Spricht man heute vom „Wienerlied“ so
sind Lieder der Interpreten Johann Sioly und Johann Schrammel, Wilhelm Wiesberg und Carl Lorens gemeint. Er verfasste
rund 3000 Liedtexte und Melodien als Couplets, Refrainlieder,
Marschlieder, Duette, Gstanzeln und Parodien. Viele davon wurden zu
Volksliedern. Gut 2000 wurden auch in gedruckter Form verbreitet. 1909
nahm er acht Lieder für Schallplatte auf. Er starb am 12. Dezember
1909 im Wiener Sophienspital. Carl Lorens ist in einem ehrenhalber
gewidmeten Grab auf dem Meidlinger Friedhof beerdigt (Abteilung 3,
Gruppe 6, Grab Nr. 23).
Josef Koller (1872-1945) schreibt 1931 in seinem
Buch zum „Wiener Volkssängertum“ über seinen
Kollegen:
„Eine eigenartige Erscheinung tritt uns in
der Gestalt des Volkssängers und Schriftstellers sowie Komponisten
Carl Lorens entgegen. Ein starkes Talent, bodenständig und
wurzelecht, erfreute er die Wiener durch seine köstlichen Gaben.
Man begeht kein Sakrileg, ihn als Klassiker des Brettls zu bezeichnen.
Aus dem Kranze seiner unvergänglichen Weisen, von denen die
meisten Gemeingut aller sangesfrohen Wiener wurden, seien nur genannt:
„Solang der alte Steffel am Stephansplatz noch steht“,
„Am Wasser, am Wasser bi i z’haus“, „Heut
geh’n ma nimmer ham“, „Der Waselbua“, „Da
fahr’n ma halt nach Nußdorf ‘naus!“,
„D’Mutterliab“, „Pfirt di Gott, du alte
Zeit!“. Man ist bei Beurteilung der Schöpfungen Carl
Lorens’ oft im Zweifel, ob die starke Wirkung durch den Text oder
die Musik erzielt wird. Jedenfalls traf er wie bald kein zweiter den
echt wienerischen Ton. Seine oft verhaltene Elegik wird nie kitschig
und sein sonniger Humor besitzt etwas Draufgängerisches. Fast
jedes Lied trug schon bevor es gesungen, den Keim der Popularität
in sich. Seine Werke aufzuzählen, würde Bände
füllen. Und sonderbar! Über das leben dieses hochbegabten
Mannes, der in den Gärten der Wiener Volksmusik manches Reis
veredelte, peitschte das Schicksal oft schwere Wolken und er, der
Liederreiche, brach oft unter der Wucht der harten Prüfungen
zusammen. Aber Lorens verzweifelte nicht. Als echter Wiener trug er mit
Geduld sein „Binkerl“ und klagte weder Zeit noch Menschen
an. Seine Philosophie lernt man aus dem einst vielgesungenen Liede
kennen „Menschen, Menschen san mir alle!“.
Lorens war ein Landstraßer-Kind. Am 7. Juli
1851 erblickte er im Hause Klimschgasse 214 das Licht der Welt. In
seine Kinderstube drang kein Sonnenstrahl, nur die Klage über Not
bildete die Melodie seiner Jugend …
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Bis zu seinem 19. Lebensjahre war er
Ansteichergehilfe. Lorens rieb die Farben und sang sich ein Liedel.
Dank seinem ausgezeichneten Gehör vermochte er alle gangbaren
Wiener Lieder nachzusingen. Wie viele spätere Größen
des Brettls, sagte auch Lorens dem Handwerk einmal ade und versuchte
sich als Stegreifsänger in Matzleinsdorf. Der Erfolg macht ihn
kühn, so kühn, daß er als Zweiungzwanzigjähriger
ein Fräulein Leopoldine Wieser in der Margaretner Kirche zum
Traualter führte. „Jung gefreit hat noch niemand
gereut“ - so dachte sich Lorens und er behielt recht. Der
glückliche Hausstand schuf jene Atmosphäre, die seiner
Schaffenstätigkeit zugute kam. Schon 1875 hatte sein Lied
„D’Mutterliab“, das er für den Sänger Edi
schrieb, Anerkennung gefunden. Redakteur Julius Löwy, ein
Förderer und Freund der Volkssänger, druckte dieses zum
Herzen gehende Lied in dem damals vielgelesenen
„Extrablatt“ ab, wodurch es in die breitesten Kreise drang.
