Neger
Im Jahr 2021 gab es verschiedene Ereignisse, die
sich um den Begriff Neger drehten. Wir wollen auf dieses Thema
eingehen, da sich hinter den Auseinandersetzungen auch andere, wichtige
Themen unserer Zeit verbergen.
Wir beginnen den Disput mit einem „offenen
Brief“, den Dr. Werner Hinze im November des Jahres an den NDR
sandte:
Offener Brief an den NDR
und die „öffentlich-rechtlichen“
Medien im allgemeinen
Am vergangenen Wochenende sah ich mir die
Sportschau im NDR an, in der Jimmy Hartwig als Gast eingeladen war.
Thema war außerdem Uwe Seeler und der HSV. Da ich Ende der 1950er
und Anfang der 1960er Jahre Mitglied im HSV war und auch bei Uwe
Seelers Hochzeit bei den Jungen war, die vor dem Restaurant, in
dem gespeist wurde, Spalier standen, hatte ich natürlich einen
persönliche Bindung zu diesem Ereignis.
Als dann aber der Moderator im Gespräch mit
Jimmy Hartwig auf das Thema „Rassismus“ kam, meinte er wohl
wieder besonders korrekt zu sein und sprach von einem
„N-Wort“. Da eröffneten sich mir automatisch
Erinnerungen aus den 1960er Jahren.
Als ich 1968 auf die Straße ging, wollte ich
wie viele andere auch, gegen den Vietnamkrieg, die verkrusteten
Strukturen in Familie und Gesellschaft und für die Aufarbeitung
unserer Geschichte protestieren. Damals wäre ich fast von der
Polizei erschossen worden, einfach weil ich da war. Und es waren auch
die Ordnungshüter, die mich aus der Wache hinauswarfen, nachdem
ich nachts von rund 15 Rockern zusammengeschlagen worden war, und ich
darum bat, dort zu verweilen bis die erste Bahn fuhr, um nach Hause zu
kommen. Doch ich erinnerte mich auch an das „F-Wort“, das
wir damals nicht aussprechen durften – noch bevor wir
überhaupt wussten, was sich dahinter verbarg.
Inzwischen ist einiges passiert, viel Gutes, aber
auch einiges Schlechtes. Alles aufzuführen würde den Rahmen
sprengen und zu nichts führen.
Aber, was musste ich im Mai 2021 hören, da
habe einer von den Grünen das „N-Wort“ gesagt. Ich
brauchte einen kleinen Augenblick, um zu begreifen, dass damit das Wort
„Neger“ gemeint war. Ich habe mich seitdem bemüht,
etwa über den Begriff, dessen anfängliche Verwendung und die
Zusammenhänge in Erfahrung zu bringen. Dabei muss man ziemlich
genau schauen welcher Autor was schreibt, denn hinter jedem Menschen
befindet sich eine Vorstellung, weshalb er gerade diesen Aufsatz oder
jenes Buch geschrieben hat. Da haben Leute, die sich akribisch
bemühen, Licht ins Dunkel zu bringen, aber auch – und das
sind leider nicht wenige – die sich immer noch im Modus des
Kalten Krieges befinden und unbedingt beweisen wollen, dass der Westen
die Wurzel allen Übels ist. Kurz gesagt, es ergibt sich folgendes
Bild: Der Begriff „Neger“ steht einerseits im direkten
Zusammenhang mit der Kolonisation, aber es gibt andererseits auch eine
lange Zeit der zivilen Nutzung des Begriffs im ganz normalen Alltag und
da bedeutete er nichts anderes als „Schwarzer“.
Wenn sich die Situation ändert, kann es
natürlich sein, dass ein Begriff seine Bedeutung wandelt, aber das
ist nicht geschehen. Doch, wie Jimmy Hartwig verdeutlichte, wurde er
aus den Zuschauerrängen heraus als „Negerschwein“
beschimpft, das ist natürlich etwas anderes und eindeutig
rassistisch. Jimmy Hartwig hat übrigens zu Recht wesentlich
unaufgeregter reagiert, als manche, die sich zum Hüter unserer
Sprache aufspielen.
Im Rahmen meiner Arbeit zur politischen Bildung
und Aufarbeitung der Vergangenheit mit Zeitzeugen habe ich einerseits
viele unterschiedliche Situationen kennen und beurteilen lernen
können, auf keinen Fall aber war Verdrängung ein geeignetes
Mittel die Vergangenheit zu verarbeiteten. Und damit komme ich zu den
wichtigen Erkenntnissen, die sich aus Ihrer Zensurmaßnahme ergibt:
1. Verschweigen oder nicht benennen steht im
krassen Gegensatz zu einer aufgeklärten demokratischen
Gesellschaft, aber Sie beteiligen sich gerade daran und nehmen damit
daran teil, ein undemokratisches Verhalten zu legitimieren.
2. Niemand hat das Recht ein Wort zu verbieten.
Allerhöchstens die Regierung, doch die wird sich hüten,
denn Verbote von Worten sind der erste Schritt zur Verbrennung von
Büchern.
3. Praktiken von Menschen, die so etwas initiieren
und versuchen, ihre Vorstellungen mit Shitstorm und Ähnlichem
Macht zu verleihen, bewegen sich auf einem Feld, dass nicht erst eine
Vorstufe zu Terror und Kriminalität darstellt.
