Lenau wurde der größte lyrische Dichter
Österreichs des 19. Jahrhunderts und gilt als typischer Vertreter
des von Jean Paul geprägten Begriffs Weltschmerzes und wichtiger
Repräsentant des Biedermeier und außerordentlicher
Naturlyriker. Lenau starm am 22. August 1850 in Oberdöbling.
Konrad Beißwanger schrieb über Lenau in
seinen „Stimmen der Freiheit“:
Nikolaus Riembsch v. Strehlenau (Pseudonym:
Nikolaus Lenau) wurde am 15. Aug. 1802 zu Chatod in Ungarn geboren.
Seine Studien machte er zu Wien, wollte erst Jurist werden, ging aber
später zum Studium der Medizin und Naturwissenschaften über.
Sein dichterisches Genie veranlasste ihn bald, sich ganz der Muse zu
widmen und schon die ersten Sammlungen seiner Gedichte wiesen ihm einen
ehrenvollen Platz unter den deutschen Dichtern an. Hier zeigte er jene
Kraft und Zartheit, die wir, außer bei Goethe, bei keinem anderen
neueren deutschen Lyriker so eng mit einander verbunden finden, jene
Ursprünglichkeit und Frische der Gedanken, jene herrlichen
Naturschilderungen aus seiner sonnigen Heimath, jene wilden Genrebilder
aus den weiten Steppen Ungarns, die den Leser mit sich
fortreißen; jenen Durst nach Freiheit, der ihm selbst über
den Ozean trieb (1832), aber auch dort nicht befriedigt ward. Durch die
meisten seiner Lieder zog sich frühzeitig schon jenes
melancholisch-dämonische Element, welches sein späteres
unglückliches Schicksal vorauszusagen schien. Als 1814
während eines Aufenthaltes in Stuttgart die geistige Umnachtung,
die seinen frühe Tod – er starb am 22. August 1850 in der
Irrenanstalt Oberdöbling bei Wien – herbeiführte, mit
Allgewalt zum Ausbruch kam, ward es jedem Leser seiner Lieder klar,
daß der Dichter in ihnen nicht nur äußerlich mit
Byron’schem Weltschmerz gespielt hatte, wenn er sein umnachtet
Antlitz an dem Busen der „sinnenden Melancholie“, als
seines Lebens Leiterin, senkte. Seine Lieder haben mehr als die jedes
anderen deutschen Dichters auf die Musiker, besonders auf Robert Franz,
Anziehungskraft ausgeübt. Schon die Dichtungen selbst haben durch
Lenaus eigenes musikalisches Empfinden ein weiches musikalische Element
in sich aufgenommen. Ab dichterisch werthvollsten ist sein
Romanzen-Cyklus „die Albigenser“, dessen düstere
Scenenfolge durch die Idee verbunden ist, den blutigen Untergang der
provenzialischen Ketzter als eine Episode in dem großen
Befreiungskampf der fortschreitenden Menschheit darzustellen.
Konrad Beißwanger, Stimmen der Freiheit,
Nürnberg 1901, S. 117ff.
Lieder / Gedichte:
Ich lobe den Aristokraten (Des Teufels Lied vom
Aristokraten), S. 119,
Der Frühling ist zu Berg und Thal gekommen
(Der Gefangene), S. 120ff.
Vier Männer dort, im schwarzen Kleid
(Begräbniß einer alten Bettlerin), S. 122f.
Die Menschheit ist dahinter kommen
(Veränderte Welt), S. 123
O gläu’ger Hohn! o bitterste Satyre
(Aus: Die Albigenser. Nachtgesang), S. 124ff.
Im Schlosse Brom verschanzt und fest verhauen (Der
Rosenkranz), S. 127-133.
Ein weites Feld mit Leichen übersät (Ein
Schlachtfeld), S. 133f.
In einer Laube an der Seine trinken (Das Gelage),
S. 135-137,
Vorüber sind die schönen
Frühlingsnächte (Entgeltun), S. 138
Wie rasch doch Fürsten ihre Fahnen schwingen
(Umsonst?), S. 138f.
Wofür sie muthig alle Waffen schwangen
(Schlußgesang), S. 139f. [die letzten Gedichte scheinen alle
zusammen zu gehören
Ruhig ist der Wald bei Trocznow (Johannes Ziska),
S. 141-155
Du fuhrst im goldnen Glückeswagen (Am Grabe
eines Ministers), S. 155
Spritze Funken, Säbelklinge (Der krieglustige
Waffenschmied), S. 155f.
Der Pfaffe weiß mit Dampf, Gesang und
Glocken (Der geldgierige Pfaffe), S. 156.
Begräbniß einer alten Bettlerin. S.
122f.
Vier Männer dort, im schwarzen Kleid ,
Sie tragen auf der Bahre,
Lastträger, ohne Lust und Leid,
Des Todes kalte Waare.
Sie eilen mit dem toten Leib
Hinaus zum Ort der Ruhe.
Schlaf wohl, du armes Bettelweib,
In deiner morschen Truhe!
Dir folgt kein Mensch zum Glockenklang
Mit weinenden Gebärden;
Die Noth nur blieb dir treu, solang’
Von dir noch was auf Erden.
Dir gab der Menschen schnöder Geiz
Ein Leichentuch, zerfetzet;
Hat ein verstümmelt Christuskreuz
Dir auf den Sarg gesetztet;
Doch kränkt dich nicht der bittre Spott
In deinem tiefen Frieden,
Daß man selbst einen schlachtern Gott
Dir auf den Weg beschieden.
Einst blühtest du im Jugendglanz.
Vom ganzen Dorf gepriesen
Die schönste Maid am Erntetanz,
Dort unten auf der Wiesen.
Folgt keiner dir der Bursch nach,
Die dort mit dir gesprungen?
Wo längst die muntre Fiedel bracht,
Die dort so hell erklugnen!