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Arbeiterliedarchiv
Lancken
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im e.V.
Musik von unten
Das Kaplied

1. Auf, auf, ihr Brüder, und seid stark!
der Abschiedstag ist da.
Schwer liegt er auf der Seele, schwer,
wir sollen über Land und Meer
ins heiße Afrika.  
 
2. Ein lichter Kreis von Lieben steht
ihr Brüder um uns her.
Uns knüpft so manches teure Band
an unser deutsches Vaterland,
drum fällt der Abschied schwer.  
 
3. Dem bieten graue Eltern noch
zum letzten mal die Hand
den kosen Bruder, Schwester, Freund
und alles schweigt und alles weint
todblass
von uns gewandt.  
 
4. Und wie ein Geist schlingt um den Hals
das Liebchen sich herum:
„Willst mich verlassen, liebes Herz
auf ewig?“ - und der bittre Schmerz
macht’s arme Liebchen stumm.  
 
5. Ist hart! Drum wirble du Tambour,
den Generalmarsch drein;
der Abschied macht uns sonst zu weich,
wir weinten kleinen Kindern gleich,
es muss geschieden sein!  
 
6. Lebt wohl, ihr Freund! sehn wir uns
vielleicht zum letzten mal,
so denkt: nicht für die kurze Zeit,
Freundschaft ist für die Ewigkeit
und Gott ist überall.  
 
7. An Deutschlands Grenze füllen wir
mit Erde unsre Hand
und küssen sie, - das sei der Dank
für deine Pflege, Speis und Trank,
du liebes Vaterland!  
 


8. Wenn dann die Meereswoge sich
an unsern Schiffen bricht,
so segeln wir gelassen fort,
denn Gott ist hier und Gott ist dort
und der verlässt uns nicht.  
 
9. Und ha, wenn sich der Tafelberg
aus blauen Düften hebt,
so strecken wir empor die Hand
und jauchzen:
„Land ihr Brüder, Land!“
dass unser Schiff erhebt.  
 
10. Und wenn Soldat und Offizier
gesund ans Ufer springt,
dann jubeln wir: „Ihr Brüder, ha,
nun sind wir ja in Afrika!“
und alles dankt und singt.  
 
11. Wir leben drauf in fernem Land
als Deutsche brav und gut
und sagen soll man weit und breit
die Deutschen sind doch brave Leut,
sie haben Geist und Mut.  
 
12. Und trinken auf dem Hoffnungskap
wir feinen Götterwein,
so denken wir, von Sehnsucht weich
ihr fernen Freunde, dann an euch
und Tränen fließen drein.  

Andere Titel: 
Text: Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1891),
Melodie: Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1891),

Noten: Aus Bohme Nr. 44

Vorlage:
Kategorie:
Zeit: Absolutismus;
Varianten: 
 
Geschichte / Kommentar: 

Das berühmte Kaplied Schubarts ist ein Abschiedslied an ein ganzes Regiment von 2000 Soldaten, die im Februar 1787 vom württembergischen Herrscher an die Holländer nach Afrika verkauft wurden, um die leeren Staatskassen zu füllen.  Verfasst hat es der Christian Friedrich Daniel Schubart (1739-1891) im zehnten und letzten Jahr seiner Kerkerhaft auf der Festung Hohenasperg.

Der „württembergische Rebell“ hatte anlässlich des geplanten Ausmarsches aus Ludwigsburg seinem Verleger am 22. Februar 1787 brieflich angekündigte,:

„Künftigen Montag geht das aufs Vorgebirg der guten Hofnung bestimmt würtembergische Regiment ab. Der Abzug wird einem Leichenconducte gleichen, denn Eltern, Ehemänner, Liebhaber, Geschwister, Freunde, verlieren ihre Söhne, Weiber, Liebchen, Brüder, Freunde – wahrscheinlich auf immer. Ich hab’ ein paar Klaglieder auf diese Gelegenheit verfertigt, um Trost und Muth in manches zagende Herz auszugießen. Der Zweck der Dichtung ist, nicht mit Geniezügen zu prahlen, sondern ihre himmlische Kraft zum Besten der Menschheit zu gebrauchen.“ (zit. nach Friedlaender, S. 579).

Das Trostlied erschien als Flugblatt am 27. Februar 1787 mit einem weiteren Kaplied  („Hellauf, Kameraden! – Der krieg’rische Ton / Der Trommel und Pfeife ermuntert uns schon“) zuerst unter dem Titel: „Zwei Lieder für das nach dem Kap bestimmte v. Hügelsche Regiment. Nebst Musik von Chr. Dan. Schubart, Stuttg. 1787. Es wurde fast sofort vielfach nachgedruckt.

Menschenhandels mit Soldaten um die Landeskasse aufzufüllen war nicht gerade unüblich. War es in diesem Fall der Verkauf an die Holländisch-Ostindische Kompanie, um deren Interessen beim Handelsweg nach Indien gegen Übergriffe der Engländer zu schützen. Bekannt wurde auch der Verkauf von 12000 Söldnern des Landgrafen von Hessen-Kassel an England, damit die ihre Interessen in Amerika sichern konnten.

Vom ergreifenden Gesang des Kapliedes berichten Achim von Arnim (1781-1831), Mitherausgeber des Wunderhorns und Justinus Kerner (1786-1862) in ihren Lebenserinnerungen. Das Lied wurde in zahlreichen Flugblättern verbreitet und fand Eingang in die bekanntesten Liedersammlungen des 19. Jahrhunderts (z. B. das Mildheimische Liederbuch, Gotha 1799-1815, das Wunderhorn, Heidelberg 1806-1808). oder das Liederbuch des Deutschen Volkes, Leipzig 1843 und 1883)

Schubarts Lied wurden bereits kurz nach seinem Erscheinen unzählige andere Texte unterlegt und die Melodie diente häufig um neue Texte zu transportieren.

Auch als Auswandererlied fand das Lied seine Nutzung Moltmann berichtet von dem Tagebucheintrag Friedrich Lists (1789-1846), der 1825 aus politischen Gründen ins Exil nach Amerika ging. Als die Kinder, von Trauer überwältigt das Lied anstimmten (siehe Moltmann, S. 21f.).




Quelle:
Abdrucke u. Literatur (Auswahl):
Böhme, Franz Magnus: Volksthümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert. Leipzig 1895, S. 36.
Friedlaender, Max: Das deutsche Lied im 18. Jahrhundert. Stuttgart u. Berlin 1902.
Steiff, Karl u. Mehring, Gebhard: Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs. Im Auftrage der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte. Stuttgart, 1912.
Heeger, Fritz: Lebt wohl, ihr Brüder! Ein pfälzisches Auswandererlied und seine Herkunft. In: Die Pfalz am Rhein 14 (15.8.1931), S. 425 f.
Steinitz, Wolfgang: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Bd.1, Berlin 1954, S. 414.
Moltmann, Günter: Schubarts Kaplied von 1787 und die Entstehung des weltlichen Auswandererliedes in Deutschland. In: Yearbook of German-American Studies 22 (1987), S. 21-37.
Linder-Beroud, W. „Auf, auf ihr Brüder“ in: Werner Hinze, „Hier hat man täglich seine Noth“. Lieder von Auswanderern, Hamburg 2009, S. 104f.


 
 
 
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