Nachruf
1. Noch ist kein Fürst so hochgefürstet
So auserwählt kein ird’scher Mann,
Daß, wenn die Welt nach Freiheit
dürstet,
Er sie mit Freiheit tränken kann,
Daß er allein in seinen Händen
Den Reichtum alles Rechtes hält,
Und an die Völker auszuspenden
So viel, so wenig ihm gefällt.
2. Die Gnade fließet aus vom Throne,
Das Recht ist ein gemeines Gut,
Es liegt in jedem Erdensohne,
Es quillt in uns wie Herzensblut;
Und wenn sich Männer frei erheben
Und treulich schlagen Hand in Hand
Dann tritt das innre Recht in’s Leben
Und der Vertrag gibt ihm Bestand.
3. Vertrag: es ging auch hier zu Lande
Von ihm der Rechte Satzung aus,
Es knüpfen seine heil’gen Bande
Den Volksstamm an das Fürstenhaus.
Ob einer im Palast geboren,
In Fürstenwiege sei gewiegt,
Als Herrscher wird ihm erst geschworen,
Wenn der Vertrag besiegelt liegt.
4. Solch’ teure Wahrheit war erfochten
Und überwunden ist sie nicht.
Euch Kämpfer ist kein Kranz geflochten,
Wie der beglückte Sieg ihn ficht:
Nein, wie ein Fähnrich wund und blutig
Sein Banner rettet im Gefecht,
So blickt ihr tief gekränkt, doch muthig
Und stolz auf das gewahrte Recht.
5. Kein Herold wird’s den Völkern
künden
Mit Pauken- und Trompetenschall
Und dennoch wird es Wurzel gründen
In deutschen Gauen überall,
Daß Weisheit nicht das Recht begraben,
Noch Wohlfahrt es ersetzen mag,
Daß bei dem biedern Volk in Schwaben
Das Recht besteht und der Vertrag.
Geschichte / Kommentar:
Das Lied wurde 1817 von Ludwig Uhland (1817)
geschrieben. Wir haben es in dem Liederuch des Bildungsvereins für
Arbeiter in Hamburg aus dem Jahr 1855 als aus der Praxis heraus
nachgewiesen gefunden. Ein weiteres Dokument liegt vor in dem
„demokratischen Liederbuch“ vom 1895. Dort heißt es
zur Erklärung:
„Will man heute dieses Lied bei
Versammlungen singen, so wird man besonders außerhalb
Württembergs wohl den 3. und 5. Vers auslassen und dafür als
eine Art Nachwort vielleicht folgenden Vers benutzen können, der
auf einer Münchner Versammlung 1895 zur Feier der Ablehnung der
Umsturzvorlage hinzugefügt wurde:
6. So klingt der Sang aus fernen Tagen,
Mahnt an der Väter Kampf und Sieg;
Sie schworen ohne schwankend Zagen
Der Freiheit Treu, der Willkür Krieg.
Und droh’n auf’s neue heut Gefahren,
Sind wir ein schwächeres Geschlecht?
Nein, nein, wir wollen kämpfend wahren
Des Volkes Freiheit, unser Recht
Scherenberg (1869). [Laut Ergänzung am Ende
des Heftes ist – ohne Begründung - der Name zu streichen
Quellen:
Deutsche Lieder, Herausgegeben vom Bildungs-Verein
für Arbeiter in Hamburg, Hamburg 1855 Im Verlag des
Bildungs-Vereins, Druck von A. F. M. Kümpel, große
Reichenstraße Nr. 52, S. 70f. .
Demokratisches Liederbuch zum Gebrauch der
Volksvereine, Hrsgg. von einer Kommission des Demokratischen Vereins in
München, Verlag von Robert Lutz, Stuttgart, 1895. Nr. 18, S. 20