Die drei Zigeuner
1. Drei Zigeuner fand ich einmal
liegen an einer Weide,
als mein Fuhrwerk mit müder Qual
schlich durch sandige Heide.
2. Hielt der Eine für sich allein
in den Händen die Fiedel,
spielte, umglüht vom Abendschein,
sich ein feuriges Liedel.
3. Hielt der Zweite die Pfeife im Mund,
blickte nach seinem Rauche,
froh, als ob er vom Erdenrund
nichts zum Glücke mehr brauche.
4. Und der Dritte behaglich schlief,
und sein Cimbel am Baum hing,
über die Saiten der Windhauch lief,
über sein Herz ein Traum ging.
5. an den Kleidern trugen die Drei
Löcher und bunte Flicken,
aber sie boten trotzig und frei
Spott den Erdengeschicken.
6. Dreifach haben sie mir gezeigt,
wenn das Leben uns nachtet,
wie man’s verraucht, verschläft,
vergeigt
und es dreimal verachtet.
7. Nach den Zigeunern lang noch schau’n
mußt’ ich im Weiterfahren,
nach den Gesichtern dunkelbraun,
den schwarzlockigen Haaren.
Geschichte / Kommentar:
Den Text zu den „drei Zigeunern schrieb der
in Ungarn geboren Nikolaus Lenau. Trotz der romantisierenden
Darstellung zeigt der Dichter Achtung und Respekt vor den Zigeunern und
offenbart eine eigene Wehmut. 1903 übernahm das Lied Hans Ostwald
in dem ersten Band seiner „Lieder aus dem Rinnstein“. Ihm
folgte 1911 im Umfeld der Jugendbewegung Theodor Meyer-Steineg.
Lenaus Verse wurden des öfteren vertont. Am
häufigsten gesungen wurden sie nach der Melodie von Theodor
Meyer-Steineg (1911), einem musikalischen Veteranen der frühen
Jugendbewegung. Doch auch Franz Liszt schrieb Noten zu dem Text.
1969 übernahm Franz Josef Degenhardt den
Grundgedanken des Liedes für 5 Strophen die unter dem Titel
„Zigeuner hinterm Haus des Sängers“. Es ist auf seiner
verbal-radikalsten LP: Im Jahr der Schweine. (Polydor LC... ) (z.B.
„Ein Warenhaus anzünden ist immer noch besser als sich
selbst anzünden“ oder „warum sind die … noch
unversehrt hier“ usw. um kurz darauf in die
kleinbürgerlich-spießigste Partei einzutreten, der DKP. Bei
den „Zigeunern hinterm Haus des Sängers“ zeichnete
Degenhardt ein Bild das zwischen romantischer Zigeunerverklärung
und anarchistischer Gesinnung schwankt. Sein Resümee war, dass ihm
die Zigeuner dreifach gezeigt hätten „wie man einem
Romantiker die Träume schnell vergeigt“. Sich selbst
bezeichnet der Anwalt und mehrfache Hausbesitzer als abgerichtetes
Haustier im Gegensatz zum „nicht versklavten Exemplar“.
Quellen:
Hans Ostwald, Lieder aus dem Rinnstein, Leipzig
und Berlin 1903, Bd. 1, S. 99 (1.7.64)
Erkl.: Vielgesungenes Volkslied.
Theodor Meyer-Steineg, Vierzehn Lieder im
Volkston zur Laute, Jena 1911, S. 14f. (1. Heft)
August Albrecht, Jugend-Liederbuch, Berlin, 1929,
Nr. 279, S. 159.
Walther Werckmeister, Deutsches Lautenlied, Berlin
W 35 1928, S. 175, Nr. 160. (Weise Theodor Meyer-Steinegg)
Hans Mathiesen / Hannes Schwensen, Liederbuch
für Schleswig-Holstein. Herausgegeben v. Schleswig-Holsteinischen
Heimatbund, Wolfenbüttel 1970, S. 196 (Weise aus der frühen
Jugendbewegung)
Ernst Klusen, Deutsche Lieder. Texte und Melodien,
Frankfurt a. M. 1980, S. 542. Dazu Erkl. (S. 843): T.: N. Lenau 1838. -
M.: Th. Meyer-Steineg 1911. (7 Str.)
Disco:
Franz Josef Degenhardt, LP: Im Jahr der Schweine.
Polydor LC... Aufnahme: 1./2.7.1969. in Hamburg