Neunter Gesang
Kehre wieder über die Berge, Mutter der
Freiheit, Revolution!
Heißt nicht Gerechtigkeit deine Schwester?
Heißt nicht Recht dein miß0achteter Sohn? –
Kehre wieder über die Höhen!
Lange standst du, das Antlitz gewendet:
Sahst nicht, wie deine Menschen geschändet,
Hast deine eigene Schmach nicht gesehen.
Kehre wieder über die Berge! Dein ist die
Rache! dein! nur dein!
Wende dein Antlitz, dein starres, hernieder,
welches wie zuckender Wetterschein
Schon so oft auf die Frevler gefallen!
Reiche uns Allen die rettende Hand,
Laß deine Stimme von Land zu Land
Hoffnung kündend und grollend
erschallen!
Kehre wieder über die Berge! – Ehe in
Licht das Dunkel vergeht,
Über den Häuptern der Schuldigen
zermalmend dein gefürchteter Fuß schon steht,
Werden von Antlitz zu Antlitz dich schauen
Wir, die wir Alles und Alles verloren! –
Wir, die Verlorenen – zum Kampfe erkoren
–
Rufen dich, Mutter, in heißem
Vertrauen!
Härte die Herzen, die schwankend geworden,
weil sie zu lange, zu lang’ schon gezaudert!
Kläre den Sinn des Knechts, der noch bangt
und noch schaudert,
Zeige ihm, was seines Mutes Gewinn!
Stelle mit lockenden, leuchtenden Farben
Vor sein Auge geerntete Garben,
Vor seinen Wunsch die Erfüllung hin!
Kehre wieder über die Berge! Mutter der
Freiheit, gesegnete du!
Lächle mit einem einzigen Blicke deinen
schwankenden Kindern nur zu,
Und sie werden wie Eisen sein!
Zeige die Freiheit, die er verloren,
Und das Recht, zu dem er geboren,
Jedem Einzelnen – und er ist dein!
Ja, du kommst! Und wir grüßen dich
tausend-,
Tausendmal, Mutter! – Und dröhnend und
brausend
Rollt unser Ruf zu des Erdballs Grenzen!
Aus den Kerkern, wo wir geschmachtet,
Über die Ruchlosen, die uns verachtet,
Sehn wir die Flammen der Freiheit schon
glänzen!
Kehre wieder! – Es ruft dich die Menschheit
heute am Abend des qualvollsten Tags!
Da ist kein Herz, das nicht höher schon
klopfte heißauflodernden, froheren Schlags
Heute, wo deinem Nahen wir lauschen,
Das wie der Wipfel prophetisches Rauschen
Deiner Berge uns zwingend ergreift!
Heute in Qual wir. Und morgen schon, morgen,
Morgen vielleicht schon in Freiheit geborgen
Unsere Kinder, die über die Leichen
Ihrer im Kampfe gefallenen Väter,
Jeder Einzelne der Menschheit Vertreter,
Schweigend und ernst sich die Hände
reichen!
Ja, du vernahmst unserer Sehnsucht Rufen!
Nieder der Zeiten zerfallene Stufen
Steigst du gewaltigen Schrittes schon;
Kehrst du wieder über die Berge,
Bist der Gerechtigkeit rächender Scherge,
Mutter der Freiheit, Revolution!