Der Saumarkt
1. In aller Herrgottsfruh’,
Da gehts schon lustig zu;
Die Kunden sind mobil
Und schießen übers Ziel.
Und alles schreit Hurrah!
Der Saumarkt, der ist da,
Da hat die ganze Zunft
Zusammenkunft.
Von draußen kommens rein,
Die Kunden groß und klein,
Ob Kunde oder Schicks,
Das macht am Saumarkt nix.
Der Eine schwer im Bruch,
Hat Kienum (Läuse) grad genug,
Der andre ohne Tritt (Schuhe),
Doch latscht er mit.
Die Glocke hat kaum zwölf geschlagen
Kommen, ohne lang zu fragen,
Bayern, Hessen, Schmarzmeertiner,
Schwaben, Sachsen, und Berliner,
Russen, Türken und Kroaten,
Alle, die da Hopfen blatten.
Am Saumarkt, am Saumarkt,
Am Saumarkt, kommen sie.
2. Im Stern ist Rangdewu,
Dann gehts dem Adler zu;
Auf Hirschenwirts Altan
Ins Roß zur Kegelbahn,
Und wohl auf jeden Fall
Auch mal nach Portugal,
Denn drüben gibts, wie hier,
A guts Glas Bier.
Und alle G’schäft sind da:
Als Maurer, Zimmerma’,
Schlotfeger, Ochsentreib’r,
G’ studierte Leut’ und
Schreib’r,
Gesellen, link und recht
Und mancher Bauernknecht -
Gemütlichkeit herrscht nur,
Vom Krach ka Spur.
Die Glocke hat kaum zwölf geschlagen
Kommen, ohne lang zu fragen,
Bayern, Hessen, Schmarzmeertiner,
Schwaben, Sachsen, und Berliner,
Russen, Türken und Kroaten,
Alle, die da Hopfen blatten.
Am Saumarkt, am Saumarkt,
Am Saumarkt, kommen sie.
3. Um halber fünf sodann,
Da geht die Gaudi an;
Der eine schreit a biß’l
Dem stopft mer seinen Rüss’l,
Da kommt er aus der Ruh’,
Haut mit dem Schneitling zu,
Denn er kennt ka Geduld,
A Schicks war Schuld.
Jetzt kommt d’ Gendarmerie,
Die packen ihn und sie’;
Man wirft sie in den Turm,
Dort legt sich schon der Sturm,
Der andere tappt nach haus
Un schläft den Molum aus.
So gehts am Saumarkt zu,
Mein lieber Bu.
Die Glocke hat kaum zwölf geschlagen
Kommen, ohne lang zu fragen,
Bayern, Hessen, Schmarzmeertiner,
Schwaben, Sachsen, und Berliner,
Russen, Türken und Kroaten,
Alle, die da Hopfen blatten.
Am Saumarkt, am Saumarkt,
Am Saumarkt, kommen sie.
WB
Kienum (Läuse)
Molum
Tritt (Schuhe)
Saumarkt
Schneitling
Schickse = weibliche Kundin
Schicks = männlicher Kunde in Begleitung
einer Schickse
Geschichte / Kommentar:
Das Lied vom „Saumarkt“ schildert das
Durcheinander auf einer Feier der Wanderarbeiter und Kunden auf der
Hopfenernte in Spalt (Mittelfranken), wie es ein Poet seinerzeit erlebt
hat. Hans Ostwald kommentierte das Lied als das „alte
Zuphianuslied, wie’s der Saumarktschreiber singt.“ Und 1908
schrieb Karl Adolf Goldberg in der Zeitschrift der Wanderer (Nr. 4 u.
5):
„So hört man die Kunden singen, wenn
sie Ende August nach Spalt zur Hopfenernte ziehen. Spalt an der
Pegnitz, einem kleinen Flüßchen in Mittelfranken, gelegen,
hat 2600 Einwohner, die sich fast nur vom Hopfenbau ernähren. Es
wird in Spalt blos Hopfen gebaut (...der beste Deutschlands...) Zur
Ernte brauchen sie ziemlich viel Arbeiter; es werden dann in den
Zeitungen 4 bis 6 Tausend Arbeiter als Hopfenpflücker
ausgeschrieben. Vor 20 bis 30 Jahren bestand die Zahl der
Hopfenpflücker nur aus Handwerksburschen und Schicksen und das
nicht nur von der besten Sorte. Jetzt dagegen besteht ein großer
Teil von ihnen aus jungen Bauernmädchen und Burschen aus
dem benachbartem Württemberg und von
der Gegend bei Dinkelsbühl in Bayern. Doch beträgt die
Zahl der Kunden und Schicksen in Spalt und Umgegend immer noch mehr als
Tausend. Es ist den Kunden nicht um die Arbeit zu tun oder um das Geld,
das sie dort verdienen, sondern meistenteils nur der Gesellschaft
halber gehen sie nach Spalt. Viele von ihnen bringen mehr Geld nach
Spalt, als sie mit fortnehmen“.
Die Melodie dieses „Marsch-Couplets“
schrieb Th. F. Schild zum Text „D’
Banda kommt!“ von Carl Lorens, das der Komiker W.
Zangl am Ende des 19. sang.
Quelle:
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein, Leipzig /
Berlin 1907, Bd. 3, S. 65f. (3.2.58)
Karl Adolf Goldberg, Der Saumarkt in Spalt. In:
Das Leben der fahrenden Leute. Aufzeichnungen eines Landstreichers
über das Landstreicherei- und Bettlerwesen, hg. v. Dr. Wilmanns,
in: Der Wanderer 1908, Nr. 4, S.109f und 1908, Nr. 5, S.129-134. Hier
nach: Bergmann 1984, S. 61-68.
Diskographie:
Peter Roland (und Peter Schulz),
Landstreicherballaden, Thorofon FTH154. (Ostwalds Version mit
kleinen Abweichungen)