4. Wenn pubertierende Schüler sich weigern,
einen Text in dem das Wort „Neger“ erscheint, zu bearbeiten
und dagegen nicht ein Aufschrei der Entrüstung erfolgt, läuft
etwas schief in unserem Land. Ich gebe zu, dass ich weder den
betroffenen Lehrer noch den Text kenne und sollte es sich um einen
rassistischen Lehrer handeln, sieht die Sache natürlich anders
aus, denn dann müsste gegen den Lehrer ermittelt werden.
Grundsätzlich aber gehört eine Diskussion über Rassismus
an die Schule und da wäre der Begriff „Neger“ durchaus
geeignet um das Für und Wider herauszuarbeiten.
5. Seit den 1970er Jahren hatte ich die
Grünen gewählt. Seit die sich mehr auf sektiererische
Gruppierungen eingelassen haben und den geschilderten Beispielen
folgend, den demokratischen Sektor verlassen hatten, war es mir bei der
letzten Wahl nicht mehr möglich, ihnen meine Stimme zu geben. Ein
Dilemma, den viele Alternativen gibt es leider für mich nicht.
(Dass Baerbock eine Frau ist, spielte für mich keine Rolle –
nur um bestimmten Verdächtigungen entgegenzutreten)
Ich jedenfalls nehme diese Vorfälle zum
Anlass um Lieder, in denen das Wort „Neger“ vorkommt auf
der Web-Site des e. V. Musik von unten zu dokumentieren. Beispielhaft
erwähnen möchte ich einen unserer großen Dichter,
Ferdinand Freiligrath (ein Name, den der verwöhnte Sohn einer
Politikerin wohl nicht einmal kennt). Eine derartige Beschäftigung
mit der Vergangenheit ist ideal geeignet um die verschiedenartigsten
Themen zu beleuchten und zu besprechen, um daraus mehr über diese
Zeit zu erfahren. (Übrigens könnte auch die Black
Power-Bewegung der 1960er /70er Jahre interessante Aspekte bringen)
Die öffentlich-rechtlichen Medien sollten
sich Ihrer Verantwortung bewusst werden. Deshalb fordere ich Sie auf,
diesen Unsinn zu unterlassen und einer Aufarbeitung unserer Geschichte
nicht weiter im Wege zu stehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Werner Hinze
Lancken (Rom)
6. November 2021
Auffällig ist, dass der Leiter des
Programmbereichs SportZone, eine Formulierung benutzte, die stark an
den derzeitigen Wikipedia Artikel zum Thema erinnert, in dem es
heißt, „Neger gilt ...“ als rassistische Beleidigung.
„Es gilt“ ist allerdings nicht nur eine ungenaue
Beschreibung, es macht auch deutlich, dass die agierenden Personen
überhaupt nicht wissen, wie sich der Hintergrund eigentlich
darstellt. Seit wann „gilt es“ und welche wissenschaftliche
Studie (kein herum theoretisieren oder emotionale Empfindungen) lag
dieser Beurteilung zu Grunde? Aufgrund der so vielen eindeutigen Belege
über eine eindeutig nicht rassistische Nutzung des Wortes, gehen
wir davon aus, dass der Begriff „Neger“ auch nicht
rassistisch ist. Auch Werner HInze stellt klar: „im Laufe meines
Lebens spielte der Begriff zwar keine große Rolle, doch wenn er
benutzt wurde, dann nur im Sinne von „Schwarzer“. Jimmy
Hartwig Beispiel zeigt ja auch, dass der Rassistische Gehalt nur durch
die Kombination mit „Schwein“ entstanden war (gleiches gilt
für die Umwandlung in „Nigger“) .
Wir werden also nicht nur dieser Frage weiter
nachgehen, sondern auch konkrete Beispiele liefern, die das genaue
Gegenteil dokumentieren. Bei Wikipedia ist als Fußnote lediglich
die Arbeit eines Mannes angegeben, der den Weg jener 68er ging, die
sich in der DKP Westdeutschlands wiederfanden und deren eifrigstes
Bestreben es war (und ist) den kapitalistischen Westen negativ
darzustellen. Und da bot sich der Vorwurf des Rassismus nahezu an. Denn
im vermeintlich kommunistischen Osten gab es so etwas wie Rassismus
natürlich nicht. Nun schwarze Menschen gab es wohl
tatsächlich eher wenig und die Menschen aus den sogenannten
befreundeten Bruderstaaten, lebten überwiegend in separierten
Wohn- und Lebenssituationen. (Dieser Versuch einer Aufarbeitung wird
fortgesetzt.)
Musik von unten beginnt daher an dieser Stelle mit
Dokumentationen von Liedern und Gedichten in denen Worte wie Neger,
Mohr usw. enthalten sind und stellen sie zur Diskussion. Allerdings mit
der dringenden Bitte, die jeweiligen Verse aus ihrer Entstehungszeit zu
würdigen.
Freiligrath, der ab dem 12. Oktober 1848 in die
Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung von Karl Marx und Friedrich
Engels eingetreten war, war besonders für die Auslandsredaktion
zuständig. In vielen seiner Gedichte war das Interesse an vielen
Regionen der Welt deutlich zu spüren. Wir bringen einige Beispiele
der Verse von Ferdinand Freiligrath >
Abschließender Tipp: Interessant kann bei
ernstgemeinter Aufarbeitung das Heftchen „Die Forschungsreise des
Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschlands“ sein. Darin
hat Hans Paasche versucht, die Sicht eines Schwarz-Afrikaners zu
schildern, der nach Deutschland kam (1912-13, Reprint ca. 1983)