O Welch ein Elend, Bergmann zu sein
Version A
1. Mein Vater ist Bergmann, und ich bin sein Sohn,
mit Kummer und Sorgen, so werd ich groß.
als Knabe, da muß ich mit unter die Erd,
da mußte ich fahren mit Wagen und Pferd.
2. Und eines Tages, da hat es gekracht.
Ich hörte ein Wimmern tief unten im Schacht.
Ich kannte die Stimme, die Hilfe geschrien!
Mein Vater, mein Vater! Da brachten sie ihn.
3. Von Steinen zerschmettert, lag tot auf der
Bahr,
ich denke noch heute, als Beerdigung war.
Die Knappen, sie senkten ins Grab ihn hinein,
o welch ein Kummer, Bergmann zu sein!
A 158.603 Kunzendorf, Kr. Landshut, Schlesien,
1933.
Version B.
1. Mein Vater ist Bergmann, ein hartes Los,
In Kummer und Sorgen er zog mich groß,
Ich mußte als Knabe schon unter die Erd,
Mußt Kohlen fahren mit Wagen und Pferd.
2. Da eines Tages, da hat es gekracht,
Da hört ich ein Jammern tief unten im
Schacht.
Ich erkannte die Stimme, die um Hilfe schrieb,
Mein Vater, mein Vater – da brachten sie
ihn.
3. Da lag er zertrümmert auf der Totenbahr,
Ich gedenke noch heute, da die Beerdigung war.
Sechs Knappen, die ließen ins Grab ihn
hinein –
Es ist keine Freude, ein Bergmann zu sein.
4. Wir waren Geschwister, sechs an der Zahl,
Die Mutter lag sterbend dem Tode nach,
Der einzige Ernährer, der war ja nur ich,
Ich ließ meine Mutter niemals im Stich.
A 137.643 Adorf (Kr. des Eisenberges, Kurhess.
Archiv), 1932.
Geschichte / Kommentar:
Ein Lied von der häufig verheerenden
Situation in der sich Bergleute im 19. Jahrhundert und auch noch danach
befanden. Anders als in vielen Lieder der Bergleute verharrt es nicht
im sentimentalen
Wolfgang Steinitz hat es in seine Sammlung
demokratischer Volkslieder übernommen. Seine Quellen sind Notizen
von Gewährspersonen, die die Strophen an das Deutsche
Volksliedarchiv in Freiburg (DBA) gesandt hatten, die so genannten
A-Nummern. Steinitz selbst hat das Lied nur nach 1920 gehört.
Quellen:
Aus dem DVA:
A 158.603 Kunzendorf, Kr. Landshut, Schlesien,
1933.
A 137.643 Adorf (Kr. des Eisenberges, Kurhess.
Archiv), 1932.
A 134.265 Kr. Grottkau, Oberschlesien, ca. 1928.
Die 3 Strophen und die schlecht aufgezeichnete Melodie stehen A ganz
nahe. 3.4 „O welch ein Elend, Bergmann zu sein.“
Wolfgang Steinitz, Deutsche Volkslieder
demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten, Bd. 1, Berlin 1954
S. 284f., Nr. 112.