Französisches Arbeiterlied.
1. Kaum kräht der Hahn das erste Mal,
So brennt schon uns’re Lampe wieder,
Und neu beginnt die alte Qual
Und dröhnen fällt der Hammer
nieder.
Für ewig ungewissen Lohn,
Müh’n wir uns rastlos ab auf
Erden,
Die Noth vielleicht kömmt morgen schon:
Wie soll es erst im Alter werden? . .
Liebt Euch einander treu und heiß
Und lasset - ob die Schwerter blinken,
Ob uns des Friedens Palmen winken -
Im Kreis, im Kreis
Uns auf die Welterlösung trinken!
2. Mit hartem Grund und falscher Fluth
Ist unser Loos ein ew’ges Ringen,
Und was darin an Schätzen ruht,
Wir sind es, die’s zu Tage bringen,
Wir schaffen Erz und Diamant,
Wir sä’n für jene, die
genießen, -
Wir armen Lämmer: welch Gewand
Schafft sich die Welt aus unsern
Vließen!
Liebt Euch einander etc.
3. Kommt uns das harte Wek zu gut,
Dem uns’re Hände rastlos dienen?
Wohin geht uns’res Schweißes Fluth?
Wir sind nichts andres als Maschinen!
Wir bau’n den Reichen ihre Stadt,
Die Pracht auf diesem Wandelsterne:
Wenn sie den Honig fertig hat,
Jagt man die Bienen in die Ferne.
Liebt Euch einander etc
4. Es trinkt das fremde blasse Kind
Die reine Milch von unsern Frauen,
Und wenn sie groß geworden sind,
Sind sie zu stolz uns anzuschauen.
Das Herrenrecht der alten Welt
Erschreckt nicht mehr des Dorfes
Bräute;
Allein dem Gold des Mäklers fällt
Noch jeder Hütte Kind zur Beute.
Liebt Euch einander etc.
5. Wir müssen frierend unterm Dach,
Wo Käuzchen wimmern, Diebe kauern,
Im engen, finsteren Gemach
Des Lebens lange Nacht vertrauern.
Und doch ist heiß auch unser Blut,
Uns labte eben, wie die Reichen,
Der Sonne segensreiche Gluth,
Die kühlen Schatten unter Eichen’
Liebt Euch einander etc.
6. So oft in schnöder Raserei
Wir blutig noch das Feld gedünget,
Hat sich die alte Tyrannei
Durch unsern Opfertod verjünget,
Spart Euer Blut, spart Eure Kraft,
Die Liebe muß das Höchste
bringen,
Der Hauch, der neuen Welten schafft,
Wird bald die ganze Welt durchdringen!
Liebt Euch einander treu und heiß
Und lasset - ob uns Schwerter blinken,
Ob uns des Friedens Palmen winken -
Im Kreis, im Kreis
Uns auf die Welterlösung trinken
Geschichte / Kommentar:
Text und Musik dieses französischen
Revolutionsliedes schrieb Pierre Dupont 1846 Es gehörte zu den
populärsten Gesängen des jungen Dichters und Chansonniers aus
Lyon, der laut Lammel//Andert seine Lieder selbst vortrug und
veröffentlichte. Die deutsche Nachdichtung von Alfred
Meißner ist bereits 1850 auf einem Liedblatt belegt, allerdings
weicht die Melodie leicht von der Originalweise ab.
Quellen:
Lieder der Arbeiterbewegung im 19. Jh.
Johann Most, Neuestes Proletarier-Lieder-Buch von
verschiedenen Arbeiterdichtern. Gesammelt von Joh. Most, 3. verbesserte
Aufl., Chemnitz 1873, Druck und Verlag der
Genossenschafts-Buchdruckerei Lindenstraße Nr. 22.
Gustaf Linke, Zeitgem. Volkslieder, Dresden 1872,
Nr. 10.
Most’s Proletarier Ldb. 5, (Gustav Geilhof),
1875, Nr. 18.
Sozialdemokr. Ldb. 8. Aufl., Zürich, 1885,
Nr. 18.
Sozialdemokr. Ldb. 12. Aufl. London 1889, Nr. 23
Max Kegel’s Sozialdemokr. Ldb, (8. Aufl.),
Stuttgart, 1897, Nr. 35
Schlüter, Arb-Ldb, Chicago 1906, Nr. 7.
Inge Lammel, Peter Andert, Und weil der Mensch ein
Mensch ist, Dortmund 1986, Nr. 27 S. 52 : Liedblatt, Leipzig 1850
siehe auch:
Werner Hinze, Johann Most und sein Liederbuch.
Warum der Philosoph der Bombe Lieder schrieb und ein Liederbuch
herausgab, Zeitdokumente 1-3 des e.V. „Musik von unten“,
Hamburg 2005.