In rascher Folge entstanden jetzt die Schlagerlieder
„Großmutterl, kränk’ di net!“, das resche
„Aber serbus, meine Herrn!“, das stark ironische Lied im
Coupletstil „Das ist die Liebe nur ganz allein!“, das kecke
„Hab’n S’ a Idee?“, die von starkem
Lokalpatriotismus kündende Weise „Ja so an Schick und so an
Schaner, den hat sonst kaner wie unseraner!“, die von
Abstinenztheorie bedenklich abrückenden Lieder „A so a
Räuscherl is ma lieber als wie a Krankheit, wie a Frieber!“,
und „Trink ma no a Flascherl!“. Ganz Wien sang
Lorens’ „A so a Weiberl is a Freud!“, das „Komm
Karlinchen, komm Karlinchen, komm!“ (nach dem Berliner Original)
das von Modl kreierte Elklid „Hausball bei Brezina! und die
„Linzerischen Buam“. Daß der Text des Liedes
„Grüß enk Gott, alle miteinander!“ aus der
Operette „Der Vogelhänlder“ auch von Lorens stammt,
dürfte vielen unbekannt sein. Auch die Texte zu dem bekannte
Walzerliede Schrammels „‘s Herz von an echten Weana“,
zu Schilds Marsch „Die Banda kommt!“ und Guschelbauers
Schlager „I bin z’ schwach auf der Brust!“ stammen
von Lorens. Im Archiv der Stadt Wien erliegen viele Fachartikel, die
der um die Interessen seines Standes vielbekümmerte Volksbarde
schrieb. Am 1. April 1909 feierte Lorens sein vierziegjähriges
Sänger- und Schriftsteller-Jubiläum. Wenige Tage nachher
überreichte er dem Verleger Blaha ein tiefempfundenes Lied mit dem
Titel „Der Herrgot waß schon, was er tut!“. Dann
begann der Barde zu kränkeln, wurde in das Sophienspital gebracht
und in wenigen Wochen war er eine Leiche. Auf dem neuen Teile des
Meidlinger Friedhofes fand er seine von der Gemeinde Wien gewidmete
Grabstätte. Das schlichte Denkmal - eine gebrochene Säule -
enthält die Inschrift: Carl Lorens, Volksdichter 1851 - 1909 und
darunter eine Strophe seines letzten Liedes:
Und wenn ich einmal sterben sollt’,
so soll es dorten sein,
wo auf den Bergen ringsumher
wächst Österreicher Wein.
Zum Abschied singt mir noch ein Lied
vom deutschen Vaterland
und senkt mich in ein kühles Grab
am blauen Donastrand.
Lorens lebte im Meidlinger Bezirksteil
Gaudenzdorf, wo noch heute in der Schönbrunner Straße 184
eine Gedenktafel zu seinen Ehren angebracht ist. Der Lorenshof, ein
Gemeindebau in der Meidlinger Längenfeldgasse, wurde ihm zu Ehren
benannt. Sein Nachlass befindet sich im Carl-Lorens-Archiv im
Meidlinger Bezirksmuseum, über einen kleinen Bestand verfügt
auch die Wienbibliothek.
Literatur
(Theophil) Antonicek: Lorens Carl. In: Österreichisches Biographisches Lexikon
1815–1950 (ÖBL).
Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, Wien 1972, S. 313.
Josef Koller: Das
Wiener Volkssängertum in alter und neuer Zeit. Nacherzähltes
und Selbsterlebtes. Mit Biographien, Episoden, Liedern, zahlreichen
Abbildungen und Portraits nach zeitgenössischen Bildern aus dem
Volkssängerleben. Gerlach &
Wiedling, Wien 1931, S. 115 f.
Felix Czeike: Historisches
Lexikon Wien, Band 4. Kremayr &
Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00546-9, S. 90 f.
Ernst Weber: D’Leut
hab’n z’wenig Geld. Der Volksdichter und Komponist Carl
Lorens (1851–1909) als Chronist des späten 19. Jahrhunderts. Blätter des Bezirksmuseums Meidling, Heft
49/50, ZDB-ID 512656-3. Verein zur Erhaltung und Förderung des
Meidlinger Heimatmuseums, Wien 2000.
Rudolf Flotzinger (Hrsg.): Oesterreichisches Musiklexikon.
Band 2: Gaal – Kluger. Verlag der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, Wien 2003, ISBN 3-7001-3044-9, S. 1310 f.
Elisabeth Th. Fritz (Hrsg.), Helmut Kretschmer
(Hrsg.): Wien Musikgeschichte. Band 1: Volksmusik und
Wienerlied. Geschichte der Stadt Wien, Band
6, ZDB-ID 1126344-1. Lit-Verlag, Münster/Wien (u. a.) 2006,
ISBN 3-8258-8659-X.
Carolo, A.; Festschrift zur Enthüllung der
Gedenktafel für den Volksdichter Carl Lorens an dem Hause 12,
Schönbrunner Straße 184. Wien: Zentralausschuss für
Heimatforschung, 1928. 20 S.
Illustriertes Wiener Extrablatt, Abendausgabe, 7.
Juli 1885
Quelle:
Josef Koller, Das Wiener Volkssängertum in
alter und neuer Zeit, Gerlach & Wiedling, Wien 1931, S. 115ff. und
Wikipedia