Vor der Fahrt
1. Jenseits der grauen Wasserwüste
Wie liegt die Zukunft winkend da!
Eine grüne lachende Küste,
Ein geahndet Amerika!
Und ob auch hoch die Wasser springen,
Ob auch Sandbank uns droht und Riff:
Ein erprobt und verwegen Schiff
Wird die Mut’gen hinüberbringen!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
2. O tapfer Fahrzeug! Ohne Schwanken
Befährt es dreist die zorn’ge Fut!
Schwarz die Masten und schwarz die Planken,
Und die Wimpel sind rot wie Blut;
Die Segel braun von Dampf und Feuer;
Vom Verdeck herab ihren Blitz
Sprüh’n Gewehre, sprüht das
Geschütz,
Und das blanke Schwert ist sein Steuer!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
3. So fährt es aus zu seinen Reisen,
So trägt es Männer in den Streit: -
Mit den Helden haben die Weisen
Seine dunklen Vorde geweiht!
Ha, wie Kosciuszko dreist es führte!
Ha, wie Washington es gelenkt!
Lafayette’s und Franklin’s denkt,
Und wer sonst seine Flammen schürte!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
4. Ihr fragt erstaunt: Wie mag es heißen?
Die Antwort ist mit festem Ton:
Wie in Oesterreich, so in Preußen
Heißt das Schiff: „Revolution!“
Es ist die einz’ge richt’ge Fähre
-
Drum in See, du kecker Pirat!
Drum in See und kapre den Staat,
Die verfaulte schnöde Galeere!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
5. Doch erst bei schmetternden Drommeten,
Noch eine zweite wilde Schlacht!
Schwarzer Brander, schleud’re Raketen
In der Kirche scheinheil’ge Yacht!
Auf des Besitzes Silberflotten
Richte kühn der Kanonen Schlund!
Auf des Meeres rottigem Grund
Laßt der Habsucht Schätze verrotten!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
6. O stolzer Tag, wenn solche Siege
Das Schiff des Volkes sich erstritt!
Wenn, zu Boden segelnd die Lüge,
Zum ersehnten Gestad es glitt!
Zum grünen Strand der neuen Erde,
Wo die Freiheit herrscht und das Recht,
Wo kein Armer stöhnt und kein Knecht,
Wo sich selber Hirt ist die Herde!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
7. Wo nur der Eintracht Fahnen wehen,
Wo uns kein Hader mehr zerstückt!
Wo der Mensch von der Menschheit Höhen
Unenterbt durch die Schöpfung blickt!
O neue Welt, nach Sturm und Fehde
Wie erquickt uns bald deine Ruh’!
Alle Herzen pochen dir zu - -
Und der Brander liegt auf der Rhede!
Frisch auf denn, springt hinein!
Frisch auf, das Deck bemannt!
Stoßt ab! Stoßt ab! Kühn durch
den Sturm!
Sucht Land und findet Land!
Geschichte / Kommentar:
Eines von mehreren Liedern, die Ferdinand
Freiligrath zum Thema Auswanderung verfasste. Es wurde wie so viele
andere Lider auf die Melodie der Marseillaise gesungen und ist ein Lied
des 19. Jahrhunderts.
Quelle:
Sozialdemokr. Ldb. 8. Aufl., Zürich, 1885,
Nr. 16
Sozialdemokr. Ldb. 12. Aufl. London 1889,
Hermann Schlüter, Sozialistisches
Arbeiter-Liederbuch. Herausgegeben von der Deutschen Sprachgruppe der
Sozialist. Partei der Vereinigten Staaten, 803 West Madison Str.,
Chicago III. Nr. 35, S. 58f.
Freiligraths Werke in Neun Bänden. Mit
Einleitung v. Schmidt-Weißenfels, Bd. 4, S. 119, Kapitel
„Ca Ira“ (1846),