schul’ Elementar –
da lernt er auch das Liebesdrama
von Joseph und der Potiphar.

5. Dann an der Lehrzeit Marterpfahle
schlich traurig hin nun Jahr um Jahr; -
bis daß auch dieser Prügelkursus
bei wenig Lern’ zu Ende war.

6. Jetzt war er frei – jetzt konnt er wandern
frei! – Welcher Hohn! – Dies Freisein hieß
aus einem Käfig in den andern,
bis einstens ihn die Kraft verließ.

7. Und „auf der Walze“ freiem Leben
da sah er scharen zieh’n durchs Land
von „Tippelschicksen“ (1), „Wolkenschiebern“ (2)
und „duften Kunden“ (3) allerhand.

8. So zog er rüstig seine Straße,
er schaffte hier, er schaffte dort.
Doch wenn die Arbeit ging zu Ende –
da mußt er eben wieder fort.

9. So lebte er mit tausend andern.
Er nährete sich schlicht und recht.
Bezahlte immer seine Schulden
und blieb sein leben lang ein Knecht.

10. Und als er krank und Invalide –
mit elf Mark Monatshonorar,
konnt er als Reichsrentier nun prassen
und leben wie ein Bourgeois.

11. Er kroch herum auf dem Planeten
zu seiner und zu andrer Qual,
und eines Tages nun da starb er
halt eben in dem Hospital.

12. Da er an eine Krankenkasse
nicht den geringsten Anspruch hat,
begrub man ihn als Ehrenbürger
Auf Kosten seiner Vaterstadt.

13. Man legt ihn in die Nasenquetsche (4)
des Erdenglücks verstoßnen Sohn,
und fuhr ich lautlos fort – dem läuten
läßt keine Armendirektion.
Andere Titel: 
Text: Emil Nicolai,
Melodie:
Noten:
Vorlage:
Kategorie: Vagabunden, Kunden,
Zeit:
Geschichte / Kommentar: 

Ein Gedicht (oder auch Lied) von Emil Nicolai aus Hans Ostwalds „Lieder aus dem Rinnstein“. Eine Melodie ist allerdings nicht erwähnt.



Worterklärung nach Hans Ostwald:
1) Tippelschicksen sind auf der Wanderschaft befindliche Frauenspersonen, die selten größere Strecken gehen, sondern sich an eine Mannsperson anschließen, tagelang mitgehen eventl. für sie betteln und mit dem nächsten besten wieder zurück wandern.
2) Wolkenschieber, ungelernte Arbeiter.
3) Dufte Kunden. Handwerksburschen, die sich auf der Walze auskennen! im Gegensatz zu linker Kunde oder Linkmichel.



Quelle:
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein, Bd. 2, Leipzig / Berlin 1904, S. 79f. .



 
 
 
 
 
Reinh-4-6bx.bmp
 
A
J
S
B
K
T
C
L
U
D
M
V
E
N
W
F
O
X
G
P
Y
H
Q
Z
I
R
Home  
Aktuelles / Termine
Liederwerkstatt
Publikationen

Volksliedarchiv Lancken
Das Volkslied
Historisches Lied
Hochzeit und Ehestand
Berufständisches Lied
Soldatenlied
Kinderlied
Volkstanz
Heimatlied
Balladen
Sitte und Brauch
Tod und Begräbnis
Das erotische Lied

Arbeiterliedarchiv Lancken
Stichworte 
Zeit / Epoche 
Bauernkrieg,
Freiheitskriege,
Vaterland,
Heimat,
Hymne,
Polenlieder,
Deutsch-Französischer Krieg 1870-71,
Sedanfeier,
Handwerksburschen
Deutscher Bund (1815-66)
1848
Norddeutscher Bund (‘66-71)
DAS
Instrumentalmusik
Polenlieder
Vagabund Kunde Monarch
Vom Kaiserreich zum 1. WK
1. Mai / 8 Stundentag
Soldatenlied

Weimarer Republik
Frontkämpferlied
Jugendbewegung
Partei / Gruppe
Sport - Radfahrer - Turner
Agitprop
Frauen / Emanzipation
Liedverbote
Bauern - Landagitation
Feiern, Fest usw.

Nationalsozialismus u. 2. WK
BRD
DDR

Personen
Synonyme
Berufe / Geschäfte
Glaube / Einstellung
Liederbuch